OCR
SAID arek und seine jahreszeiten nach seinem verschwinden befragt, bestreitet er alles — obwohl ihm mehrere zeugenaussagen vorgelegt werden. - ja, die fakten sprechen für sich — in ihrer vulgären sprache. die zeitungen berichteten damals, er sei aus der distanz angeschossen worden. vor drei jahren wurde er jedoch in einem park in baltimore gesichtet. er sprach mit sich, ohne akzent, und trug eine papiermaske — als wollte er die gesellschaft vor seinem atem schützen. eine passantin fragt ihn höflich, ob er nicht tot sei. arek läßt sich ins gras fallen und weint bitterlich. nach geraumer zeit beruhigt er sich und fragt. — spüren sie die stille? sie schüttelt den kopf. er nimmt die maske ab und wirft sie ins gras. — sie tritt ein, nachdem etwas für immer verschwunden ist. die passantin antwortet nicht. — aus dingen schwindet die wärme, sie stoßen den menschen von sich ab. er schaut um sich und verrät. — man muß sich die menschen nach ihrer art verbindlich machen, nicht nach der eigenen. eine riege reporter springt aus dem gebüsch und knallt ihm blitzlichter ins gesicht — als wollten sie ihn abermals töten. arck verdeckt seine augen. — ich muß ihn schützen vor personen, die ihm seine geschichte und das geheimnis stehlen. sie nimmt ihn in die arme, wiegt ihn und bittet ihn, doch zu bleiben. sie horcht auf den atem des schläfers, geregelt und wenig raumfordernd. — er ist zu dumm, um ein narr zu werden. und sie streichelt ihm über den kopf. jäh erwacht arek. er späht um sich und findet keinen reporter. — es gibt nichts ärmeres als eine wahrheit in rohfassung. sie nickt und denkt. - er ist allein und nimmt sich für das maß, auch davor muß ich ihn schützen. laut sagt sie dann. — es gibt keine greueltaten zu berichten, keine brandanschläge. arck schaut der beschützerin in die augen und blinzelt. — stimmt es, daß sich viele scheuen, in der öffentlichkeit ihre muttersprache zu gebrauchen? sie streichelt sein gesicht und denkt. — er hat wohl den willen, an dem unterschied zwischen sich und der welt zu rühren. er erwidert. - arek kann jede sprache sprechen, die er lang genug gehört hat. sie bedenkt ihn mit einem abschiedsblick. - fremde zerstören dinge, die in ihrer abwesenheit gewachsen sind. er legt eine hand auf die erde. — stimmt es, daß sie auch die erde besänftigen? die passantin geht ihrer wege. arek steht auf und sucht seine jahreszeit. SAID wurde geboren und kam 1965 nach münchen. nach dem sturz des schah 1979 betrat er zum ersten mal wieder iranischen boden, sah aber unter dem regime der mullahs keine möglichkeit zu einem neuanfang in seiner heimat. seither lebt er wieder im deutschen exil. letzte auszeichnung: 2016, friedrich-rückert-preis. letzte veröffentlichung: vom wort zum haus, gedichte, rimbaud verlag. 70 ZWISCHENWELT