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Berichte durchschmuggeln, und solche Berichte sind dann alles eher als freundlich gehalten. Ich war vom Fach und konnte da rasch in vielem abhelfen, wobei mir meine Unkenntnis der Gefahren, die ich lief, zu Hilfe kam. Erst viel später erfuhr ich, daß die Anarchisten in der Hörzensur (sie hatten zu kontrollieren, ob die Journalisten wirklich den zugelassenen Text und nichts anderes durchtelephonierten) mich mit dem größten Mißtrauen betrachtet hatten und einmal, als ich einen in nicht-militärischen Dingen kritisch gehaltenen Artikel durchließ, sogar eine Anzeige gemacht hatten, die Standrecht bedeuten mußte, wären ihre Vorgesetzten nicht weitsichtiger und — mir günstig gesinnt gewesen. Jörg Thunecke Donald G. Daviau (1927 — 2019) Am 27. April 2019 ist unser Freund und Kollege, der Germanist Donald G. Daviau, in Neunkirchen, Niederösterreich, im 92. Lebensjahr verstorben. Geboren am 30. September 1927 in Worchester, hatte er in letzter Zeit in Kirchberg a. Wechsel (bei Wien) gelebt, wo er mit seiner Frau, der Kulturhistorikerin Gertraud Steiner lebte. Geheiratet hatten sie 1998 in Las Vegas. Er wuchs in ziemlich ärmlichen Verhältnissen in Medway, Massachusetts auf, ging während des Zweiten Weltkrieges zur Kriegsmarine, studierte nach Kriegsende aufgrund der sogenannten GI-Bill kostenlos an der Clark University in Worchester, wo er 1950 einen BA erlangte, dann anschließend an der University of California in Berkeley, wo er 1954 einen MA und 1955 seinen Ph.D. (Titel der Dissertation: 7he Significance of Hermann Bahr to Austria) erwarb, nachdem er 1954 aufgrund eines Fulbright Stipendiums ein Jahr in Wien verbracht hatte. Ab 1956-57 wurde er dann ‚Instructor‘ an der neu gegründeten University of California in Riverside, wo er den Rest seiner akademischen Karriere, bis zum Ruhestand 2000, verbringen sollte. 1983 rief er dort die sogenannten Austrian Symposien ins Leben, wohl seine größte Errungenschaft, die bis 1999 alljährlich in Riverside stattfanden, an welchen Gelehrte aus aller Herrn Ländern teilnahmen und deren Ergebnisse Daviau sowohl in Sammelbänden als auch in Sonderbänden der ebenfalls von ihm mitbegründeten Zeitschrift Modern Austrian Literature (19852000) bzw. im Ariadne Verlag (1985-2000) veröffentlichte. Sein Hauptwerk waren in diesem Zusammenhang wohl mehrere Bände von „Major Figures of Austrian Literature“.' 1977 verlieh ihm die österreichische Bundesregierung das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst; ferner erschien 1993 eine Festschrift zu seinen Ehren: Turn-of-the-Century Vienna and its Legacy. Essays in Honor of Donald G. Daviau. Insgesamt war Don Daviau Autor bzw. Herausgeber von 21 Büchern und 183 Artikeln, in denen er u.a. folgende Schriftsteller abhandelte: Raoul Auernheimer, Hermann Bahr, Thomas Bernhard, Max Brod, Friedrich Dürrenmatt, Barbara Frischmuth, Franz Grillparzer, Hugo von Hofmannsthal, Fritz Hochwälder, Jura Soyfer, Karl Kraus, Alexander Lernet-Holenia, Ernst Lothar, Anna Mitgutsch, Robert Musil, Max Ophiils, Charles Sealsfield, George Saiko, Arthur Schnitzler, Luis Trenker, Peter Turrini, Ernst Weiss, Paul Zech und Stefan Zweig. Besonders Raoul Auernheimer hat Don sein ganzes berufliches Leben lang begleitet und noch im fortgeschrittenen Alter — nachdem Auernheimers Witwe ihm den Nachlass des österreichischen Eben erschienen ist in der Edition Atelier (Wien) Ilsa Barea-Kulcsars Roman » lelefinica’, herausgegeben von Georg Pichler und Erich Hackl. Journalisten und Schriftstellers, der 1939 vor den Nazis in die USA fliehen musste und in Berkeley lebte, übergeben hatte — einen großen Teil von dessen Schriften publiziert (s. dazu Raoul Auernheimer: Aphorismen und Gedichte bzw. Raoul Auernheimer — Reports on Austrian Writers in 1945 & in Exile [beide 2013)]). Don Daviau war ein äußerst liebenswerter, geselliger und zudem kompetenter Gastgeber, wovon zweifelsohne viele der Teilnehmer der alljährlichen Symposien während der 80er und 90er Jahre in Riverside, einem ‚high light‘ im Kalender jedes Germanisten, der sich mit österreichischer Literatur beschäftigte, Zeugnis ablegen können! Entsprechend vermissen wir seine freundliche Art, die durchaus nicht auf allen internationalen Konferenzen der 80er und 90er Jahre Usus war! 1 Das Exilerlebnis (1982); Der Mann von Übermorgen — Hermann Bahr 1863-1934 (1984); Exil: Wirkung und Wertung (1985); Major Figures of Modern Austrian Literature (1988); Major Figures of Turn-of-the-Century Austrian Literature (1991); Austrian Writers and the Anschluss (1991); Jura Soyfer & his Time (1995); Austria in Literature (1997. bzw. 2000); ferner folgende Sonderbande von MAL: Form and Style of Contemporary Austria Literature )1991) u. Austria Literature in Transition (1998). November 2019 11