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Jahr später wurde Schwarzwald zum Staatsbeamten der neunten Rangklasse erhoben.” Im Jahr 1905 kam die Beförderung zum Direktor-Stellvertreter.”4 Angesichts seiner Aktivitäten und seines Engagements war es nur eine Frage der Zeit, dass er antisemitische Kritik auf sich zog. Zum ersten Mal brachte es Schwarzwald 1908 auf eine Titelseite, und zwar auf die des antisemitischen „Deutsches Volksblatts“ von Ernst Vergani. Grund war eine Annonce in mehreren „jüdischen Tagesblättern“, wie es hieß, in der nach Kanzleigehilfinnen gesucht wurde. Der Beamtenstatus des Handelsmuseums, der sich wie ein Ausschuß der israelitischen Kultusgemeinde liest, wurde vor mehreren Jahren wohl für definitiv erklärt.” Dabei seien einige langjährige Kanzleigehilfinnen übergangen worden. Die Wurzel des Übels lokalisiert das Blatt in Dr. Hermann Schwarzwald: Seiner unbegrenzten Willkür sind die armen Kanzlistinnen erbarmungslos preisgegeben. Er behandelt sie wie Schuhfetzen... Als „Sekkatur“ bezeichnet die Zeitung das Ansinnen, dass für eine eintägige Krankheit eine Arztbescheinigung verlangt werde. Dass Schwarzwald eine Kanzleigehilfin besonders fördert, weil sie „orientalischer Abstammung“ sei und außerdem im Mädchenlyzeum seiner Gattin gelernt habe, verstehe sich da von selbst. Diese Personalpolitik, meint die Zeitung, werde wohl so lange betrieben werde, bis die „weibliche Beamtenschaft des Handelsmuseums vollständig in den Rahmen einer Synagoge passt.“”° Im Jahr 1908 wird Dr. Schwarzwald das Ritterkreuz des Franz Josef-Ordens verliehen.?7 Für seinen im Mai 1912 in der „Österreichischen Rundschau“ veröffentlichten Artikel „Währungsreform und Geldverschlechterung“ wurde er mehrfach gelobt, so in der „Bukowinaer Post“”* oder auf der Titelseite des „Salzburger Volksblattes“. Anlass war die in jenem Mai erfolgte Herausgabe des neuen Zweikronenstückes. In seinem Artikel wies Hermann Schwarzwald nach, dass der Fiskus durch den verringerten Silbergehalt einen Gewinn von rund 125 bis 126 Millionen Kronen mache, was, wie das „Salzburger Volksblatt“ zitiert, „Kreditgeld im eminentesten Sinne“? sei. Mit seinem Artikel positionierte sich Schwarzwald in Fragen der Währungspolitik, eine Position, die mit „solider Metallwährung“ umschrieben werden kann. Im Gegensatz dazu stünde der Missbrauch des, wie er 14 Jahre später formuliert, Banknotenwesens, diese Pestilenz, die seit Anfang des Krieges den Ruin aller Wirtschaften bewirkt hat, aber sich schon vor dem Krieg unheilbringend angekündigt hat.*° Anlässlich des Todes des Oberkurators der Ersten österreichischen Sparkasse Dr. V. Nava rief Hermann Schwarzwald im November 1913 in einem Artikel im „Neuen Wiener Tagblatt“ dazu auf, dessen „regierungspapierene Gutachten“ hervorzuholen „und sich des getreuen Sachwalters der sparsamen und fürsorglichen kleinen Leute dankbar (zu) erinnern.“?' Das Thema der Schuldenwirtschaft behandelte Schwarzwald auch in der Zeitschrift „Der österreichische Volkswirt“.?? 1914 war er in die Gründung einer „Kriegs-Kreditbank“ (für den städtischen gewerblichen Mittelstand) involviert.?? 52 ZWISCHENWELT Hemme aus der Klemme Im Jahr 1914 analysierte Hermann Schwarzwald für die vom Handelsmuseum herausgegebene Zeitschrift „Österreichische Monatsschrift für den Orient“ die Währungsreform in China.™ Es kann hier nicht auf diese in der Fachwelt beachtete Studie eingegangen werden, doch ist die Beschäftigung mit diesem Thema auf ungewöhnliche Weise dokumentiert, womit auch gezeigt werden kann, dass Schwarzwald wirklich ein höchst untypischer Hofrat war. Es liegt eine Sammlung von Gelegenheitsgedichten Hermann Schwarzwalds vor, vor allem aus der Zeit von 1913 bis Kriegsende, und eines dieser Gedichte ist an „Joe“, die Englischlehrerin der Schwarzwaldschule Josefine Weissel, 1936 sollte sie auch deren Direktorin werden, gerichtet, die seine Studien ins Englische übersetzt hatte. Des alten Reiches Währungsreformierung siehst plötzlich du in deine Hand gegeben, vermöge deiner Stil- und Briefverzierung winkt Heilung jenem kranken Wirtschafisleben. Und quillt aus meiner Silber- Goldbegeisterung dem Geldprobleme Asiens endlich Heil, so hat doch deines Genius Sprachmeisterung am Glück des gelben Mannes redlich teil. Drum fahre fort, auf Englisch auszudrücken, was ich dem Haupte Chinas suggeriere, vereinten Kräften muss es endlich glücken, dass die Vernunft den Geldumlauf regiere. Im hiesgen China, unserem Vaterlande, gilt leider unsereins nicht als Prophet; so knüpf‘ ich eng mit Asien geist ge Bande, wo, sonderbar, die Luft noch frischer weht. Im sagenhaft verkomm'nen Reich der Mitte winkt eine Bresche für Vernunft und Freiheit, ich zeig die Einheit aller guten Sitte, der Menschheitsideale Einerleiheit. So biet‘ ich Schadloshaltung dem Chinesen für Weh, das ihm Europens Habgier schuf — die Solidarität der bessern Wesen zu stärken sei des edlern Geists Beruf. So zürne nicht ob dieser Dringlichkeiten, womit ich zehr‘ an deiner Anglicistik, - ich finde nicht im Nahen, nicht im Weiten was Ähnliches an Herz und an Linguistik. O tue, wie du gewohnt, und überschwemme mich mit werktätger Liebe, denn dieselbe bringt nicht bloß deinen Hemme aus der Klemme, nein, auch vierhundert Millionen Gelbe.” Die Schule Vom Beginn an unterstützte Hermann Schwarzwald das Schulprojekt seiner Frau nicht nur finanziell, sondern auch als Lehrender. So wird im ersten Jahresbericht des Mädchen-Lyzeums am Kohlmarkt 1902 erwähnt, dass er Nationalökonomie unterrichtet.” 1903 wird er als Dozent im Fortbildungskurs genannt.” In den wissenschaftlichen Fortbildungskursen 1904 unterrichtete er wöchentlich drei Stunden Philosophie und Rechtskunde und gab überdies eine Einführung in die Philosophie.** Im Jahr 1906 unterrichtete er neben Nationalökonomie auch Sozialökonomie.”