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der Beachtung politischer, kultureller, sozial-ökonomischer und soziologischer (Um-)Felder und Methoden bedarf. An Jahrestagungen der Gesellschaft für Exilforschung hat sie nie teilgenommen, sie jedoch verfolgt, u.a. durch den Neuen Nachrichtenbrief, doch hat sie letztlich sowohl personell — einige Wissenschaftlerinnen im Vorstand haben in der AG „Frauen im Exil“ ‚angefangen‘ — als auch thematisch in die „Mutter‘-Gesellschaft hineingewirkt. Anna Schafer Die Exilforscherin Ursula Langkau-Alex war von 2009 bis 2013 Vorsitzende der Gesellschaft für Exilforschung e.V. Der vorliegende Nachruf wird auch im „Neuen Nachrichtenbrief“ dieser Gesellschaft veröffentlicht. Bei jedem Besuch in meiner Geburtsstadt Wien suche ich das Haus Neubaugasse 25 im siebten Bezirk auf. Es hat einen stillen Innenhof mit Bäumen, einem Brunnen und einer vielleicht aus der Zeit des Rokoko stammenden Frauenfigur, die einem Kind aus ihrem Wasserkrug zu trinken gibt. Ein Schild besagt, dass das Gebäude Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts im Sezessions-Stil errichtet wurde. In einer Novelle meines Vaters, Ernst Schafer, in diesem Haus geboren. Mit ihren Eltern, Gustav und Hermine Krombert (früher Kohn) und ihrem älteren Bruder Ernst verbrachte sie hier ihre Kindheit und Jugend. Die Familie war assimiliert-jüdisch. Es waren die Jahre des Ersten Weltkriegs, des Endes des Habsburgerreiches und der revolutionären Erschütterungen in Wien. Rosa machte kurz vor Kriegsende ihren Schulabschluss und schrieb sich an der Wiener Kunstgewerbeschule ein.? Sie wollte Bildhauerin werden. Es wird erwähnt, dass Rosa Schülerin des bekannten Bildhauers Anton Hanak gewesen sei. In der Tat lehrte Hanak damals an dieser Schule. In Rosas erhaltenem Studienplan wird er jedoch nicht genannt. Es müsste sich um Privatstunden gehandelt haben. Schon nach einem Monat verließ Rosa die Kunstgewerbeschule und trat in die Frauenakademie für Bildhauerei ein. Diese war 24 ZWISCHENWELT speziell für weibliche Studierende eingerichtet worden, um ihnen einen besseren Zugang zu Graphik, Bildhauerei und besonders zum Aktzeichnen zu ermöglichen. Die zur Zeit einflussreichsten Künstler waren Gustav Klimt und Oskar Kokoschka. Klimt arbeitete während des Krieges an seinen letzten und berühmtesten Gemälden, Die Dame mit dem Fächer und Die Braut. Beide blieben, als er 1918 starb, unvollendet. Rosas spätere Bilder zeigen etwas von Klimts Vorliebe für Geometrisch-Ornamentales. Kokoschka begann den Krieg als ‚Kriegsmaler‘ mit patriotischen ‚Schlachtenbildern‘. Nach leidvollen Kriegserfahrungen schloss er sich jedoch den Expressionisten an und schuf Bilder, die seine radikale Kriegsgegnerschaft ausdrückten. In dieser auch künstlerisch und kulturell gespannten Atmosphäre begann Rosa ihre eigene Laufbahn. Sie schuf Holzschnitte und Plastiken, die mehrfach in Wiener Galerien ausgestellt wurden. Auch Ernst Schafer war aus einer assimilierten jüdischen Familie. Nach abgebrochenem Kriegsdienst schloss er sich knapp vor Kriegsende vermutlich der linksradikalen Gruppierung um Leo Rothziegel an und nahm in den frühen 1920er Jahren an Aktivitäten in Berlin und Wien teil. Er schrieb Artikel für verschiedene Zeitschriften, u.a. für die Zeitschrift Der Friede’, und bestritt seinen Unterhalt als Kaffeehausmusiker und Hauslehrer. Als späterer Kunstkritiker scheint er sich cher an Kokoschka als an Klimt orientiert zu haben. Etwa 1920 muss Rosa Ernst Schafer begegnet sein. Anfang Februar 1922 wurden Rosa und Ernst in Wien standesamtlich getraut. Kurz vorher waren beide ofliziell aus dem Judentum ausgetreten. Die Anzahl solcher Austritte und Übertritte, meist zum Katholizismus, stieg zu dieser Zeit stark an, besonders unter assimilierten Juden. Sollten sie einerseits Schutz vor dem rapide anwachsenden Antisemitismus bieten? Sollten sie der Anschuldigung entgegenwirken, die die „jüdische Intelligentsia“ für den Kommunismus verantwortlich machen wollte? Bei Rosa scheint aber cher der geistig-seelische Aspekt im Vordergrund gestanden zu haben. Zwei von Rosas späteren Bilder deuten weniger eine politische als eine emotionale Hinwendung zum christlichen Glauben an. Eine Bildpostkarte, die sie 1933 an ihre Kusine Käthe BraunPrager schickte, zeigt einen Holzschnitt ohne Titel, den ich als Christus und seine Jünger zitieren möchte.‘ Das Entstehungsjahr wird in Rosas Handschrift mit 1924 angegeben. Ein späteres Bild, Das Gebet, stellt eine Nonne im Gebet dar. Beide drücken eine demütige und vertrauensvolle Hingabe an eine Gottheit aus, sei ES in der Gestalt Jesus Christus‘ oder der des großen Schutzengels, der sich über die Betenden neigt.