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Begegnung zwischen den immer noch übermächtigen Gegebenheiten und dem, was der Mensch selbst ist, mit seiner Schlauheit, seiner Vitalität, seinem ethischen Willen. Daraus kann, wenn die Zeiten günstig sind, einiges werden. (Schwarz, Wanderjahre 234) Auf sich selbst bezogen, ist das eine cher bescheidene Haltung, die das eigene Licht unter den Scheffel stellt, denn schließlich bejaht Schwarz die Emigration als Weg zu seiner Selbstbehauptung: Anders als andere Emigranten, die der Heimat nachtrauern, heifse ich daher die Emigration gut und bekenne mich zu ihr, nicht weil sie mir just passierte und man für gewöhnlich sein Leben billigt, sondern beinahe als einen Prozeß, dem ich meine Befreiung und, so sonderbar das anmuten mag, die Gewinnung meines Gleichgewichts zu verdanken glaube. (Schwarz, Wanderjahre 233). Diesbezüglich meint Helga Schreckenberger, „dass dem von Egon Schwarz so bezweifelten freien Willen des Menschen vielleicht doch mehr Bedeutung zukommt, als der Autor vermeint“ (Schreckenberger 208). Walter ist in diesem Zusammenhang emphatischer: „Ist verjagt worden, damit er verrecken sollte, und hat trotz des mörderischen Anschlags auf sein Leben erreicht, was er vordem angestrebt und ersehnt hatte. Welch triumphaler Sieg über seine Todfeinde!“ (Walter 372). Die Durchsetzung des eigenen Willens, so schr sie auch vom Glück abhängig gewesen sein mag, ist auf alle Fälle ein wesentliches Moment in der Identitätsfindung für Schwarz, die er in seiner Autobiographie aufarbeitet. Ein Element der Aufarbeitung ist auch deren literarische Form, was Linda Maeding hervorhebt, wenn sie von „einem erzählerischen Akt individueller Selbstbehauptung“ schreibt (Maeding 500). Dabei griff Schwarz in seinen literaturwissenschaftlichen Werkzeugkasten, um dem Stoff seiner Lebensgeschichte Herr zu werden. So kommt der Bildungsroman zum Einsatz mit der Entwicklung des Protagonisten im Wechselspiel zwischen inneren und äußeren Einflüssen. In Schwarz‘ eigenen Worten geht es ihm darum, „die geschichtlichen Tendenzen“ festzuhalten, „die an den Schicksalen meiner Generation mitgewirkt haben“ (Schwarz, Wanderjahre 10). Resümierend im Sinne des Bildungsromans fügt Maeding hinzu, dass der Autor, „[ilndem er seinen individuellen Werdegang mit der ‚großen‘ Geschichte parallelisiert, [...] ein strukturierendes Ordnungsprinzip in sein Leben ein[führt]“ (Maeding 500). Darüber hinaus setzt Schwarz auch das Pikareske als erzählerische Form ein, um dieser Figur gemäß, wie der Autor selbst schreibt, die erlittenen „Püffe und Schläge [...] nicht tragisch [zu nehmen], sondern cher von der grotesk humoristischen Seite“ (Schwarz, Wanderjahre 115). Die literarischen Formen des Bildungsromans oder des Pikaresken sind, so Maeding weiter, ebenfalls „Mittel der Distanzierung“ (Maeding 497) zur eigenen Person. In diesem Sinne „berichtet“ das Buch, wie Uwe Timm in seinem Nachwort zur Autobiographie schreibt, „ohne Übertreibung, eher unterkühlt, genau“ (Timm, „Nachwort“ 255). Die Distanzierung trägt schließlich dazu bei, den Standpunkt des Rückblicks zu erreichen, der es ermöglicht, den größeren geschichtlichen Rahmen zu berücksichtigen und die übergeordnete Frage des Maßes an Selbstbestimmungspotenzial in Betracht zu ziehen. Ziehen wir nun das Manuskript von „Abenteurer wider Willen“ zum Vergleich heran, um näher zu erläutern, wie weit die Frühversion in dieser größeren Frage von der Schlussversion entfernt ist. Die Frühversion ist von persönlicheren Aspekten gekennzeichnet, von denen viele einer Straffung zum Opfer fallen oder sehr gekürzt in der Schlussversion wiedergegeben werden: z.B. Schwarz‘ Versuch, das Geigenspielen zu erlernen; der emotionale Abschied von der Großmutter in Pressburg, die vom Holocaust eingeholt wird; der Versuch eines Schiffsoffiziers, ihn homosexuell zu verführen; das gescheiterte Bemühen in New York, ins amerikanische Unfreiwillige Wanderjahre Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente Militär aufgenommen zu werden, um so den südamerikanischen Verhältnissen zu entkommen. Mit einem Nachwort von Gleichfalls fehlen Uwe Timm in der Schlussversion viele Personen, denen Schwarz vor beck rei und während des Exils begegnete: so ————— die befreundeten Gablers in Prag, die nach Bolivien nachreisen wollten, um zusammen mit der Schwarz-Familie eine Farm zu pachten oder ein Ubersetzungsbiiro aufzumachen; der italienische Ausflugsfreund in La Paz, mit dem der Autor das Bergsteigen übt; die Kisfaludis in New York, Freunde aus der Pressburger Zeit, bei denen Schwarz bei seinem USA-Aufenthalt Aufnahme findet und deren Familiengeschichte er im Text wiedergibt. Die Tilgung von Personen trifft auch weitgehend auf die Liebesbeziehungen des Autors zu. Des weiteren wurden Anekdoten herausgenommen: z.B. das als „Vorspiel“ betitelte Eröffnungskapitel, das den Schulhofstreit in Wien zwischen einem Christen und Juden schildert, bei dem der Klassenlehrer für Toleranz plädierend eingreift und den Schwarz als paradigmatisch für die soziale Entwicklung im unmittelbaren Vorfeld des „Anschlusses“ sicht; die bürokratische, Unterwerfung verlangende Aushändigung eines Pakets beim Wiedersehen mit Wien als Beispiel dafür, warum das alte Österreich zugrunde gehen musste. Was längere Geschichten betrifft, wird beispielsweise ein ganzes Kapitel mit der Überschrift „Die Schlucht der Toten“, einem gefährlichen Ausflug auf den Pichincha in der Nähe Quitos gewidmet, nicht übernommen. Die Geschichte von den Verhaftungen des Autors unter diversen Umständen wird ebenfalls stark gekürzt. Es könnten noch viele weitere Beispiele für Textpassagen angeführt werden, die in der Schlussversion verschwinden oder stark zusammengestrichen werden. Klar wird hier auf alle Fälle das Straffungsprinzip der Schlussversion: Das Erzählte, das scheinbar nicht der Erkundung der Willensfreiheit in einem größeren geschichtlichen Rahmen und anhand der angestrebten literarischen Form des Bildungsromans dient, wird oft nicht in die Schlussversion aufgenommen. Um das mit einem Beispiel vorzuführen, in dem Schwarz das Straffungsprinzip konkret anspricht, finden wir in der Frühversion eingehende Beschreibungen zu den Eindrücken von New York beim ersten USA-Aufenthalt. Daraus wird in der Schlussversion: Daß ich, der ich mich auf dem Chimborazo für weitaus geborgener gehalten hätte als in Manhattan, von dieser Stadt zuerst wie erdrückt und dann in allen Lebensgeistern angeregt war, möge man Juni 2018 63