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Walter Thaler Alexander Moritz Frey (1881 — 1957) war weder Jude noch Kommunist. Er war ein pazifistischer Schrifisteller und diente im Ersten Weltkrieg in derselben Kompanie wie der Meldegänger Adolf Hitler. Er wurde von Hitlers Schergen verfolgt, weil er einen Anti-Kriegsroman verfasst hatte und sich weigerte, für das Hetzblatt „Völkischer Beobachter“ zu schreiben. Immer wieder hatte Hitler Kontakt zu ihm gesucht, weil Frey von Kunst etwas verstand und bereits vor dem Krieg ein geachteter Schriftsteller war. Fünf Jahre lang lebte Frey in der Stadt Salzburg, musste dann ins Exil in die Schweiz flüchten und starb dort völlig verarmt. Frey wuchs in München und in Mannheim auf, studierte Jus in Heidelberg und Freiburg im Breisgau, ohne jedoch sein Studium abzuschließen, weil er Schriftsteller werden wollte. Ab 1907 lebte er in München. Als er im Jahr 1909 in einer Münchener Künstlerrunde ein paar Kapitel seines Buches „Solneman der Unsichtbare“ vorgelesen hatte, bat ein junger Zuhörer in der ersten Reihe, doch fortzufahren. Der junge Zuhörer war niemand anderer als Thomas Mann, der ihn sein ganzes Leben unterstützte, seine Bücher lobte und ihn nach 1938 auch in die USA holen wollte. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschien „Solneman der Unsichtbare“ und machte ihn schlagartig bekannt. Den Namen des Romanhelden Hciebel Solneman muss man rückwärts lesen: Namenlos lebe ich. Dieser Solneman, ein Millionär, kauft in einer großen Stadt (München) den Stadtpark (Englischer Garten), lässt rund herum eine riesige Mauer errichten, um seine völlige Ruhe zu haben. Da alle Bewohner der Stadt von ihrer unbändigen Neugierde zerfressen werden, was denn hinter dieser Mauer vorgeht, wird die Masse zum mörderischen Mob: „Wir werden die Pestbeule ausmerzen“, rufen sie. Man vermutet genetische Menschenversuche oder Menschenopfer bei Mondschein. Doch die spießigen Bürger haben keine Chance. Kurt Tucholsky meinte, es sei dies ein Buch, das man „an einem stillen Sonntagnachmittag ganz allein auf dem Sofa durchlesen und durchlachen kann.“ Frey galt fortan als maßgeblicher Vertreter der literarischen Phantastik. Mit seiner Vorliebe für das Groteske, das Satirische und Skurrile steht er in der direkten Nachfolge von E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe. Von 1915 bis zum Ende des Krieges diente Frey als Sanitäter an der Westfront im 16. Bayerischen Reserve-Infanterieregiment und lernte die Schrecken des Stellungskampfes und das tägliche Sterben in den Schützengräben kennen. Dort hatte er zwei Kameraden, die für sein weiteres Leben zur schrecklichen Bedrängnis werden sollten: den Meldegänger Adolf Hitler und den Feldwebel Max Amann. Amann sollte später Reichsleiter der NSDAP-Presse und Herausgeber von Hitlers „Mein Kampf“ und des „Völkischen Beobachters“ werden. Im Jahr 1949 beschrieb Frey im Rückblick Hitlers psychotischen Charakter so: Eines Abends im Herbst 1915 kam ein bleicher, langer Mensch nach der ersten Granate zu uns hinuntergestirat. Angst und Wut in den flackernden Augen. Hitler wirkte damals lang, weil er mager war, ein voller Schnurrbart, der später der neuen Gasmaske wegen gekappt werden musste, verdeckte noch den hässlichen, meist verkrampften Schlitz des Mundes. ... Er hatte etwas von einem kollernden Puter, als er nun gegen die Engländer loslegte ... Ich hatte gleich den Eindruck, den man später so oft bei ihm gehabt hat: dass er militärische Mafnahmen des Gegners persönlich übel nahm — so, als wollten sie gerade ihm an sein kostbares Leben ... Es war tatsächlich so: er redete, schimpfte, trumpfte auf und verzerrie mit einem gewissen abgefeimten Geschick die wahre Sachlage schon damals als kleiner Gefreiter so und mit im Grunde den gleichen Worten, wie er es 25 Jahre später als uferloser Machthaber tat.’ Nach dem Krieg publizierte Frey seinen zweiten Roman „Kastan und die Dirnen“ (1918), der, als Anti-Kriegsroman bereits im Herbst 1914 geschrieben, von der Militärzensur nicht freigegeben worden war. Er heiratete, verlor aber zwei Jahre später seine Frau durch Krankheit und hatte fortan wechselnde Beziehungen. Er verfasste weiterhin Romane und Novellen satirischen und grotesken Inhalts. In München, wo Frey und Amann sich des Öfteren begegneten, wollte Amann wiederholt den Frontkameraden Frey im Auftrag Hitlers zur Mitarbeit am „Völkischen Beobachter“ gewinnen. Frey beschreibt Amann als ... klein und ehrsüchtig, kriecherisch und schlau in der Behandlung der Vorgesetzten, brutal in der der Untergebenen. Immer wieder verlangte er von mir, ich solle freie Stunden mit ihm verbringen. Er wollte von mir lernen, wie man auf literarischem oder journalistischem Gebiet geschickt verfährt. Auf eine primitive Art begierig, aus seiner Unbildung herauszukommen, benahm er sich, als habe er damals schon eine Nase dafür gehabt, es könne ihm später einmal ein hohes Amt im Bereich des Schrifittums winken. Wegen seiner Bekanntschaften aus dem Krieg hätte Frey eine steile Karriere im NS-Staat absolvieren können. Max Amann bearbeitete mich mehrmals, lud mich ein zu den großen Versammlungen im Zirkus Krone aufeinen Ehrenplatz. „Der Hitler November 2018 15