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d.h. als nichtig erklärt, und damit die ehemalige Bergbäuerin vollständig rehabilitiert, 75 Jahre nach ihrer Verurteilung und 58 Jahre nach ihrem Tod. In der Begründung dazu heißt es auszugsweise: „Letztlich lag der primäre Grund für Verfolgung und Verurteilung von Maria ETZER darin begründet, dass sie auch während der NS-Diktatur ihren christlichen Wertvorstellungen treu blieb und sich auch gegenüber den als Zwangsarbeitern eingesetzten Kriegsgefangenen menschlich verhielt. Ein solcher Dissens mit der NS-Ideologie war den Machthabern ein Dorn im Auge und wurde schon als Form des Widerstands angesehen. Die historischen Recherchen für das Buch ‚Das Selbstverständliche tun‘ von Maria PRIELER-WOLDAN, das diesem Antrag beigeschlossen ist, sind diesbezüglich sehr aufschlussreich. Gemäß $3 Abs 1 des Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetzes 2009 war daher aufgrund des Antrags ihrer Enkelin die vollständige Rehabilitierung von Maria ETZER festzustellen.“ Was von den NS-Machthabern „als Form des Widerstands“ angesehen wurde, wird schließlich im „Gedenkjahr“ 2018 auch von Seiten der Republik Österreich endlich als solcher anerkannt und gewürdigt, vorerst einmal für den konkreten Einzelfall. Maria Etzers Rehabilitierung fand breites Interesse in der Öffentlichkeit: Die Presseaussendung der Kathpress vom 1.10.2018, deren Inhalt am gleichen Tag auch von der APA übernommen wurde, titelte: „Christlicher NS-Widerstand: Denunzierte Bäuerin rehabilitiert“. Darin wird auch Enkelin Brigitte Menne zitiert - und dem schließe ich mich als Autorin dieses Beitrags an. Sie hoffe aufähnliche Verfahren, um „endlich die kleinen, ‚ganz selbstverständlich‘ Widerständigen aus dem Schatten zu holen.“* Anmerkungen 1 Haftbestätigung Strafanstalt Aichach, 27.3.1953; Quelle: Opferfürsorgeakt Maria Eitzer, Salzburger Landesarchiv (SLA). 2 Maria Prieler-Woldan: Das Selbstverständliche tun. Die Salzburger Bäuerin Maria Etzer und ihr verbotener Einsatz für Fremde im Nationalsozialismus. Wien, Innsbruck, Bozen 2018. 3 Insa Eschebach: „Verkehr mit Fremdvölkischen“. Die Haftgruppe der wegen „verbotenen Umgangs“ im KZ Ravensbrück inhaftierten Frauen. Manuskript (10 Seiten), zugleich veröffentlicht in: Dies. (Hg.in): Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Neue Beiträge zur Geschichte und Nachgeschichte (= Forschungsbeiträge und Materialien der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Band 12), Berlin 2014, S. 154-171; hier S. 1. 4 Ebd.,S. 9. 5 Mag. Brigitte Menne hat in meinem Buch das Nachwort verfasst. 6 Alois Nußbaumer: „Fremdarbeiter“ im Pinzgau. Zwangsarbeit — Lebensgeschichten. Salzburg, Wien 2011. 7 Nach 1945 neu gegründet als Katholische Frauenbewegung (kfb). 8 Martina Gugglberger: Weibliche Namen des Widerstands im „Reichsgau Oberdonau“. In: Christine Kanzler, Ilse Korotin, Karin Nusko (Hg. innen): „... den Vormarsch dieses Regimes einen Millimeter aufgehalten zu haben ...“ Österreichische Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Wien 2015, S. 148-169, hier S. 153. 9 SLA: Opferfiirsorgeakt Maria Etzer, Berufung gegen ablehnenden Bescheid vom 22.8.1949. 10 SLA: Bericht der Gendarmerie Goldegg im Pongau an den Landrat Pongau vom 19.2.1943 - zit. nach Prieler-Woldan 2018, S. 94. 11 SLA: Opferfürsorgeakt Maria Etzer, Ansuchen um Wiederaufnahme des Verfahrens vom 19.12.1952. 12 SLA: Sondergerichtsurteil KLs 20/43 vom 24.3.1943. 26 _ ZWISCHENWELT 13 Staatsarchiv München: Personalakt der Zuchthausgefangenen Maria Etzer Z 189/43. 14 Opferfiirsorge (OF)-Akt Maria Etzer, zit. nach Prieler-Woldan 2018, S. 183. 15 Brigitte Bailer: Medizin und Opferfürsorge. Zur Frage der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden. In: DÖW (Hg): Forschungen zu Vertreibung und Holocaust. Jahrbuch 2018, S. 253-266. 16 Vgl. Christina Nöbauer: „Opfer der Zeit“. Über das Schicksal ehemaliger Bewohnerinnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus. Innsbruck, Wien, Bozen 2016, S. 13. 17 SLA: OF-Akt Veronika P, in: Prieler-Woldan 2018, S. 194ff. 18 SLA: OF-Akt Anna H., in: ebd., S. 198; Hervorhebung: M.PW. 19 Ebd. 20 Zit. nach Berger, Karin/Dimmel, Nikolaus/Forster, David/Spring, Claudia/ Berger, Heinrich: Vollzugspraxis des „Opferfürsorgegesetzes“. Analyse der praktischen Vollziehung des einschlägigen Sozialrechts, Wien 2004, S. 241. 21 Gespräche mit Enkeln und Enkelinnen von Maria Etzer im Zuge der Recherchen für „Das Selbstverständliche tun“. 22 Vgl. Buchtitel Christian Gross: Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer. Berlin 2001. 23 Bailer 2018, S. 265. 24 Fiir diesen Begriff und die ersten drei der im Text genannten Punkte: Berger u.a. 2004, S. 243 ff. 25 Brigitte Galanda: Die Maßnahmen der Republik Österreich für die Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus - Wiedergutmachung, in: Sebastian Meissl, Klaus-Dieter Mulley, Oliver Rathkolb (Hg): Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich 1945-1955. Wien 1986, S. 145. 26 Vgl. vor allem die Publikationen von Brigitte Bailer(-Galanda); weiters Berger u.a 2004; sowie Andrea Strutz: Wieder gut gemacht? Opferfürsorge in Österreich am Beispiel der Steiermark. Wien 2006. 27 DÖW: Widerstand und Verfolgung in Wien, Band 1, zit. nach Galanda 1986, 139; Auslassungen im Original. 28 Zit. nach Gert Kerschbaumer: „Gruft der Vergessenen“ — ehr- und namenlose Opfer. Unveröffentlichtes Manuskript vom 26. November 2015, S. 6, Auslassung im Text. 29 SLA: OF-Akt Maria Etzer: ablehnender Bescheid vom 30.8.1949, ihr zugestellt am 10.9.1949. 30 Ebd., Berufung vom 26.9.1949. 31 Ebd. 32 Allerdings gab es auch vor 1938 Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus etc. Der Nationalsozialismus schürte die niedersten Instinkte und instrumentalisierte die Feindbilder in besonderer Weise bis hin zur Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen. 33 Vgl. Cornelia Klinger: Krise war immer ... Lebenssorge und geschlechtliche Arbeitsteilungen in sozialphilosophischer und kapitalismuskritischer Perspektive. In: Erna Appelt, Brigitte Aulenbacher, Angelika Wetterer (Hg. innen): Gesellschaft. Feministische Krisendiagnosen, Münster 2013, 82-104 34 Prieler-Woldan 2018, 214. 35 Prieler-Woldan 2018, 215. 36 Hannah Arendt: Vita activa oder Vom tätigen Leben. München 1981. (Chicago 1958). 37 Cornelia Klinger, a.a.O. 38 SLA: Opferfiirsorgeakt Veronika P. 39 Vel. dazu www.goldeggerdeserteure.at bzw. auch Hanna Sukare: Schwedenreiter. Salzburg, Wien 2018. 40 Gerhard Baumgartner: Unbeugsame Hunderttausend. Osterreicherinnen und Osterreicher im Widerstand gegen den Nationalsozialismus.In: Heinz Fischer (Hg.) unter Mitarbeit von Andras Huber und Stephan Neuhäuser: 100 Jahre Republik. Meilensteine und Wendepunkte in Österreich 1918-2018. Wien 2018, S. 102-118; hier S. 114f. 41 Siehe Fußnote 29. 42 Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.9.2018 an Mag. Brigitte Menne. Quelle: Privatbesitz. Hervorhebung im Text: M.PW. 43 Kathpress 1.10.2018, 12.04 h — Osterreich/Krieg/Diktatur/Justiz/Rehabilitierung/Etzer.