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Leider hat sie schwarze Haare — Grund hiefür, was nun geschah. Es marschierten stramm und wacker Übern Schottenring herbei Fünfundzwanzig Furchenkacker Von der Bodenkulturei ... Solche Vorboten des Unheils hat Beda schon schr früh gesehen. Ihm war klar, dass sein Sinnen und Trachten nicht mit der gestriegelten und gestiefelten Politik der Braunen vereinbar war. Und so war er schon schr früh — mehr persönlichkeitsstrukturell als politisch — und sehr entschieden Antinazi. Am 12. März 1938 um 5 Uhr 30 morgens marschieren Hitlers Soldaten in Österreich ein. Schon einen Tag später um vier Uhr früh steht ein bewaffneter Trupp Polizisten vor der Tür im ersten Stock der Langegasse 46. Sie nehmen Fritz Löhner mit und schreien seine Frau Helene an. Die beiden Mädchen Liselotte und Eva weinen. Sie bringen ihn ins Gefangenenhaus des Polizeiprasidiums an der Elisabethpromenade — von den Wienern wegen seiner Lage ‚Liesl‘ genannt. Als von dort am 1. April der „Prominententransport Nr. 1“ nach Dachau losgeht, ist Fritz Lohner dabei. Am Westbahnhof werden sie von der Polizei der SS übergeben. Auf dem Transport müssen sie auf Befehl von zunehmend betrunkenen Wachmannschaften unter die Bänke kriechen, in die Gepäcknetze klettern, ins elektrische Licht starren, ohne zu zwinkern; hunderte Kniebeugen machen, Mitgefangene abwatschen oder ihnen ins Gesicht spucken. In Dachau kommt Fritz Löhner mit anderen österreichischen Juden in den Block 14, Stube 4. Seine junge Frau, die er 1925 geheiratet hatte, kann in Erfahrung bringen, wo ihr Mann gefangen ist. Besuchen darf sie ihn nicht. Als er im Herbst nach Buchenwald gebracht wird, schickt sie ihm regelmäßig die erlaubten zehn Reichsmark. Finanzämter, lokale NS-Parteiführer in Wien und Bad Ischl sowie die Gestapo machen sich über das Eigentum der Familie her. Mit pseudojuristischen Argumenten und enormem Druck, den die neuen antijüdischen Gesetze ermöglichen, werden der Familie nach und nach Tantiemenansprüche, persönliche Wertgegenstände, Kunstwerke und die Villa Felicitas samt Inventar entzogen. Am 31. August 1942 beginnt der letzte Akt: Wieder erscheinen Polizisten in der Langegasse 46. Helene muss ein Formblatt unterschreiben: „Ich, der unterzeichnete Jude, bestätige hiermit, ein Feind der deutschen Regierung zu sein und als solcher kein Anrecht auf das von mir zurückgelassene Eigentum zu haben.“ Sie werden abgeführt und müssen die Wohnungsschlüssel abgeben. Die Hausbesorgerin trägt in Löhners „Meldezettel für Hauptmieter“ ein: „Gattin und 2 Kinder am 31.8.42 nach Minsk“. Helene Löhner und ihre beiden Töchter werden im dortigen Vernichtungslager Maly Trostinec wahrscheinlich gleich nach der Ankunft — noch drei Monate vor ihrem Mann und Vater — am 5. September ermordet. Fritz Löhner hat vom Schicksal seiner Familie nichts erfahren. Er selbst wird am 4. Dezember nach einem Besuch von fünf Direktoren der IG Farben, von denen einer, als er den Geschwächten sieht, bemerkt: „Der Jude dort könnte auch schneller arbeiten“, im KZ Auschwitz/Monowitz — vermutlich von einem kriminellen Mithäftling — erschlagen. Der KZ-Arzt Entress notiert als Todesursache „Altersschwäche“. Literatur Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Göttingen: Steidl 2000. Barbara Denscher, Helmut Peschina: Kein Land des Lächelns. Wien: Residenz 2002. Wolfgang Schneider: Kunst hinter Stacheldraht. Weimar 1973. Reinhard Fehling hat im Vorfeld des 75. Todestages von Fritz Löhner-Beda ein Konzertprogramm entwickelt, in dem im 1. Teil einige seiner Erfolgsstücke aus den 20er-Jahren präsentiert werden. Der 2. Teil enthält — neben Fritz Löhners bekanntem Buchenwälder Marsch, der von Hermann Leopoldi in Musik gesetzt wurde — die wohl ersten Vertonungen von zwölf weithin unbekannten — gleichfalls im KZ Buchenwald verfassten — Gedichten. Sie sind zu einem fünfteiligen Zyklus gruppiert, der auf den Buchstaben F-B-E-D-A und der Zahlenfolge 68561 (seine Häftlingsnummer, hier verstanden als Stufen einer Tonleiter) aufgebaut ist. Die Buchstaben des Namens figurieren als Töne, die sowohl die Basistöne der 5 Teile darstellen als auch ein musikalisches Motiv (verwandt dem berühmten B-A-C-H), das den Teilen eingewebt ist und diese strukturell zusammenhält. Der Zyklus dauert ca. #5 Minuten und ist liedhaft gehalten, bei stetigem Wechsel und wechselnder Kombination von solistischen und chorischen Passagen. Er integriert auch zwei ‚Fremdtexte‘, einmal Goethes „Wanderers Nachtlied“ („Der du von dem Himmel bist ...“), in Erinnerung an die sogenannte GoetheEiche auf dem Gelände des KZ, in deren Nähe dem Dichter die Inspiration zu zwei Gedichten dieses Titels gekommen sein soll. Der zweite ist der Schlussstrophe aus Jura Soyfers „Lied von der Erde“, das mit dem Motiv des Buchenwald-Liedes „Ja zum Leben sagen“ korrespondiert. Die Buchenwald-Gedichte blieben bisher von Komponisten unbeachtet bzw. unentdeckt; und so ruhte dieser Schatz lange Jahre im Archiv der Gedenkstätte Buchenwald. Dabei sind sie für den Komponisten eine Steilvorlage, denn Löhners Texte waren immer zugleich auch ‚Lieder‘ und wurden ihm zu Lebzeiten aus der Hand gerissen und oft genug tagesaktuell vertont und zum Erfolg geführt. Zusammen mit seinen späten Gedichten geben sie Auskunft über ein Leben, das hoch stieg und tief fiel, und darüber, was davon als Dichtung übrig blieb. Zu hoffen ist, dass — aufgehoben in Musik — der Wert der Dichtung erkannt wird und der ganze Fritz Beda ein Stück weiter aus dem Schatten tritt. — Eine Live CD des BEDA-Projektes ist beim Autor erhältlich. Entstanden ist auch eine bisher nicht aufgeführte TheaterRevue mit dem Titel „Der Löhner — Ein Leben in Liedern“, die das Leben des Autors in 7 Szenen darstellt, Libretto von Mechthild von Schönebeck mit etlichen von Fehlings BEDAVertonungen. Juni 2018 19