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1921 beschloss Charlotte, nach Berlin zu gehen. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, der Ballettschülerin Grete Edelmann, zog sie dorthin und musste wieder ganz von vorn anfangen. Mit Gelegenheitsjobs und kleinen Bühnenrollen hielt sie sich über Wasser. Auf Anraten des Theaterregisseurs Richard Révy, der sie am Ziircher Pfauen-Theater besetzte, nahm sie den Kiinstlernamen Lotte Lenja an, den sie kurz nach der Emigration in die USA in Lotte Lenya anderte. Révy war es auch, der sie mit dem Dramatiker Georg Kaiser bekanntmachte. Uber das Ehepaar Kaiser, die ein Landhaus in der Nähe Berlins besaßen und für das Lotte als Haus- und Kindermädchen tätig wurde, lernte sie Kurt Weill kennen und lieben. Bereits 1926 widmete Weill Lenya seine erste Oper: Der Protagonist, „Ein Akt Oper von Georg Kaiser“. Alsbald erkannte Weill zudem die Bedeutung von Lenyas Stimme: „Wenn ich mich nach Dir sehne, so denke ich am meisten an den Klang Deiner Stimme, den ich wie eine Naturkraft, wie ein Element liebe. In diesem Klang bist Du [...] ganz enthalten“. Sie selbst sagte später über ihre stimmlichen Darbietungen: „Man weiss immer, worüber ich singe [...] Der Grundgedanke ist zu fühlen. Ohne Dreh. So ehrlich zu sein, wie man kann.“ Als Sängerin und Schauspielerin hatte Lenya nur mäßige Erfolge, bis am 31. August 1928 mit der Premiere der „Dreigroschenoper“ ihre Stunde kam. In der Rolle der „Jenny“, die sie mit subtilster Charakterisierungskunst darbot, feierte sie einen überwältigenden Triumph. Besonders gut kam zu jener Zeit das Rebellische ebenso wie das Zynische an. Lenyas Stimme beeindruckte mit Präzision und Sinnlichkeit, mit Gelöstheit und Wärme des Ausdrucks. „Wenn sie singt,“, so Kurt Weill, „dann hören die Leute zu wie bei Caruso.“ Bevor sie mit der Verfilmung der „Dreigroschenoper“ einen weiteren grandiosen Erfolg feierte, übernahm sie Rollen in Marieluise Fleißers Pioniere in Ingolstadt, in Büchners Dantons Tod sowie in Wedekinds Frühlings Erwachen. Mit großer Leidenschaft interpretierte Lenya Rollen und Lieder des Duos Brecht/Weill, Eine Autobiographie in Bildern / Zusammengestellt und herausgegeben von David Farneth lehnte aber Brechts „egozentrisches Verhalten“ ab und nannte ihn ob seines Verhaltens einen „chinesisch-augsburgerische(n) Hinterwäldler-Philosoph(en)“ und einen „echte(n) Angeber“. Mit der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, dieam 9. März 1930 in Leipzig uraufgeführt wurde, gastierte Lenya im April 1932 in ihrer Geburtsstadt Wien. Bei diesem Debüt würdigte die Wiener Presse Lenyas Leistung als grandios, in Vortrag und Darstellung alle überragend, ja sie sei die Primadonna der ganzen Unternehmung, so das Neue Wiener Journal. Während ihres Gastspiels in Wien begann Lenya eine Affäre mit ihrem Partner, dem verheirateten Tenor Otto Pasetti. Gemeinsam reisten sie nach San Remo und entdeckten die Welt der SpielCasinos für sich. Die Folge dieses Abenteuers wie auch die Liaison Weills mit Erika Neher, der Frau seines Librettisten, führten zur vorübergehenden Trennung des Ehepaars Weill. Lenya war offen für Beziehungen zu anderen Männern. So war sie später auch einige Zeit mit dem Maler Max Ernst liiert, dessen künstlerische Interessen sie teilte. Ihre Affären änderten nichts an ihrer Liebe zu Kurt Weill. Ihrem Biografen Donald Spoto zufolge fühlte sie sich vor allem von seiner Musik und seinem Humor angezogen. Auch Weill sprach von seiner Liebe zu ihr, wenn er sagte: „Du kommst doch gleich nach meiner Musik.“ Später trat Lenya der Behauptung entgegen, dass ihre beiderseitige Beziehung weniger eine der Liebe, mehr eine der Arbeit gewesen wäre: Soviel Unsinn wurde über Weillund mich verbreitet. Wenn ich mich über alles aufregen würde, bekäme ich einen Nervenzusammenbruch. Das ist die Sache nicht wert. Zunehmend fühlte Lenya sich in Berlin eingeengt. Antisemitische Ressentiments in der Bevölkerung nahmen zu, wie Lenya in ihren autobiografischen Aufzeichnungen notierte: Ich erinnere mich, wie ich [...] mit der Künstlerin Lotte Reiniger und ihrem Mann Karl Koch, beide keine Juden, die Straße entlang ging. Ein Trupp junger Nazis ging hinter uns, und einer traf Karl mit einem Apfelputz im Nacken. An einem anderen Tag ging ich mit Kurt [...] ins Kino und hörte mit, wie einige typische deutsche Hausfrauen zu einigen Juden sagten: „Wenn es Euch hier nicht gefällt, warum geht Ihr nicht gleich zurück nach Palästina?“ Zwar ließen sich Lenya und Weill 1933 scheiden und ihrer jeweils eigenen Wege gehen, verloren sich aber dabei nicht aus den Augen. Gemeinsam emigrierten sie am 4. September 1935 an Bord der Majestic in die USA. Zu ihren Mitpassagieren zählte auch Max Reinhardt. Sogleich versuchten beide Karriere im Theater und Film zu machen. Der berufliche Neuanfang war nicht leicht, auch wenn beide bekannt, ja berühmt waren. Als ein zu großes Problem erwies sich Lenyas Stimme, zwar nach Meinung der Modern Music unverbildet, aber zu speziell für das breite Interesse in Amerika. Lenyas Engagement beschränkte sich auf Charakterrollen wie in Franz Werfels 7he Eternal Road (1937), in Maxwell Andersons Candle in the Wind (1941) und in Weills The Firebrand of Florence (1945). Hollywood zeigte kein Interesse, auch ein NachtelubEngagement änderte wenig an ihrer Situation. Lenya und Weill versuchten sich gegenseitig das Leben in der Fremde zu erleichtern. Tief in den amerikanischen Alltag griff die Kriegszeit ein. Sie beteiligten sich an Kriegshilfe-Programmen und Weill steuerte Kompositionen bei, die auf die dramatische Notlage der Juden in Europa aufmerksam machten. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Filmrechte an Lady in the Dark (1941) erwarben sie ein schönes Haus mit Garten in New Juli 2019 19