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man das bombenwerfende Mädchen mit Lea Grundigs Zügen - ein Beispiel der vielen szenisch gebundenen Selbstbildnisse in ihrem Schaffen; es ist auch ein Ausdruck ihrer wehrhaften Haltung gegen die Nazimörder. Ben Shems Tagebuch befindet sich heute in der Gedenkstätte Yad Vashem. Die Zeichnungen zu diesem Buch hat Lea Grundig mit nach Deutschland gebracht unter dem Namen „Kleiner Ghettozyklus“. Ein Buch mit farbenfrohen Illustrationen ist das Jahrbuch für Kinder „Der Regenbogen“ aus dem Jahr 1946 von Naftali Melamed und Levin Avital (Kipnis). Neben Rätseln, Geschichten, Biografien und Liedern enthält es auch Bilder zu jüdisch-religiöstraditionellen Themen. Die Künstlerin zeichnete für den jüdischen Kalender die einzelnen Monate mit ihren Festen, z.B. das Laubhüttenfest, das Lichterfest, das Purimfest, das Erntefest, den Seder-Abend, aber auch die Ankunft der Flüchtlingsboote und den Hora-Tanz. Ein letztes Buch in dieser Aufzahlung mit Lea Grundigs Illustrationen heißt „Buchstaben erzählen“ und ist von Rose Wuhl, die aus Wien nach Palästina kam. Es sollte die Kinder mit dem hebräischen Alphabet vertraut machen. Jedem Buchstaben wird eine Geschichte zugeordnet, die bebildert ist und die beschriebenen Buchstaben sind mit großer Phantasie gestaltet. Sie sind als Initialen kunstvoll ausgeführt. Zwischen 1942 und 1948, während ihrer Emigration, illustrierte Lea Grundig etwa 20 Kinder- und Jugendbücher? mit etwa 350 Zeichnungen. Dabei zeigte sie ein breites Spektrum gestalterischer Fähigkeiten. Die Bücher mit ihren Illustrationen sind Erstausgaben. Sie gehören zu den Anfängen der hebräischen Kinderliteratur und dokumentieren den historisch wichtigen Zeitabschnitt vor der Staatsgründung Israels. Die Kinderbücher entstanden in der Zeit der Einwanderung der jüdischen Flüchtlinge aus Europa in den Vierzigerjahren. Sie wurden zum Unterricht in den jüdischen Kindergarten, Schulen und Kibbuzim gebraucht und sollten das Erlernen der gemeinsamen neuen Sprache, des Hebräischen, unterstützen. Die Illustrationen sollten den Kindern auch Hoffnung und ein neues Selbstwertgefühl vermitteln. Für die entstehende Nation in Israel war es trotz des Mangels und der Not der Anfangsjahre erforderlich, einen kulturellen Fundus in kurzer Zeit zu schaffen, zu dem auch die Kinder- und Jugendbücher gehören. Ein Hilferuf an die Welt Bereits in Haifa hatte Lea Grundig 1942 mit Zeichnungen zu einem Zyklus begonnen, den sie „Deutschland, ein Schlachthaus“ nannte. Lea Grundig, selbst eine Verfemte und Verfolgte, schildert in der Blattfolge den Leidensweg der europäischen Juden, ihre Verfolgung und Vernichtung, aber auch ihren Widerstand. Der Zyklus beginnt mit dem „Fluchenden im Tal des Todes“, er hat 17 Blätter und endet mit der Vision der Vernichtung des faschistischen Systems, Hitler am Schandpfahl, eingehüllt in die Hakenkreuzfahne, unter ihm ein Berg von Leichen, „Ewige Schande“ (1943). Obwohl Lea Grundig von ihrem Wesen her ein fröhlicher und optimistischer Mensch war, schrieb sie: „In mir war es düster, furchtbare Bilder bedrängten mich, Tag und Nacht, und ich nahm sie aus mir heraus und ich malte sie.“? Sie malte die Flüchtenden, die Viehwaggons, die Todeslager, Treblinka, die Blätter „Helft!“ 18 _ ZWISCHENWELT und „Öffnet die Tore!“, den Weg der Kinder ins Gas, den Sturz in den Abgrund, ins Bodenlose, aber auch den Widerstand, die Partisanen, die Revolte im Warschauer Ghetto, im Untergrund. Die Zeichnungen wurden als Buch mit dem Titel „In the Valley of Slaugther“ 1944 veröffentlicht. Der Dichter Shin Shalom Shapiro schrieb dazu den einführenden Text. Die Bücher gelangten nach Großbritannien, Südafrika und den USA und waren ein Hilferufan die Welt, Augen und Ohren nicht zu verschließen vor dem Morden und den furchtbaren Gräueln nicht tatenlos zuzusehen. Es sind eindrucksvolle Bilder, von großer gestalterischer Kraft, die an die Desastres de la guerra von Goya erinnern. Oskar Kokoschka, der das Buch in England im März 1945 vorstellte, schrieb, „... in diesen Blättern, die an die Gewaltigkeit eines Beckmann, an eine Käthe Kollwitz in ihrer Tragik und in ihrer Volkstümlichkeit an den lieben Berliner Zille, der ein scharfer Sittenrichter war, gemahnen, ballen Schatten und Licht sich zu Gestalten, die jedem unvergesslich bleiben müssen, dem der Kampf für die Befreiung der Völker von Unterdrückung, der Kampf gegen den Faschismus, kein Lippenbekenntnis ist.“!° Nach dem Krieg, Lea Grundig befand sich zu dieser Zeit noch im Exil, brachte der Schriftsteller Max Zimmering, ihr Cousin, bei seiner Rückkehr aus England die Mappen nach Dresden mit. 1947 erschien in Dresden im Sachsenverlag ein Nachdruck in deutscher Sprache mit dem Titel „Im Tal des Todes“. Der Dichter Kurt Liebmann schrieb die Einleitung und auch beeindruckende Texte zu den einzelnen Zeichnungen. Lea Grundig hat noch viele Zeichnungen zur Shoah geschaffen, wie den Zyklus „Niemals wieder!“ mit 29 Arbeiten und die Ghettozyklen. Darunter befinden sich so erschütternde Blätter, wie „Der Weg ins Gas“, „Erschießung“ oder „Kindertransport nach Auschwitz“. Sie entlarvt auch mit einer Zeichnung die „Kriegsverbrecher“ und klagt sie an. Sie war eine der Ersten, die das Thema Shoah bildkünstlerisch gestalteten, und in Israel war sie auch lange Zeit die einzige. Der Kunstwissenschaftler Wolfgang Hütt schreibt, dass diese Zyklen zu den klassischen Leistungen der antifaschistischen Kunst Europas und der deutschen Kunst dieser Zeit gehören." Porträts — Menschengesichte Schon seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit hatte Lea Grundig sich mit dem Porträtieren befasst. In ihrer Autobiografie schrieb sie: „Menschengesicht, unstillbar ist meine Lust, dich anzusehen in der unendlichen Vielfalt deiner Züge.“'? Im Exil in Palästina setzte sie diese hohe Kunst der Menschendarstellung und -charakterisierung fort. Großen Einfluss hatte dabei die Begegnung mit Hermann Struck, dem Meister der Porträtradierung und Porträtzeichnung, der schon 1923 aus Berlin nach Palästina ausgewandert war. Er lebte in Haifa und hatte eine Malschule gegründet, die auch Lea Grundig besuchte. Die Teilnahme Leas an den Atelierstunden bei Hermann Struck verändert auch ihre Porträtkunst. Die Zeichnungen werden subtiler, charakteristischer und psychologisch durchdrungener. Sie zeichnete mehrere Porträts ihres Vaters. Sie zeichnet einen Mann, der viel Leid und Enttäuschungen hinter sich hat, der alles verloren hatte, der im Konzentrationslager war und dem dort sein Hab und Gut mit Gewalt abgepresst wurde. Er ist voller Sorgen und Zweifel für die Zukunft, aber trotzdem hofft er, hier eine neue Heimat gefunden zu haben. Er ist jetzt arm, aber wenigstens ist