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Manfred Wieninger „223 oder Das Faustpfand“ Revisited Gedenkblatt für Franz Güttler Der ehemalige langjährige Verwaltungsdirektor des Krankenhauses Melk, Franz Güttler, hat Anfang Mai 1945 in einer dramatischen Rettungsaktion sechs ungarisch-jüdische Überlebende des Massakers von Hofamt Priel im Krankenhaus Melk in der damaligen Infektions- beziehungsweise Typhus-Baracke aufgenommen, vor dem Zugriff der NS-Behörden und der Waffen-SS versteckt, bis zur Einnahme der Stadt Melk durch Sowjettruppen versorgt und so zweifellos ihr Leben gerettet. In meinem 2012 erschienenen historischen Tatsachenroman „223 oder Das Faustpfand“ habe ich ihn auf der Basis eines vermutlich 1963/1964 angefertigten und im Archiv der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde aufbewahrten Berichtes seiner Tochter Ingeborg sowie eines bereits 1945 in Budapest publizierten Berichtes des Überlebenden Dr. Hendrik Weisz zur Romanfigur gemacht. Nun konnte ich durch Dir. Giittlers Urenkelin Dr. Nikola Gauß, die erst kürzlich auf mein Buch aufmerksam geworden ist, mehr über ihn, seine Lebensumstände und seine Persönlichkeit erfahren. Der 1892 in Prag geborene Güttler stammte mütterlicherseits aus böhmischem Adel, väterlicherseits aus einer Weinviertler Winzerfamilie. Nach der Matura schlug er die Militärlaufbahn ein und trat in die k.u.k. Pionierkadettenschule in Hainburg an der Donau ein. Danach war Melk der erste Garnisonsort des jungen Pioniers. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Frontofhizier, zuletzt am Isonzo. Der Zusammenbruch Österreich-Ungarns traf ihn schwer. Zeit seines Lebens ist er wohl in gewisser Weise Monarchist geblieben. Nach dem Ende des Krieges wurde ihm die Verwaltung des Krankenhauses Melk übertragen. Melk war sein letzter Garnisonsort vor dem Kriegsdienst gewesen. Seine Frau Maria, Tochter des Melker Tierarztes Dr. Hainbäck, war eine ausgebildete Opernsängerin und Sopranistin, die nach der Eheschließung ihre Gesangskunst dem damaligen Zeitgeist entsprechend nie als Beruf ausüben durfte, worunter sie später wohl gelitten hat. Die Ehe, aus der eine Tochter namens Ingeborg (Inge) hervorgegangen ist, wurde nach Jahren geschieden. Franz Güttler war kulturell breit interessiert und führte in Melk ab den Zwanziger Jahren gemeinsam mit seiner Frau einen (Kultur-)Salon, in dem praktisch alle Künstler, vor allem Maler, Literaten und Schauspieler der Region verkehrten. Auch der politische Überlebenskünstler Oberregierungsrat Dr. Leopold Convall, in der Dollfuß-Ära ab Jänner 1938 und nach 1945, in der \\ Zweiten Republik, jeweils Bezirkshauptmann von Melk und erst 1948 in Pension geschickt, sowie dazwischen in der NSZeit Landrat des Landkreises Melk, der bei Güttlers Rettungsaktion für die Überlebenden von Hofamt Priel eine gewisse Rolle gespielt hat, dürfte diesem Kreis, zumindest lose angehört haben. In diesem illustren Milieu lebte Franz Güttler auch seinen als geradezu anarchistisch geschilderten Humor aus. Er war selbst als Laien-Theaterregisseur engagiert und ist als Begründer beziehungsweise Vorreiter der heutigen Sommerspiele Melk anzusehen. Unter seiner Leitung wurden der „Jedermann“, aber auch „Der Bettelmann“ jeweils als Freilicht-Aufführung vor der Kulisse des Stiftes Melk gegeben. Nach seiner Pensionierung als Verwaltungsdirektor des Krankenhauses Melk Mitte der Fünfziger Jahre fand er die Zeit, gemeinsam mit einem Co-Autor die regionalgeschichtliche Festschrift „50 Jahre Garnison Melk 1913 bis 1963“ zu verfassen. Franz Güttlers Tochter Ingeborg, verehelichte Gauß (beziehungsweise in zweiter Ehe Kanizsai-Nagy), studierte Journalistik in Wien, schloss ihr Studium aber nicht ab. Zum Zeitpunkt der Rettungstaten ihres Vaters, an denen sie selbst großen Anteil hatte, lebte sie wieder in Melk, gemeinsam mit ihrem damals vierjährigen Sohn Peter. Nach Kriegsende fungierte sie in Melk als Übersetzerin für die US-Army. Die Amerikaner hatten im Hinterland der Stadt auf einem Hügel Richtung Mank einen Radiosender installiert. Danach legte sie eine Dolmetsch-Prüfung ab und trat in den Dienst der amerikanischen Botschaft in Wien, wo sie zunächst an der Umsetzung des Marshall-Planes mitwirkte und es später bis zur stellvertretenden Leiterin der Abteilung American Fund for Czechoslovakian Refugees (AFCR) brachte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges fand ihre lebenserfüllende Tätigkeit ein natürliches Ende; sie war bis ins Alter von 68 Jahren berufstätig geblieben. Am 8. Mai 1945 begrüßten Franz Güttler, dessen Tochter Ingeborg, Personal und Patienten des Krankenhauses Melk sowie Februar 2019 15