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5 2 He = Zea “ = afl Cama R Helene von Taussig: Weiblicher Akt auf blauem Stuhl. Belvedere Wien, Leihgabe Felicitas Eltz (Großnichte). Foto: Johannes Stoll geprägt. Helene von Taussig und ihre Malerkollegin Helene Funke (1869 — 1957), die sich von 1905 bis 1913 in Paris aufhielt, hatten nie an der Akademie der bildenden Kunst studiert, die bis 1920 den Männern vorbehalten war, und wurden mit ihrer Kunst in Wien nicht akzeptiert. In Paris fühlten sich die beiden Künstlerinnen hauptsächlich von der revolutionären Malweise von Henri Matisse, Georges Braque und Maurice de Vlaminck angezogen. In ihren Aktzeichnungen ist Helene von Taussig stark von konstruktivistischen Tendenzen beeinflusst. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste sie in ihre Heimat zurückkehren, mit Bildern, die so gar nicht den Vorstellungen von „weiblicher Kunst“ entsprachen: grelle Farben, grob mit Spachtel hin gestrichene Frauenporträts ohne weibliche Anmut. Der gute Geist von Anif Während des Krieges arbeitete Helene von Taussig als RotkreuzSchwester an der Isonzo-Front und übergab einen wesentlichen Teil ihres Vermögens an humanitäre Organisationen. Im Jahr 1919 übersiedelte sie mit ihren Maler-Freundinnen Emma Schlangenhausen, Maria Cyrenius, Hilde Exner und Magda Grasmayr nach Anif. Im Jahr 1923 konvertierte sie vom jüdischen zum katholischen Glauben. Den Briefen ihrer Malerkollegin Maria Cyrenius ist zu entnehmen, dass ihr Rückzug nach Anif aus den Kriegserfahrungen resultiert. Erst Ende der Zwanzigerjahre ging sie mit ihren künstlerischen Arbeiten an die Öffentlichkeit und stellte in Österreich erstmalig im Jahr 1927 im Schloss Mirabell aus. In Paris und Den Haag war die Künsderin mit ihren Arbeiten jedoch wesentlich erfolgreicher als in Österreich." 16 _ ZWISCHENWELT In Anifließ sie sich 1933 vom Architekten Otto Prossinger ein auffälliges, dem dörflichen Charakter Anifs widersprechendes Atelierhaus bauen. Dort lebte sie und arbeitete an ihren künstlerischen Werken. Während des Sommers nahm sie oft den mittellosen jungen Künstler Max Peiffer-Watenphul im Haus auf. Dieser sollte in der Nachkriegszeit eine der wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten Salzburgs werden. Als Konvertitin blieb Taussig von den Nazis zunächst unbehelligt und war als sozial engagierte reiche Dame im kleinen Vorort der Festspielstadt schr geschätzt. Doch dann wurde sie als Jüdin im Jahr 1940 aus Anif ausgewiesen und fand kurzfristig im Wiener Bezirk Floridsdorf im St. Josefs-Heim der Karmeliterinnen in der Töllergasse 15 Zuflucht. In diesem von den Karmeliterinnen vom Göttlichen Herzen Jesu geführten Altenheim fanden zwischen Oktober 1939 und 5. November 1942 insgesamt 147 „nichtarische“ Katholiken Aufnahme. Doch die Situation spitzte sich auch dort immer mehr zu. Das Heim platzte wegen des großen Andrangs aus allen Nähten, zudem erhielten die jüdischen BewohnerInnen nur verkürzte Lebensmittelrationen. Helene von Taussig weigerte sich standhaft, ihr Atelierhaus in Anifzu veräußern. Doch schließlich ereilte auch sie das Schicksal ihrer jüdischen Glaubensgenossen. Es kam der 21. März 1942. Um 3 Uhr nachmittags fuhr ein großes Lastauto vor. Zwei Männer der Gestapo legten uns eine Liste vor, auf welcher die 19 Jüngsten unserer Pfleglinge standen [...], meistens Frauen. Diese sollten sich bereithalten, um in einer Stunde in ein Lager des 2. Bezirkes überstellt zu werden ... Während einige unserer Pfleglinge fassungslos weinten, trugen andere vorbildliche, ja heiligmässige [sic!| Katholikinnen ihr schweres Los mit gänzlicher Hingabe an den Willen Gottes und halfen durch ihr Beispiel und aufmunterndes Wort ihren Leidensgenossinnen [...]. Nach 14 Tagen ging der Transport nach Polen. Von dort erhielten wir eine kurze Nachricht; dann blieben unsere Briefe unbeantwortet. Aber wir erfuhren es doch; von einer Gaskammer aus hat Gott der Herr seine armen Kinder aus der Unrast dieses Lebens in seinen ewigen Frieden heimgeholt."' Diese Aufzeichnung straft alle jene als Lügner, die noch nach 1945 behaupteten, die Allgemeinheit hätte nichts von den Vernichtungslagern gewusst.