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Goldene Ehrenmedaille und 1985 den Ehrenring der Stadt Wien. Bis zu seinem Lebensende sind es nun vor allem die Erlebnisse seiner Afrika-Reisen, die ihn künstlerisch am stärksten prägen. Den Anfang seiner Liebe zu Afrika macht 1967 eine Kreuzfahrt auf einem Frachtdampfer über Gibraltar und den Suezkanal nach Südafrika. Es folgen mehrere Aufenthalte in Ost- und Westafrika, u.a. in Freetown in Sierra Leone, in Mombasa in Kenia, in Kamerun, auf Sansibar, auf Djerba und in Tunis. Hauser findet in Afrika etwas, das er in seiner Heimat vermisst und beschreibt dies mit folgenden Worten: ... Afrika hat eine Substanz — die Afrikaner haben eine Substanz — die mich gepackt hat, so, daß alles, was ich in der letzten Zeit geschrieben, was ich gemalt habe, mit Afrika zu tun hat, und aus diesem afrikanischen Erlebnis entstanden ist, weil ich hier noch etwas sehe, was ich für eine Aussicht für die Welt halte ... Marianne Windsperger Die pazifistische und antifaschistische Überzeugung Carry Hausers zieht sich durch seine persönlichen Notizen, seine Briefe, seine Zeichnungen und Gemälde. Ein wesentliches Merkmal seiner Kunst ist die gesteigerte Form von Empathie, die beim Betrachten seiner Bilder ausgelöst wird. Als Maler von Menschen und Menschlichkeit sind Toleranz, Mitgefühl und das Zugehen aufeinander Teile seiner humanistischen Grundauffassung, die Ausgrenzung, Ungerechtigkeit und Gewalt vehement ablehnt. Der Kunsthandel Widder präsentiert derzeit Werke aus dem Nachlass von Carry Hauser in der Galerie in der Johannesgasse 9-13 in 1010 Wien. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen: Carry Hauser— Werke aus dem Nachlass. Hrsg. Mag. Roland Widder, Wien 2018. Mit Texten von Roland Widder, Cornelia Cabuk und Karoline Eberhardt. Von New York bis Tel Aviv, im jiddischen Forverts und auf den Seiten der deutschen FAZ gedachte man des Schriftstellers Aharon Appelfeld, der am 4. Janner 2018 in Petach Tikwa verstarb. Mit dem Tod Aharon Appelfelds verliert die Welt eine Stimme, die sich vehement gegen Kategorisierungen stellte: Als Schriftsteller wehrte er sich gegen die „ärgerliche Bezeichnung“ Holocaust writer, auch wenn all seine Texte von seinen Erfahrungen in den Jahren 1941 bis 1945 gezeichnet sind. In seinem Buch Geschichte eines Lebens, das in der Literaturkritik auch immer wieder als Autobiographie bezeichnet wird, heißt es dazu: „Die Themen sind eine Begleiterscheinung des Schreibens, nicht die Hauptsache.“ Schon früh hatte sich der Autor mit dem Ende der lebendigen Zeugenschaft beschäftigt und betont in seiner Geschichte eines Lebens und in seinem Essay Kindheit im Holocaust (Le monde diplomatique, 11.2.2005, http://monde-diplomatique.de/ artikel/!644363), dass mit jenen, die „damals Kinder waren, die Holocaust-Literatur begonnen hat.“ Die Stimmen dieser Kinder hatten lange nicht als Zeugnisse gegolten, da sie mit ihren Erinnerungen und ihrer „Art, das Erlebte auszudrücken“ die Erzählungen der erwachsenen Überlebenden durchkreuzten und irritierten, so der Autor. Auf die Frage, wie er nach all dem Erlebten zu schreiben beginnen konnte, antwortete der Autor bei einer Lesung in Berlin im Jahr 2007: „U’ve made a list, the paper became my family, the paper became my Heimat.“ In seinen Romanen und Erzählungen beschreibt er Freundschaften und Verbindungen zwischen Menschen, die finsterste Zeiten überdauern, die die von außen auferlegte Grenzen durchbrechen und sich über gemeinsame kulturelle Bezugspunkte definieren. In seinen Texten geht es immer wieder auch um die Macht von Büchern und das Verbindende von gemeinsamen Sprach- und Lesewelten. Das Anknüpfen an die Schreib- und Lesewelten der zentraleuropäischen Jüdinnen und Juden vor der Shoah macht aus Aharon Appelfeld einen „displaced author of displaced fiction“, betont der amerikanische Schriftsteller Philipp Roth in einem Interview mit dem Autor. Wie Aharon Appelfelds Lebensgeschichte ist auch die Rezeptions- und Übersetzungsgeschichte seiner Texte von Brüchen gekennzeichnet. Das Hebräische scheine durch seine 34 ZWISCHENWELT ins Deutsche übersetzten Texte durch, heißt es in der deutschsprachigen Literaturkritik. Die Sprache Appelfelds knüpfe an alte Texte und nicht an das Hebräische des neuen Staates Israel an, wurde in der frühen Rezeption in Israel betont. Vor allem in den letzten Jahren hatte man sich immer mehr für den „jiddischen Schreiber“ Aharon Appelfeld interessiert. So wurde er auch als „jiddischer Autor in hebräischer Sprache“ (forverts, 20.6.2016) bezeichnet. Aharon Appelfelds Texte sind heute in unzählige Sprachen übersetzt, besonders weit rezipiert werden seine Bücher in den USA und in Frankreich, aber auch Übersetzungen ins Deutsche sind nach dem Erscheinen seiner Geschichte eines Lebens sukzessive im Rowohlt-Verlag erschienen. (17 Romane und Erzählungen sind bisher ins Deutsche übersetzt). „Ich möchte alle Orte wiedersehen, an denen wir zusammen gewesen sind“, heißt esam Ende des Romans Der Mann, der nicht aufhörte zu schlafen und kann als literarisches Programm Aharon Appelfelds gelesen werden. Der Leser begegnet Tzili, Katerina, Paul, Edmund, Bruno, Jakob, Hugo, Blanka und Erwin. Manchmal schließt man ein Buch, um im nächsten Buch den gleichen Menschen wieder zu begegnen. Man trifft Appelfelds Protagonisten in den märchenhaft klingenden Dörfern der Bukowina, auf den Gassen von Czernowitz, in den Flüchtlingslagern in Italien genauso wie in Kaffechäusern und am Strand von Tel Aviv. Noch einmal möchte ich Aharon Appelfeld selbst zu Wort kommen lassen, seine Stimme werden wir vermissen, seine Geschichten können wir jedoch immer wieder neu entdecken: „Als die Menschen, die den Krieg als Erwachsene erlebt haben, ihre Geschichte erzählten, legten sie großen Wert auf die äußeren Fakten: Daten, Orte, Namen. Ihre Empfindungen und Gefühle fassten sie in allgemeine, cher unpersönliche Begriffe. Für diejenigen, die als Kinder überlebt hatten, war der Krieg ihr ganzes — bisheriges — Leben, Sie konnten über den Holocaust nicht in historischen, theologischen oder moralischen Begriffen reden; sie konnten nur von Angst und Hunger berichten, von Farben, von Kellern und von Menschen, die sie gut oder schlecht behandelt hatten. Die Kraft ihrer Zeugnisse liegt gerade in diesem begrenzten Horizont.“ (Le monde diplomatique, 11.2.2005)