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„Gestaltungsaufträge“ ausführte, „über deren Auftraggeber man noch wenig weiß“.? Dabei kann es sich nur um Auftragsarbeiten der nationalsozialistischen Führungselite gehandelt haben. Unter dem Namen Poldi Mühlmann illustrierte sie 1936 — also bereits zwei Jahre vor dem deutschen Einmarsch in Österreich — ein propagandistisches Jugendbuch, in dem die Lebensgeschichte Hitlers in idealisierter Weise dargestellt wurde. Das Buch erschien unter dem Titel „Eine wahre Geschichte“ und wurde zu einem Longseller, der bereits 1937 die 18. Auflage erreichte. Der Text zu diesem Buch stammte von einem ebenso strammen Nationalsozialisten, dem völkischen NS-Schriftsteller Karl Springenschmid, der die Hauptverantwortung trägt für die Bücherverbrennung am 30. April 1938 auf dem Salzburger Residenzplatz.‘ Poldi Wojtek, die sich gelegentlich auch Poldi Wojtek-Mühlmann nannte, gestaltete dann im Jahr 1938 einen Gobelin für das Ärztehaus in Linz. Dieser enthielt nicht nur den NS-Reichsadler und das Hakenkreuz-Symbol, sondern auch ein Zitat aus Hitlers Linzer Rede vom 12. März 1938.° Im Jahr 1941, als Kajetan Mühlmann sich mit gnadenlosem Fanatismus und ebensolcher Härte bereits in Polen, der Ukraine und in Holland zum größten Kunsträuber des Nationalsozialismus entwickelt hatte, wurde die Ehe geschieden. Die Scheidung von Mühlmann erfolgte nicht wegen seiner künstlerischen Raubzüge, sondern vor allem deshalb, weil er in der Zwischenzeit mit einer anderen Frau drei Kinder gezeugt hatte. Mühlmann ließ später auch für den Monumentalplastiker Josef’Ihorak, der das Schloss Prielau der Familie Hugo von Hofmannsthals arisiert hatte, gotische Türen und Skulpturen aus Frankreich herbeischaffen. Nach der Scheidung von Mühlmann war es mit größeren Aufträgen für die von den Nationalsozialisten propagierte Graphikerin vorbei und sie übersiedelte nach München. Als sie 1952 nach Salzburg zurückkehrte, musste sie sich mit Keramikarbeiten für die Keramikmanufaktur Schleiß in Gmunden begnügen. Später arbeitete sie als Leiterin von Keramikkursen in Salzburg.* Der Aussage Wilhelm-Bakos, dass die „scheinbare Zeitlosigkeit neben der eindeutigen künstlerischen Aussage zu der großen Bedeutung des Plakats und dem langen Überleben als Sinnbild der Festspiele beitrug“, muss entschieden widersprochen werden. Auch Poldi Wojteks Schwester Antonia (genannt Tonia) gehörte zu den Protegierten des NS-Regimes. Sie hatte am Mozarteum in Salzburg und in Deutschland Tanz studiert und war seit 1933 Mitglied der Reichstheaterkammer. Im Jahr 1938 wurde ihr die Abteilung Tanz an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien übertragen. DIREKTION: | MAX REINHARDT] FRANZ Ch KJ BRYNO WALTER! Diese Abteilung war bis zu diesem Zeitpunkt von der berühmten Tänzerin Grete Wiesenthal geführt worden, die für die Salzburger Festspiele unter Max Reinhardt choreographiert hatte.* SALZBVRGE FESTSPIEL 26. JVLI=- 30. AVGVS Im Jahr der Scheidung Poldi Wojteks gelang es ihrem Vater, Dipl. Ing Josef Wojtek, der als Landesbeamter fiir ,,konfiszierte Reprasentationsgebäude“ zuständig war, die Atelier-Villa der Künsderin Helene von Taussig in Anif zu arisieren. Josef Wojtek war während der NS-Zeit in Salzburg auch kommissarischer Leiter des Schlosses Leopoldskron, dessen Besitzer Max Reinhardt ebenfalls enteignet worden war. Er übertrug die Villa im Jahr 1943 seiner Tochter Poldi durch Schenkung. Die Expressionistin Helene von Taussig war aus einem anderen künstlerischen Holz geschnitzt als die Grafikerin Poldi Wojtek. Sie wurde als Tochter von Sidonie und Theodor Ritter von Taussig am 10. Mai 1879 in Wien geboren und hatte drei Brüder und acht Schwestern. Ihr Vater hatte als junger Bankier nach dem Börsenkrach 1873 die insolvente k.k. Priv. Allgemeine österreichische Bodencreditanstalt, in der das Vermögen des österreichischen Kaiserhauses verwaltet wurde, saniert und in der Folge zum führenden Bankhaus der k.u.k. Monarchie ausgebaut. Als Dank wurde er vom Kaiser Franz Joseph im Alter von nur 30 Jahren in den Adelsstand erhoben. 1908 wurde er Gouverneur der Bodencreditanstalt (der Vorläuferin der Creditanstalt Bankverein). In seiner bedeutenden Funktion als Bankier war er auch Präsident einiger Großbetriebe, so etwa der Staatseisenbahngesellschaft (heute ÖBB) oder der Waffenfabrik in Steyr. Theodor Ritter von Taussig war auch Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und gehörte zu den prominentesten und am besten assimilierten jüdischen Großbürgern der Donaumonarchie. Künstlerische Ambitionen waren im Hause Taussig nicht gern geschen, daher verbot der Vater der jungen Helene das Malen. Erst nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1909 konnte sie sich ihren künstlerischen Neigungen hingeben. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Emma Schlangenhausen lebte sie eine Zeitlang bei dem Schweizer Maler Cuno Amiet in Oschwand im Kanton Bern und fand in ihm einen wichtigen Lehrer und Mentor.’ 1911 bis 1914 studierte sie in Paris und wurde dort stark von den Expressionisten, von Picasso und den Fauves (den ,,Wilden“) Juli 2019 15