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47 Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne. Unmeisterliche Wanderjahre. Örtlichkeiten. Hg. von Gerhart Scheit. In: Ders., Werke. Hg. von Irene Heidelberger-Leonard. Band 2. Stuttgart 2002. 48 Über das Gedächtnis heißt es - mit Bezug auf Goethe: „Dank dieser schöpferischen Phantasiekraft des Gedächtnisses wird also unwillkürlich jeder Darsteller eigentlich Dichter seines Lebens: dies hat der weiseste Mensch unserer neuen Welt gewußt, Goethe, und der Titel seiner Autobiographie mit dem heroischen Titel,Dichtung und Wahrheit‘ gilt für jede Selbstkonfession. Kann derart keiner,die‘ Wahrheit, die absolute seines eigenen Daseins aussagen, und muß jeder Selbstbekenner zwanghaft bis zu einem gewissen Grade Dichter seines Lebens werden, so wird doch gerade die Anstrengung, wahr zu bleiben, das Höchstmaß ethischer Ehrlichkeit in jedem Bekenner herausfordern.“ (Stefan Zweig; [Vorwort]. In: Ders.: Drei Dichter ihres Lebens, S. 20). 49 Ebd., 23. 50 Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Dämon 1925, 10. 51 Wilhelm von Humboldt: Ueber die Aufgabe des Geschichtsschreibers (Vorlesung vom 12. April 1821). In: Ders.: Schriften zur Anthropologie und Geschichte. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1960 (= Wilhelm von Humboldt: Werke in fünf Bänden. Hg. von Andreas Flitner und Klaus Giel), 586f. und 606 [Stuttgart: J. G. Cottassche Buchhandlung]. 52 Einige Beispiele seien stellvertretend genannt. In dem Sammelband „Stefan Zweig und das Dämonische“ kann man differenzierte Interpretationen etwa zu Zweigs Dostojewski-Porträt (Christine Mondon) oder auch zu Zweigs Balzac-Essay (Michel Reffet) nachlesen: vgl. Matjaz? Birk (Hg.): Stefan Zweig und das Dämonische. Würzburg: Königshausen & Neumann 2008 — Der Sammelband „Zweigs England“ enthält Arbeiten zu Zweigs Byron-Porträt (Daniela Strigl) und seine Darstellung von Charles Dickens (Klemens Renoldner): vgl. Rüdiger Görner/Klemens Renoldner (Hg.). Zweigs England. Würzburg: Königshausen & Neumann 2014. 53 Vgl. „Bildnis in Tübingen“ (Hölderlin-Essay, 39f.), „Bildnis des Bildlosen“ (Kleist-Essay, 139ff.) und „Doppelbildnis“ (Nietzsche-Essay, S. 211f.). Friderike Zweig hat sie offenbar besonders geschätzt: „Diese geschriebenen Bildnisse kommen oft den Porträts großer Maler an eindringlicher Herausarbeitung und Erfassung gleich. Sie verdienten aus dem Zusammenhang gelöst in einer eigenen Veröffentlichung hg. zu werden.“ (Friderike Zweig: Stefan Zweig 1948, S. 116). 54 Die Formeln Zweigs dafür lauten: „furchtbare Verstörung des Geistes“, „tödliche Trunkenheit der Sinne“, „Wahnsinn oder Selbstmord“, „Hörige“ „(im zwiefachen Sinne des Worts) Besessene einer höheren Macht“ (Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Damon, S. 10). 55 Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Damon, 23, 11, 12. 56 Über Hölderlin, Kleist und Nietzsche heißt es etwa: „Sie sind nomadische Naturen, Vaganten in der Welt, Außenseiter, Sonderbare, Mißachtete, und leben eine vollkommen anonyme Existenz. Sie besitzen nichts im Irdischen: weder Kleist, noch Hölderlin, noch Nietzsche haben jemals ein eigenes Bett gehabt, nichts ist ihnen zu eigen, sie sitzen auf gemietetem Sessel und schreiben an gemietetem Tisch und wandern von einem fremden Zimmer in ein anderes. Nirgends sind sie verwurzelt, selbst Eros vermag nicht dauernd zu binden, die sich dem eifersüchtigen Dämon vergaltet haben. Ihre Freundschaften werden brüchig, ihre Stellungen zerstieben, ihr Werk bleibt ohne Ertrag: immer stehen sie im Leeren und schaffen ins Leere. So hat ihre Existenz etwas Meteorisches, etwas von unruhig kreisenden, stürzenden Sternen, indes jener Goethes eine klare, geschlossene Bahn zieht.“ (Zweig: Der Kampf mit dem Dämon, S. 17) 57 Ebda., 21. 58 Ebda., 20. 59 Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Dämon, 13f. Solche Umschreibung der Form bleibt wie vieles bei Zweig auf diesem Gebiete im Ungefähren und wird auch durch Reflexionen über die dichterische Form, wie sie Zweig etwa am Beispiel von Thomas Mann anstellt, nicht klarer: vgl. Stefan Zweig: Begegnungen mit Büchern 1983, 126. 60 Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Dämon, 13. 61 Werner Michler: Zweig und Goethe. Unpubliziertes Typoskript 2017. 62 Stefan Zweig: Der Kampf mit dem Dämon, 14. 63 Die Publikations- und bibliographische Lage war Anfang/Mitte der 1920er Jahre in allen drei Fällen schon ziemlich gut. Zweig kannte den Forschungsstand verhältnismäßig gut. Er kannte wahrscheinlich viele Studien zu Hölderlin (z. B. Karl Viétor, Norbert von Hellingrath, Ernst Cassirer, Erich Trummler, Karl Jasper, Friedrich Gundolf) Einige von diesen haben 40 —_ ZWISCHENWELT den Akzent auf dem Pathologischen, Orphischen und „Dämonischen“. Orientierung dürfte Zweig auch aus Litzmanns Friedrich Hölderlins Leben. In Briefen von und an Hölderlin (1890) gewonnen haben. Mit Georg MindePouet, dem Mitherausgeber der Werke Kleists, war Zweig im Briefkontakt, auch mit dem Kleist-Forscher Heinrich Meyer-Benfey. Was Nietzsche betrifft, konnte er nicht nur auf die 20-bändige Gesamtausgabe (seit 1905) zurückgreifen. Schon im Dezember 1916 „lebte“ Zweig ganze „Tage“ im Briefwechsel „Wagner und Nietzsche zur Zeit ihrer Freundschaft“, hg. von Elisabeth Förster-Nietzsche, und kannte wohl auch ihre dreibändige Biografie (zwischen 1904 und 1924) sowie die Nietzsche-Studien von Heinrich Römer (1921), aber insbesondere jene von Ernst Bertram (1918/4. Aufl. 1921) und Charles Andler (zwischen 1920 und 1931 nicht weniger als sechs Bände). 64 Zweig: Der Kampf mit dem Dämon, 37. Inwiefern Zweig dennoch einen eigenständigen Beitrag zur Hölderlin-Forschung leistet, deutete erst kürzlich Elmar Locher in seinem noch unpublizierten Zweig-Handbuchartikel (voraussichtlich 2018) an: „Zweig teilt nicht die ideologische Vereinnahmung, die durch den George-Kteis stattfindet, in dem die vaterländische Wende Hölderlins betont und der Dichter zum Seher wird. Bei dieser Wende werde das Hölderlin’sche Verständnis verkannt, wie die Kritik Peter Szondis an Wilhelm Michels Werk Hölderlins abendländische Wendung (Jena 1923) verdeutlicht. Ebenso wenig ist Zweig mit der Interpretation von Hölderlin als Führer, etwa in der späteren Arbeit Max Kommerells ‚Der Dichter als Führer in der deutschen Klassik‘ (1928), einverstanden.“ 65 Ebd., 226, 229, 233,56,54 (Hier zitiert Zweig aus einer Ode Hölderlins mit dem Titel „Die Heimat“). Der „Dämon“ zeige sich nach Zweig in ähnlicher Maskierung etwa auch bei Percy Bysshe Shelley (1792 — 1822), „dem ihm [Hölderlin] verwandtesten lyrischen Geist“ (Hölderlin, S. 61), Nikolaus Lenau (Hölderlin, S. 120; Kleist, S. 137), William Blake (Hölderlin, S. 122), Grabbe, Günther, Verlaine, Marlowe (Hölderlin, S. 126; zu Verlaine auch Kleist, S. 154), Arthur Rimbaud (Kleist, S. 137), Beethoven (Kleist, S. 137), Novalis, Eichendorff, Tieck (Kleist, S. 180), Stendhal (Nietzsche, S. 236), Dostojewski (Nietzsche, S. 237). Zweig liefert geradezu eine Kulturgeschichte genialer Dämonologen. 66 Stefan Zweig an Romain Rolland, 7.4.1923. In: Briefe III, 434. 67 Vgl. Stefan Zweigs Ballade von einem Iraum (Nach: Prater: Stefan Zweig 1981, S. 474f). 68 Ebd. 69 Stefan Zweig: Magellan. Der Mann und seine Tat 1983 (1938), 6 und 9. 70 Stefan Zweig: Begegnungen mit Büchern 1983, 125. 71 Karl Wagner: Von den Erfindungen der biographischen Wahrheit: Feud/ Zweig/Dostojewski. In: Sellmer, Izabela (Hg.): Die biographische Illusion im 20. Jahrhundert: (Auto-)Biographien unter Legitimierungszwang. Frankfurt a.M., Wien u.a.: Lang, 209-226, hier 210. 72 Hannah Arendt: Juden in der Welt von gestern. In. Dies.: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt/M.: suhrkamp taschenbuch 1976, 76. 73 Siegfried Kracauer: Die Biographie als neubürgerliche Kunstform (1930). In: Ders.: Aufästze 1927-1931. 1. Aufl., Frankfurt/M.: Suhrkamp 1990, 195-199 (= Siegfried Kracauer: Schriften. Hg. von Inka Mülder-Bach. Band 5.2.), 195. 74 Leo Löwenthal: Die biographische Mode. In: Sociologica. Aufsätze. Max Horkheimer zum 60. Geburtstag gewidmet. Frankfurt a.M., Stuttgart 1955 (= Frankfurter Beiträge zur Soziologie, Band 1), 363-386. Auch in: Bernhard Fetz/Wilhelm Hemecker, 199-222. (entstanden 1938). Später auch: Leo Löwenthal: German Popular Biographies: Culture’s Bargain Counter“. In: The Critical Spirit. Essays in Honour of Herbert Marcuse. Hg. v. Kurt H. Wolff u. Barrington Moore, Hg. unter Mitarbeit v. Heinz Lubasz, Maurice R. Stein u. E.V. Walter. Boston 1967, 267-283.