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Anton IIIB „Der Schnee vor der Haustüre“ Anton IIl B: Der Schnee vor der Haustüre (Zeichnung). In: Anna Nussbaum, Else Feldmann: Das Reisebuch des Wiener Kindes. Eine Sammlung von Briefen, Aufsätzen und Zeichnungen der Wiener Schulkinder im Ausland. Wien 1921, S. 49 In Österreich soll in der Gegend von Zistersdorf in den Kriegsjahren Erdöl erbohrt worden sein. Unkontrollierbare Berichte nannten sogar die große Menge von 1 Million Tonnen. Ob es sich um eine dauernde Quelle dieses so wichtigen Betriebsstoffes handelt. ist unter den gegebenen Verhältnissen nicht feststellbar. Österreich und die Schweiz sind Binnenländer; sie haben keine eigenen Seeküsten und Seehäfen. Während auf dem Gebiete der Schweiz zwar schr große Ströme entspringen. ist keiner dort schiffbar, wogegen die Österreich durchströmende Donau für ganz große Schiffe passierbar ist. Weder Österreich noch die Schweiz sind auch nur im entferntesten autark und können es auch niemals werden. Beide sind darauf angewiesen, durch Export und Dienstleistungen aller Art die notwendigen Importe zu finanzieren. Beiden ist die Kleinheit des inneren Marktes gemeinsam. Alle diese Hemmnisse und das völlige Fehlen der Rohprodukte haben die Schweiz nicht daran gehindert, ganz ausgezeichnete, weltanerkannte Industrien (chemische Produkte, Stickereien, feinste Baumwollgewebe, Uhren, Maschinen) ins Leben zu rufen. Lediglich ein Teil der Ausfuhr von Nahrungsmitteln beruht auf der heimischen Milchwirtschaft. Dieser Tatbestand ist ein für die Zukunft Österreichs sehr ermutigender. Die in Österreich heimischen Industrien gründen sich in weitem Maße auf vorhandene Rohstoffe und haben sich gleichfalls Ruf und Ansehen erworben. Die Erzeugung von Stahl, Walz- und Schmiedewaren, Papier und Pappe stehen an erster Stelle. Die österreichischen Lokomotiv- und Waggonfabriken haben durch Jahrzehnte den Balkan klaglos versorgt, bis die Kriegsangst überall zur Errichtung kleiner und zumeist schr wenig leistungsfähiger Anlagen Anlaß gab, die kaum weiterbestehen werden. Der Ausbau der Wasserkrafte wurde in der Schweiz schon sehr früh begonnen. Im alten Österreich war angesichts der großen böhmischen Kohlenlager dazu keine Verlockung. Wien hat in der Republik einige große Wasserkraftwerke gebaut, desgleichen der Bund, aber wie die Verhältnisse heute liegen, entzieht sich der Beurteilung. Fest steht bloß, daß die in Österreich vorhandenen Möglichkeiten nicht erheblich kleiner sind als in der Schweiz. Für Länder gleich Österreich und der Schweiz, die jahraus, jahrein auf große Einfuhrmengen zwingend angewiesen sind, ist es wortwortlich lebensentscheidend, ob sie diesen Bedarf in Form von Exporten oder sonstigen Einnahmen bezahlen können. Gelingt es, wenn auch auf bescheidener Grundlage, ein Dasein zu erwirtschaften, das als gesichert und noch menschenwürdig empfunden wird und die Aufbringung eines gesunden Nachwuchses gestattet, dann fehlt es nicht an der notwendigen Arbeitsfreude. Die nachstehende Tabelle gibt die Daten des Außenhandels für die beiden Vergleichsländer von 1920 bis einschließlich 1934. Österreich Schweiz in Millionen Schilling in Millionen Franken Jahr Einfuhr Ausfuhr Einfuhr- Einfuhr Ausfuhr Einfuhrüberschuß überschuß überschuß 1920 2450 1342 1108 4200 3274 926 1921 2447 1302 1145 2247 1763 484 1922 2529 1589 940 1882 1687 195 1923 2765 1616 1149 2226 1715 511 1924 3448 1970 1478 2484 1994 490 1925 2833 1923 910 2488 2025 463 1926 2766 1703 1063 2359 1822 537 1927 3088 2037 1051 2505 2001 504 1928 3239 2208 1031 2654 2111 543 1929 3263 2189 1074 2672 2073 599 1930 2699 1851 848 2525 1743 782 1931 2161 1291 870 2212 1330 882 1932 1383 764 619 1709 765 944 1933 1148 775 373 1551 816 735 1934 1154 863 291 1411 821 590 Das Bild ist eigenartig, und man kann aus ihm die starke Unruhe dieses Wirtschaftsabschnittes ersehen. Die österreichische Einfuhr erreichte ihren Höhepunkt 1924 mit 3448 Millionen Schilling, ihren Tiefstand 1933 mit 1148 Millionen Schilling. Das ist ein Rückgang um genau zwei Drittel. Die Erklärung liegt teilweise darin, daß die völlige Entblößung von allen Vorräten und Bedarfsartikeln jedweder Art nach Kriegsende zu besonders großen Einfuhren nötigte, die vielfach erst nach Stabilisierung der Währung und Wiederkehr der Kreditwürdigkeit vollzogen werden konnten. Die Schweiz hingegen war sofort überall eine willkommene Kundschaft, und sie hat deshalb schon 1920 das Maximum der Einfuhr von 4200 Millionen Franken. Aber auch bei ihr ist 1933 nicht mehr als ein Drittel davon übrig. Sonstige Einflüsse, die bei dem Auf und Ab der Einfuhr eine Rolle spielten, waren die besseren oder schlechteren Ernteergebnisse, in Osterreich die wesentliche Hebung der Viehzucht und Milchwirtschaft, der namhafte Ausbau von Wasserkräften, schließlich in einem hohen Maße die Preisgestaltung. Nimmt man die Großhandelspreise für das erste Halbjahr 1914 mit 100 an, so zeigt 1925 das Steigen auf 136, dem ein allmähliches Sinken auf 108 im Jahre 1933 folgte. Dabei war der Index für Nahrungsmittel genau auf das Vorkriegsniveau von 100 zurückgekehrt, während Industriestoffe einen Index von 124 aufwiesen. In der Schweiz stieg die Preiskurve zunächst viel steiler an, sank aber dafür im Jahre 1932 sogar um ein paar Prozente unter das Vorkriegsniveau. Österreich und die Schweiz haben ihre stärkste Ausfuhr 1928 mit 2208 Millionen Schilling bzw. 2111 Millionen Franken. In Juli 2019 61