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an solchem Kunstwerk keinen Anteil nimmt, weil es, wieder unbewufst, die Einheit von Ideal (Ehre) und Wirklichkeit (Blut) vermißs. Vielleicht liegt hier auch einer der Gründe des Gegensatzes zwischen Volk und Bildungsdichtung auch im Drama bloß. [sic!] Umgekehrt befriedigt uns Blutmaterialisten, die wir nun einmal sind, sonderbarerweise auch wieder ein Blutstrom nicht, der nicht von eben jenem Werte gelenkt wurde, den wir da Ehre heißen, Rassenehre, Volksbewufstheit ... Blut und Ehre wird bis heute von Burschenschaften postuliert. Der Wiener Kurier schrieb im Janner 2018: Da ist die „Germanomanie“ der österreichischen Burschenschafter, also die Devise, dass man sich „deutscher als die Deutschen“ Josef Thonhauser Der ewige Antisemitismus’ Alle Vorurteile und Hassgefühle, die zu Verfolgungen und ungesetzlichen Diskriminierungen führen, sind ... für den Juristen ebenso ein Untersuchungsgegenstand wie für Pädagogen und Soziologen. (Cohn, 2017, S.426) Heute hat der Antisemitismus durch den weltweit ausstrahlenden Konflikt zwischen Juden und Arabern, der fallweisen Engschließung von Antiamerikanismus, Israelkritik sowie rassistischem AntisemiUsmus und aggressivem Islamismus eine neue Dimension erreicht. Zygmunt Bauman hat das bei einem vom Wiener Renner-Institut mitveranstalteten Vortrag allgemein so ausgedrückt: The „glocalisation“ of conflicts, where global conflicts appear in specific local circumstances, and local conflicts involve a global dimension, such as in the case of the Charlie Hebdo attacks in Paris in January this year. (8.4.2015) Unter diesen Voraussetzungen mag es kühn anmuten, wenn jemand gleichsam unter der Frage „Inwiefern war ich bzw. bin ich ein Antisemit?“ eine autobiographische Reflexion als Beitrag zu diesem brisanten Thema anbietet. Der Verweis auf Wolfgang Lemperts These „Die Befangenheit in Vorurteilen und Ideologien lässt sich, wenn nicht völlig lösen, so doch vermindern, durch die Analyse ihrer Genese, durch Kritik und Selbstreflexion“ (Lempert, 1969, S. 347), scheint mir dieses Wagnis zu rechtfertigen. Der Anstoß: Erste Begegnung mit Juden und mit manifestem Antisemitismus Im Herbst 1957 begann ich in Wien mein Studium: Latein und Geschichte. Ich hatte weder vom Judentum noch vom Antisemitismus konkrete Vorstellungen. Alsich nach wenigen Wochen bei einer befreundeten Familie zum Abendessen eingeladen war und über meine ersten Eindrücke im Studium berichtete, fragte mich der Hausherr unvermittelt, ob ich wüsste, was für ein Landsmann der Dozent sei, der den Griechisch-Kurs gab. Ich wusste es nicht, dachte mir in dem Augenblick jedoch, wenn er so fragt, wird der Dozent kaum ein Wiener sein. „Vielleicht ein Steirer?“, gab ich zögernd zur Antwort — nicht bedenkend, dass meine Gastgeber urspriinglich aus der Steiermark waren. ,,Nein, nein,“ meinte der Hausherr bedeutungsvoll, „das ist ein Jude.“* Ich empfand fühle. Und da ist die Sache mit der Abstammung: Dass „Blut“, wie es unter Burschen und Mädeln heifst, das Aufnahmekriterium ist... Wer nicht deutschstämmig ist, hat nämlich noch immer bei vielen Burschenschaften keinen Zutritt — im größten und ältesten Dachverband der Männerbünde Österreichs und Deutschlands, der Deutschen Burschenschaft, wurde deshalb vor einigen Jahren über die Einführung eines Ariernachweises diskutiert. Seitdem dies publiziert wurde, ist mehr als ein Jahr vergangen und es vergeht fast keine Woche ohne einen diesbezüglichen Skandal in der FPÖ. Die Anhänger der abgestandenen völkischen Ideologie sitzen heute im Parlament, in der Regierung und in den Behörden und würden — wenn man sie lässt - Österreich in den Abgrund führen. beinahe Scham über meine Unbedarftheit, zumal die Gastgeberin mir mein fehlendes „ethnisches Gespür“ als Repräsentanten der „ahnungslosen heutigen Jugend“ zuschrieb. Ich verließ die gastliche Stätte mit einem ausgeprägten Mangelgefühl und intensivem Nachdenken darüber, woran ich meinen akademischen Lehrer als Juden hätte erkennen können. Noch hatte ich niemanden, der mir dabei hätte helfen können. Aber ein merkwürdiges Interesse war geweckt - fast ein gewisser Ehrgeiz, nicht abermals als ein Naivling aus der Provinz entlarvt zu werden. Immer wieder einmal ertappte ich mich dabei, Leute mit äußerlichen Aufälligkeiten (z.B. überproportionalen Köpfen, vergleichsweise dunkler Hautfarbe, kurzen Beinen) für Juden zu halten. An der Universität hingegen gab es Kommilitonen beiderlei Geschlechts, die offensichtlich mehr wussten und ihr Wissen auch für wichtig hielten. Davon betroffen waren mehrere meiner Professoren, was allerdings, wie sich später herausstellte, nur teilweise zutreffend war. Trotzdem reichte es, um zu thematisieren, ob jemand Jude sei oder nicht. Die Unterscheidung zwischen ‚Glaubensjuden‘ und ‚Geltungsjuden‘ bzw. ‚Volljuden‘ und ‚Halbjuden‘ etc., wie sie die NS-Ideologie vorgenommen hatte, wurde dabei nicht getroffen.? Manifeste Antisemiten‘, unter ihnen auch angesehene Akademiker, sprachen bei letzteren (besonders ekelhaft) von „gespritzt“. Häufig wurde die Dichotomie Jüdisch — Nichtjüdisch ins Spiel gebracht, während der Begriff „arisch“ kaum mehr in Gebrauch war, ausgenommen indirekt in historischen Berichten über ‚Arisierungen‘. In Wien lebte eine mit meinen Eltern befreundete Familie, bei der ich regelmäßig am Samstag zum Abendessen eingeladen war. Mein Rufonkel, ein hochgebildeter Mann, hatte mir bei einer Bekannten von ihm ein preisgünstiges Studentenzimmer vermittelt. Eines Tages während meines zweiten Semesters kam die betagte Quartierfrau zu mir ins Zimmer und zeigte mir eine Photographie mit den Worten: „Das ist sein Bruder. Bei ihm merkt man es schon sehr stark.“ Diese Andeutung genügte damals bereits, um mir zu vermitteln, dass Onkel Siegfried jüdische Vorfahren hatte. Mich hat daran nichts gestört, außer dem Umstand, dass dies in meiner Familie niemals erwähnt worden war. Vielleicht wäre es ihm auch nicht recht, daraufangesprochen zu werden, mutmaßte ich. Als ich daheim einmal darauf zu sprechen kommen wollte, merkte ich rasch, wie unangenehm dieses Thema meinen Eltern war, die den beträchtlich älteren Onkel Siegfried schr verehrten. Juli 2019 23