OCR
Sonja Frank Ernst Eisenmayer war als jüdischer und politischer NS-Verfolgter im KZ Dachau inhaftiert, konnte noch vor Kriegsausbruch nach England exilieren, war dort ein Young Austria-Mitbegriinder der Oxford-Gruppe und Funktionär in London, Werkzeugmacher im Zweiten Weltkrieg. Er wurde Maler, Bildhauer und Dichter. Da Ernst Eisenmayer meine Young Austria-Dokumentation und Ausstellungen unterstützte und mir gestattete, Fotos, die ich bei ihm aufgenommen habe, fiir weitere Gedenk-Dokumentationen zu verwenden, möchte ich hier Lesern der ZW Eisenmayers Welt in Erinnerung rufen. Dafür wird zum Teil aus die Darstellung des Young Austria-Buches (2. Auflage, Wien 2014, S.139-146) zurückgegriffen und diese ergänzt. Eisenmayer war ein Freund meiner Großeltern Fanni und Ludwig Grossmann — mit Ludwig war er schon seit der Illegalität im Austrofaschismus befreundet, und mit Fanni ab der Young Austria-Zeit in England bis zum hin gemeinsamen Aufenthalt im Maimonides-Heim im 19. Bezirk. Ich besuchte ihn mehrmals im neuen Maimonides-Heim im 2. Betirk und stehe im Kontakt mit seinem Neffen Neil und seiner Tochter Janet. Eisenmayers jüngerer Bruder Paul Brierley (1923 Wien — 2007 Chelmsford), adoptiert durch die britische Familie Brierley, wurde Techniker in einem Chemielabor in Oxfordshire. Er und seine Frau Lilly, geb. Bellak, durch einen Kindertransport gerettet, blieben nach dem Krieg in England. Paul diente im Krieg in der British Army. Lilly verstarb im Februar 2018. Pauls Sohn Neil lebt in England. Er war es, der mir am 23. März 2018 um 10 Uhr vormittags die traurige Nachricht übermittelte: „Sorry to pass on sad news that Ernst passed away this morning. His daughter Janet and son Tom were with him. He is being buried this afternoon.“ Ernst lernte ich als kritischen Geist kennen. Dieser Artikel zeigt aber auch, wie wichtig ihm Solidarität war und wie schr lebenslange Freundschaften und Sprachen sein Leben bereichert haben. Kein Mafsstab Eine Eiche ist krumm und eine Tanne wächst gerade. Stimmt. Das ist aber weder Wertschätzung noch Schönheitsmaß,. Wer das zu messen versucht, kommt auf krummes Denken. Von der Überheblichkeit ganz abgesehen. Ernst Eisenmayer Jugendzeit in Wien Ernst Eisenmayer, geboren am 18. September 1920, wuchs in einer assimilierten jüdischen Familie in der Pfluggasse 4 in WienAlsergrund auf. Eisenmayer war schon als Jugendlicher mit Erich Fried, Herbert Steiner und Berta Rosenkranz-Pordes befreundet, die im Kommunistischen Jugend-Verband Alsergrund aktiv waren. Ernst besuchte das heutige Erich-Fried-Realgymnasium in der 34 — ZWISCHENWELT Glasergasse. Im Laufe seines Lebens wurde er in fünf Sprachen heimisch: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Holländisch. Ernst Eisenmayer erzählte mir 2011: Ich war Mitglied der Roten Falken und in der Illegalität politisch aktiv. Unsere Gruppe hieß „Jung Urania“ und hatte ein Kellerlokal in der Porzellangasse. Zur der losen K]V- Gruppe gehörten Herbert Steiner, Heinz Altschul, Gerhard Bellak und Lotte Brainin. Mit Erich Fried, der im selben Eckhaus mit Eingang Alserbachstrafe 3 wohnte, war ich seit 1933/34 eng befreundet und besuchte ihn noch zwei Wochen vor seinem Tod 1988 in London. Ernst schaffte es 1938 noch, die Matura abzuschließen. Obwohl sein Chemieprofessor Friedrich Qualtinger ein gliihender Nazi war, blieb Ernst sein Lieblingsschiiler; Friedrich war der Vater Helmut Qualtingers. Der weise jiidische Religionslehrer Prof. Bronner warnte seine Schiiler vor dem Kommenden. Eisenmayer: Prof: Bronner beobachtete die Entwicklungen in Nazideutschland sehr genau und ahnte den Holocaust voraus. Wir Schüler glaubten ihm damals noch nicht und lachten ihn aus. 1938, als Hitler in Wien einmarschierte, musste ich — wie viele andere NS-Verfolgte- flüchten. Beim Fluchtversuch über die deutsch-französische Grenze wurde Ernst festgenommen und ins KZ Dachau deportiert. Zu der Zeichnung, die ich 2011 im DÖW entdeckte und fotografierte, erzählte er mir später: Wir mussten für die Nazis oft schwere Steine ganz unsinniger Weise von A nach B schleppen und wieder zurück, bloß zur Unterhaltung für die Nazis. Diese schwere Arbeit erschütterte meinen Körper sehr, mehr als meine Arbeiten am Stein als Bildhauer. Die eine Arbeit war Schaffensfreude, die andere hinterließ lebenslang auch seelische Narben. Exil in Großbritannien Mit Hilfe der Familie Brierley, von der sein Bruder Paul aufgenommen worden war, gelang es Ernst inmitten des Naziterrors im Frühjahr 1939 ein britisches Visum zu erhalten. Die Mutter und viele andere seiner Verwandten und Jugendfreunde, unter ihnen der Widerstandskampfer Walter Kampf, wurden Opfer der Nazis. Bald nach Ernsts Ankunft griindeten Ernst und Paul Eisenmayer im Herbst 1939 eine Young Austria-Gruppe in Oxford.