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Das Bild Leere Krüge steht zu den genannten Krügen in schroffem Kontrast. Stellen diese leeren Krüge Rosas Leben im Exil dar? Ihre frühen Erfolge in England mögen sie einerseits mit Lebensfreude und Hoffnung erfüllt haben. Andererseits — wann erreichte Rosa die Nachricht, dass Ernst Schafer 1942 in Mauthausen ermordet worden war und dass ihre Mutter, 1943 nach Theresienstadt deportiert, dort Selbstmord begangen hatte? Sind es Trauer und Verlust, die in den leeren Krügen leben? Eine Totenmaske schwebt über den trockenen, versandenden Krügen. Sind diese Krüge ein Bild von Rosas eigenen, sich erschöpfenden inneren Reserven? Von Wolfgangs Schicksal in der Exil- und Nachkriegszeit war bisher nur bekannt, dass er sich 1948 in England einbürgern ließ und eine Laufbahn im britischen Militär begann. Amtlich hieß er von da an Wilfred Sheppard. Unerwartete, schockierende Informationen enthalten die Memoiren des israelischen Historikers Joseph Woolf. Er war mit Wolfgang im Sommer 1948 in Israel zusammengetroffen. Beide hatten sich freiwillig zum Dienst im israelischen Unabhängigkeitskrieg gemeldet. Er schreibt: Wilfred Sheppard the son of Ernst and Rosa, was born in Vienna. He arrived in England as a refugee in 1938 ... During WWII he volunteered for the British Intelligence Service ... Wilfred Sheppard volunteered to fight in Israel's War of Independence ... He was posted to the 72° Infantry Battalion. While based at Camp Fylon in Israel he was killed in a shooting accident on 26" of December 1948. He was laid to rest at the Rosh Pina military cemetery, within walking distance of Camp Fylon."* Hat Rosa nach diesem Schicksalsschlag je erwogen nach Wien zurückzukehren? Österreichische Exilorganisationen in England setzten sich schr für die Remigration ein. Ein Motiv war, der weiteren Emigration in die USA oder nach Israel vorzubeugen und besonders junge Österreicher für den Wiederaufbau ihrer Heimat zu gewinnen. Mehrere von Rosas Verwandten traten diese Rückwanderung an. Felix Braun und Käthe Braun-Prager kehrten 1951 nach Wien zurück. Käthes Tochter Ulrike und die Enkelin Tatjana waren ihnen 1947 vorausgegangen. Auch Rosas Neffe Kurt John 28 _ ZWISCHENWELT Krombert, 1936 in Wien geboren und in Holland aufgewachsen, ging nach dem Krieg nach Österreich zurück. Im April 1956 hatte Rosa die Gelegenheit, ihre Bilder in der Wiener Neuen Galerie auszustellen. Peter Krombert berichtet, sein Großvater, Rosas Bruder Ernst Krombert, habe diese Ausstellung für sie arrangiert. Sie fand wenig Beachtung und muss wohl eine Enttäuschung für die Künstlerin gewesen sein. Es gibt eine Postkarte, die Rosa am Tag der Eröffnung dieser Ausstellung, dem 4.4.1956, an den Schriftsteller und Herausgeber Rudolf Felmayer richtete. Sie deutet an, dass sie vergeblich auf ihn gewartet habe, ihn aber für den nächsten Tag einlüde. „Da wird die Kritik da sein und ein paar geladene Gäste.“ Hat sie auch am nächsten Tag vergeblich auf ihn gewartet? Hatte sie überhaupt auf einen herzlicheren Empfang in Wien gehofft? War ihr das eigene Wienbild nach Krieg, Flucht, Deportation und Exil verlorengegangen? Der Prospekt dieser Ausstellung vom 4. bis 30. April 1956 beschreibt die Künstlerin mit den Worten: Seit 20 Jahren lebt die Künstlerin in England und ist dort zur Malerin geworden. Als solche geht sie eigene Wege. Ihre Ausdrucksform hat sich in der Einsamkeit und Verlassenheit der Großstadt gestaltet und unablässig strebt sie nach Vollendung. Sie bezeugt ein Ringen um eine Geistigkeit, die bei moderner malerischer Technik zurückweist auf frühere Jahrhunderte.” Ein Photo im Besitz von Rosas Verwandten zeigen sie auf Besuch am Kontinent. Auf dem Photo von etwa 1958 steht sie neben ihrem Bruder Ernst.