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nicht mehr zugänglich waren. Zwei Gründe scheinen hierfür ausschlaggebend gewesen zu sein: Zum einem ihr vertrauter Umgang mit dem katholischen Salzburger Klerus und die Affinität ihres neuen Verlags, des Otto Müller-Verlags, zu verbotenen kirchennahen Organisationen, die der NS-Starkritiker Will Vesper im Einklang mit dem Amt Rosenberg als Verbreiter von „Gift gegen den Nationalsozialismus“ attackierte.”! Zum zweiten wurde sie (zeitweilig) auch ein Kollateral-Opfer der großen Politik — nach dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt im August 1939: Im Gegensatz zur Presse, die aus den russischen „Untermenschen“ nun „Waffenbrüder“ zu machen hatte, „wurde dem dauerhaften Buchmedium Stüllschweigen auferlegt. In der Geheimen Ministerkonferenz vom 20. Dezember 1939 wurde verordnet, es solle ‚vorläufig keine Rußlandliteratur veröffentlicht werden, lediglich dann, wenn eine politische Notwendigkeit vorliegt‘. Am 29. Dezember 1939 notierte Goebbels in seinem Tagebuch, er habe aufdder Pressekonferenz ‚unsere Haltung Rußland gegenüber dargelegt. Wir müssen uns da schr in der Reserve halten. Keine Broschüren und Bücher mehr über Rußland, weder positiv noch negativ. ‘,” Ihr Antrag auf Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer (vom September 1938) wurde zunächst im Juli 1942 „mangels der erforderlichen Zuverlässigkeit“ abgelehnt: „Der Ablehnungsgrund ist in Ihrer weltanschaulichen Haltung zu suchen, u.a. wird Ihnen eine judenfreundliche Einstellung zum Vorwurf gemacht. “”? Im Tagebuch kommentiert sie: „Ich liebe Deutschland von ganzer Seele und wünsche ihm den Sieg und Wohlergehen, ich selber kämpfte elf Jahre lang gegen den Kommunismus und folglich auch gegen das Judentum.“ ”* Als schlimmste Schikanen in dieser Periode führt Rachmanowa in ihrer Selbstdarstellung gegenüber Rascher 1945 ein „Verhör bei der Gestapo und Nichtbeachtung bei kulturellen Veranstaltungen“ an. Das „Gestapo-Verhör“ war eine Vorladung am 16.10. 1942 in das Gaupersonalamt, wo sie rassistische Vorhaltungen zu hören bekam. Der Beamte erklärte ihr, „ich sei eine ‚Mongolin‘, ‚artfremd‘ und deshalb könne ich in Deutschland nicht schreiben. Das ganze Leben war und bin ich Russin — und jetzt nimmt man mir auch das weg.“ Besonders demütigend empfindet sie die Nicht-Einladung zu den Kulturtagen der Hitler-Jugend in Salzburg: „... kein einziges Mal und nirgends war ich Ehrengast. Offensichtlich habe ich es nicht verdient, obwohl ich mein Leben ... im Kampf gegen den Bolschewismus aufs Spiel setzte“, trägt sie am 17. Mai 1942 im Tagebuch ein. Und im Gedenkbuch-Roman von 1947 „Einer von Vielen“ über die Kriegsjahre in Salzburg beklagt sie: „Aus ganz Deutschland sind Dichter, Schriftsteller, Maler, Bildhauer und Musiker zusammengekommen, von den Bewohnern der Stadt selbst wurde alles, was in irgendeiner Beziehung zur Kunst, Literatur und Musik steht, wie die Zeitung sagt, eingeladen, nur wir nicht.“”* Riggenbach merkt zu Recht an, dass sich Rachmanowa nicht zuletzt deshalb als Opfer sieht, „weil sie nicht dazu gehört, weil ihr im Nationalsozialismus eine aktive Rolle verwehrt wird.“ Die Beschwerden der Rachmanowa haben schließlich Erfolg. In einem Schreiben namens des Präsidenten der RSK vom 3.12.1942 wird ihr die Aufnahme mitgeteilt. Im Tagebuch notiert sie: „Einer der glücklichsten Tage meines Lebens.“ Im Berlin Document Centre ist der abschließende Aktenvermerk: „RKK-KP-4010-04/42-64“ vom 21.11.42 nachzulesen: 10 ZWISCHENWELT „Die Aufnahme der unter dem Decknamen Alja Rachmanowa im In- und Ausland bekannten Schriftstellerin Galina von Hoyer in die Gruppe der Schriftsteller der RSK. ist mit unserer Entscheidung vom 3.6.42 auf Grund der Gutachten der NSDAB Gauleitung Salzburg, vom 20.12.38 und des Chefs der Sicherheitspolizei und der SD vom Januar 1942 abgelehnt worden. Ihr wurde hauptsächlich engste Verbindung mit dem kath. Klerus vorgeworfen. Für Frau von Hoyer haben sich das Reichspropagandaamt Salzburg und die Gauleiter und Reichsstatthalter in Salzburg und Kärnten eingesetzt. Sie selbst hat am 5.7.42 und am 28.7.42 Beschwerde eingelegt. Im Einvernehmen mit der Parteikanzlei werden die Bedenken gegen die Aufnahme der Frau von Hoyer nunmehr zurückgestellt.“ Der Kampf der Rachmanowa um Anerkennung war schr beharrlich. 1938 hatte sie Widmungs-Exemplare ihres „Jurka“ Emmy Göring, Jugendführer Baldur von Schirach, Hitler selbst und anderen Parteistellen zukommen lassen.?’ Von 1939 an suchte sie die Verbindung mit führenden NS-Schriftstellern wie H.H. Ewers, Hans Grimm, Erwin Guido Kolbenheyer: Ihre Bemühungen machen jedenfalls „deutlich, dass sich Alja Rachmanowa in dieser Zeit an nationalsozialistischen Autoren orientierte.“ ?' Und die „innere Emigrantin“ hat familiären Zugang zu den Mächtigsten; am 7. Dezember 1940 kann Rachmanowa in ihrem Kalender notieren: „Wir waren um vier Uhr beim Gauleiter (Rainer) zu einer Jause eingeladen. Fünf prächtige, sehr gut erzogene Kinder ... Der Gauleiter ... ist ein schr intelligenter, lebendiger Mensch mit einem starken Willen.“ ?? Wichtiger war wohl ein anderer Kontakt, der zu dem für die Auslandspropaganda zuständigen Minister von Ribbentrop. Am 2. Mai 1942 kann sie in ihr Tagebuch schreiben: „Heute kam ganz unerwartet Fraulein [Bettina] von Ribbentrop zu mir ... Sie kam hierher nach Salzburg mit ihrer Mutter, um ihren Vater zu sehen, der beim Treffen des Fiihrers mit Mussolini anwesend war.“* Vor allem hat sie aktive Propaganda-Beitrage geliefert: Rachmanowa hat für die „Informationsstelle I“ des Auswärtigen Amtes zwei (vermutlich wohldotierte) „Berichte“ geschrieben, die als Broschüre gedruckt und auch in Übersetzungen in den besetzten Ländern verbreitet wurden: Der Zerfall der Familie im Sowjetstaat und Das tägliche Leben des russischen Menschen. Paradies oder Hölle.“ Während nach der Aufnahme Rachmanowas in die RSK die Verlage Pustet und Müller sich vergeblich um eine Papierzuteilung bemühten, wurden deren propagandatauglichen Romane „Studenten, Liebe, Tscheka und Tod“, „Ehen im roten Sturm“ und Auszüge aus „Die Fabrik des neuen Menschen“ als russischsprachige Raub-Übersetzungen ohne Rückfrage bei der Autorin ab (mindestens) 1943 in den Reichskommissariaten Ukraine und „Ostland“ in großer Zahl in Umlauf gebracht. „Hilf, Herr, Hitler in seinem Kampf!“ „Hilf, Herr, Hitler in seinem Kampf!“ — Dutzende solcher Gebete und Anrufungen Gottes für Führer und Endsieg (wie hier am 10.8.1944) finden sich in den Tagebüchern dieser Jahre. Etwa Silvester 1943: „Hilf Deutschland. Hier gibt es viele mutige, im Geist starke Menschen. Sie sollen leben. Sie sind das Beste, was die Menschheit besitzt. Hilf ihnen.“ Oder am 11.6.1944: „Herr, gib mir Kraft zu arbeiten und meinen bescheidenen Beitrag an die Heldentat Deutschlands zu leisten, das ganz Europa