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Das Pendant zu dieser Weltoffenheit, die natürlich auch mit der internationalen Verwertung seiner eigenen Produktionen zu tun hat, ist sein Bekenntnis zu Wien. Die Gattung des „Wienerliedes“ ist schr speziell im Changieren zwischen selbstverliebter Sentimentalität und unverstellter Heimatliebe. Letztere zeigt sich u.a. darin, dass man genau hinschaut— und das kann ein ‚Zuagroaster‘ besonders gut und so einer mit dem Blick und der Sprache eines Beda am besten. Er weiß, wie's ausschaut z.B. Drunt in der Lobau (1926), „... wo die Donau mit silbernen Armen umschlingt/ ,s letzte Stückerl vom träumenden Wien ...“, und natürlich auch in Wien selbst: Und wieder geh‘ ich durch die engen Gassen, wo scheu geduckt die alten Häuser stehn; die Biedermeierhöfe sind verlassen, die kleinen Fenster trüb hernieder seh'n. Zwei müde Weiblein steh'n auf der Pawlatschen [Treppenumgang zu den Hinterhäusern] mit Einkaufstaschen, die so mager sind wie ihre Wangen, seufzen schwer und tratschen; beim Brunnen spielt ein bleiches Wiener Kind. Da mischt sich in die Sentimentalität plötzlich eine Prise Sozialkritik, besser: es rückt ein Stück soziale Realität ins Bild, die in der nächsten Strophe noch verstärkt wird: Doch nagt das Heut‘, wo man für's Morgen borge, ums gold’ne Kalb tanzt man im fremden Takt, die Armut reicht die Hand der Mutter Sorge, und magre Kinderfüßchen trippeln nackt. Man erwartet nun fast einen Aufruf zur Maifeier 1922, doch der Refrain biegt es wieder zurück ins Sentimentale: Wien, Wien, Wien, sterbende Märchenstadt die noch im Tod für alle ein freundliches Lächeln hat. Wien, Wien, Wien, einsame Königin im Bettlerkleid, schön auch im Leid bist du, mein Wien! So nah liegen im Auge Bedas die Hinterhöfe und die ‚Stadt des Lächelns‘ nebeneinander. Im (gleichfalls jüdischen) Komponisten und Kabarettisten Hermann Leopoldi hat er für diese Sicht einen kongenialen Partner gefunden. Wer konnte da schon ahnen, dass ihre letzte Zusammenarbeit unter entwürdigenden Umständen 18 _ ZWISCHENWELT stattfinden würde: 1938 im KZ Buchenwald bei der Schaffung des Buchenwälder Marsches. Man versteht bei solchen Wiener Versen aber auch, wie unbegreiflich und irreal die Vorstellung für einen wie Beda sein muss, dass ihm je diese Stadt weggenommen werden könnte, die er so oft und so schön besungen hat. Jeder Liedtext ist auch eine sprachliche Inbesitznahme und das kollektive Gedächtnis der Wiener ist gesättigt mit solchen liebevollen Versen. Wie könnten sie es je zulassen, dass einer wie er aus ihrer Mitte entfernt wird? Sie würden ein Stück von sich selbst weggeben! Die polare Entsprechung zu diesem Zugehörigkeitsgefühl ist sein Freisinn. Einengung, Zwang, Spießertum, Vereinsmeierei, Sinnenfeindlichkeit und was derlei noch wäre, sind ihm verhasst. Auch in seinen späteren Werken schwingt ein autoritätskritischer Hedonismus mit, der sich schon in seinem schon erwähnten 1908-er Bekenntnisgedicht auf den „alten lieben, guten Kaiser“ ankündigt, den „mit den blauen Augen und den Silberhaaren“: Ich bin fürwahr keine Lakaienseele, und kein gereizter Kirchweih-Veteran; mir imponieren nicht mal Generäle, ich bin kein demutsvoller Untertan, ich bin kein Freund solenner Lorbeerreiser und das ‚Hurrah! fällt mir verteufelt schwer. Bevor es zu aufmüpfig wird, kriegt er gerade noch die Kurve: Jedoch den alten, lieben, guten Kaiser, den hab‘ ich lieb, als obs mein Vater wär... Elf Jahre später nimmt sein Freigeist eine andere Kurve und macht sich im linksliberal-sozialdemokratisch inspirierten Magazin „Der Götz von Berlichingen. Eine lustige Streitschrift gegen alle“ als Sprachrohr des aufstrebenden demokratisch gesinnten Mittelstandes über den an alten Privilegien hängenden Adel her: Alles will man ihnen nehmen, was die armen Kerls besitzen! Auto, Schmuck und Wertpapiere, selbst der Wagen mit den Pferden und der Diwan mit der Freundin soll zur Hälfte staatlich werden --so manche Hose wird das nicht entzücken — ich bins gewohnt, mich nobel auszudrücken. Von sich weiß er, dass sein Besitzstand im Kopfe steckt, und so schreibt er weiter: Hinter meiner freien Stirne ist der Safe mit meinen Renten, welche unsere Finanzer sicher gut verwenden könnten. Jedoch sie können mir nur rutschen längs dem Rücken... Ich bins gewohnt, mich nobel auszudrücken. Auch sein poetisches Eintreten für das Recht einer (dunklen) Frau auf Studium an der Wiener Universität (1923 ein aktueller Vorgang) passt zu dieser Geistesrichtung. Unter der ironischen Überschrift Gefahren des Frauenstudiums notiert er im „Lausbub“, einer satirischen Seite in der vormals kriegsfrohen „Wiener Sonnund Montagszeitung*: Friedlich weilte in der Aula auf der Universitat Fräulein Obermüller Paula, die daselbst studieren tät... Sie war ein unfehlbare Arierin aus Oberlaa;