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Otto Pohl Zum Tode Adelheid Popps In Wien ist, nach qualvollen Krankheitsjahren, Adelheid Popp gestorben, die die Führerin und eigentliche Schöpferin der österreichischen Arbeiterinnenbewegung gewesen ist. Ihre Persönlichkeit und ihr Lebensgang spiegeln Eigenart und Schicksal der Arbeiterklasse Österreichs wieder, die sich in einem glanzvollen Aufstieg aus der Tiefe politischer und sozialer Rechtlosigkeit zu einer Kraft emporgeschwungen hatte, die von ihren Feinden nicht mehr zu brechen war ohne dass der Staat selbst daran zerbrach. In Adelheid Popp wird besonders eindringlich die formende Kraft jenes, in seiner alten politischen Gestalt für immer dahingegangenen Vorkriegs-Österreich sichtbar, das im Schmelztiegel Wien Lebemsströme so vieler Völker in den Körper eines deutschsprechenden Volkes übergeleitet und durch seine kulturelle Blüte die Phrase der Rassenfanatiker vor der Zeit ad absurdum geführt hat. Das Kind einer, der gedrücktesten Schicht des Proletariats angehörenden tschechischen Arbeiterin, hat Adelheid Dworschak — dies war ihr Mädchenname -, getrieben von einem unzähmbaren Dräng nach Wissen und sozialer Geltung, früh ihren Weg zur kämpfenden Arbeiterklasse gefunden. Die blutjunge, von hinreißendem Temperament befeuerte Versammlungsrednerin, von Viktor Adler geleitet, vom grossen Friedrich Engels bei seinem Wiener Besuch durch persönliche Ermunterung ausgezeichnet - sie hat von diesen Jahren ihres Werdens in ihrer „Jugendgeschichte Max Adler Die Idee der Republik Was ist es, das bei dem Klang des Wortes Republik seit jeher wie ein Zauber auf das Gemüt der Menschen wirkt, so daß diese Idee der Republik sich mit dem Ideal unserer Zeit, dem Sozialismus vereinigen, bei manchen an dessen Stelle treten konnte? Das Wort bedeutet tatsächlich erwas Herrliches. Republik kommt von dem lateinischen Ausdruck respublica, was wörtlich übersetzt bedeutet: Gemeinsame Sache. Wenn also der Staat eine Republik werden soll, so bedeutete diese Forderung, daß der Staat nicht mehr die Sache eines Herrschers, auch nicht die Sache der Reichen und Besitzenden sein dürfe, sondern daß er eben die Sache aller werden müsse, die gemeinsame Angelegenheit aller Bürger des Staates. Und dieser Gedanke enthielt nicht etwa bloß die Vorstellung einer politischen Gleichberechtigung, sondern die Idee einer wirklichen Gleichheit und Brüderlichkeit im Leben der Menschen. Das Bürgertum, das dieses Ideal von der Republik einst als sein eigenes vertreten und in seiner Revolution dafür gekämpft hat, ist längst zum Verräter an ihm geworden. Denn es mußte gewahr werden, daß dieses Ideal von ihm niemals verwirklicht werden konnte. Es scheitert daran, daß auch die demokratischeste bürgerliche Republik die Grundlagen der bürgerlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung bestehen lassen muß, ja diese eigentlich erst zur freien Entfaltung bringen will, nämlich das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die daraufbegründete kapitalistische Produktionsweise. Damit bleiben aber inmitten aller sonstigen demokratischen Gleichheit und Freiheit die Ungleichheiten des Besitzens und die Unfreiheit der Armen gegenüber den Reichen bestehen, die durch demokratisch-sozialpolitische Gesetze nur 44 ZWISCHENWELT einer Arbeiterin“ einen packenden Bericht gegeben — wächst rasch empor. Sie wird die führende Agitatorin und Organisatorin der weiblichen Arbeiterschaft, Gründerin und Redakteurin der „Arbeiterinnenzeitung“, Repräsentantin der österreichischen sozialdemokratischen Frauen in den Beratungszimmern und auf den Tribünen der internationalen Arbeiterbewegung, schliesslich auch Mitglied des Parlaments der demokratischen Republik. Was in Österreich in einem Menschenalter an legislativem Frauenschutz erobert worden war, trug den Stempel ihrer Mitarbeit. Es ist nicht zuletzt auch ihrer Erziehungsarbeit zu danken, wenn die österreichische Arbeiterschaft und namenlich die Arbeiterfrauen, gründlicher und schneller noch als die arbeitenden Massen anderer, vom Faschismus bedrückter Völker der Suggestion der „Führer“ und der brutalen Gewalt ihres Systems inneren Widerstand zu bieten und ihr politisches und menschliches Bewusstsein zu behaupten vermochten. Die Erinnerung an die Zeit des Aufstiegs der österreichischen Arbeiterbewegung leuchtet unversiegbar in das dunkle Grauen der Gegenwart und zu dieser Erinnerung gehört auch die Gestalt Adelheid Popps. Aus: Nouvelles d’Autriche. Österreichische Nachrichten. Nr. 3, April 1939, 10. Gezeichnet: O.R (= Otto Pohl). gemildert, nicht aber beseitigt werden können. Die Republik, auf solchen Grund gebaut, hat eben unberührt gelassen, was sie gar nicht ändern wollte und konnte — die Klassengegensätze und damit die ökonomische Herrschaft der Besitzenden über die Besitzlosen, die nur zu oft auch in eine physische Beherrschung ausmündert. Das Bürgertum müßte die Grundlagen seines eigenen Besitzes und damit seines eigenen Reichtums, seiner eigenen Macht aufgeben, um die Idee der Republik zu verwirklichen. Das kann es nicht tun und hat es nicht getan, und so erklärt es sich, daß die Idee der Republik für das Bürgertum ihren Glanz verloren hat, und daß es aufgehört hat, ihr Vorkämpfer zu sein. Verständlich, daß die gewaltige geschichtliche Weiterentwicklung der Republik in unserer Zeit, die Aufrichtung der Republiken Deutschland und Österreich nach dem Umsturz nicht vom Bürgertum, sondern vom Proletariat ausgegangen ist. Wohl darf das Proletariat an jedem Gedenktage des Novemberumsturzes mit Stolz und Freude auf diese seine geschichtliche Tat zurückblicken, und wohl darf es diese Republik als seine Republik betrachten und feiern, zumal das Bürgertum auch dort, wo es sich mit der Republik abgefunden hat, ihr nur mit großer Gleichgültigkeit gegenübersteht. Denn das Geschäft der kapitalistischen Ausbeutung verträgt sich schließlich mit jeder Staatsform, die den politischen Einfluß der bürgerlichen Klasse nicht direkt ausschließt oder beschränkt. Aber gerade weil die Republik in Deutschland und Österreich ein gewaltiges Befreiungswerk war, eine Befreiung von jahrhundertelangem Despotismus und