OCR
Bruno Schernhammer Großbrückenbaustellen an der Reichsautobahn waren in der Zeit des NS-Regimes nicht nur Orte, an denen Bauwerke errichtet wurden, sondern vielmehr Bühnen einer großen Inszenierung. Unter Einsatz aller Arten von Künsten wurden sie mittels der (neuen) Massenmedien als sichtbare Zeichen des friedlichen Veränderungswillens der nationalsozialistischen Bewegung über das ganze Land verbreitet. In Zeitungen wurden Anrainer ermuntert, die Baustellen und die neuen Barackenlager zu besichtigen. Über die Baustelle Aitertalbrücke berichtete der „Salzkammergut Beobachter“: Die Arbeiten an der Reichsautobahn zog ... viele Neugierige an. Besonders wird Alberndorf aufgesucht, denn hier soll ja eine 500 m lange Brücke ... Weiters werden ganz neue Siedlungen für die Arbeiter errichtet, die an Größe und Schönheit mit den umliegenden Ortschaften konkurrieren. Kraft-durch-Freude-Busse karrten Besucher aus entfernteren Orten heran. „Hier hat jeder ... reichlich Gelegenheit den Rhythmus der neuen Zeit, der nationalsozialistischen Zeit, zu schauen und zu bewundern.“ ? Künstler aller Couleur waren aufgerufen sich an Wettbewerben zu beteiligen. Die preisgekrönten Werke aus Malerei und Fotografie wurden in Illustrierten und Bildbänden ‚unter das Volk‘ gebracht, Hörspiele, Erzählungen und Gedichte in Radiosendungen vorgetragen, Filme wie „Straßen ohne Hindernisse“ in Kinos vorgeführt. Die Baustelle Almtalbrücke eignete sich bestens für Maler und Fotografen. Als Requisiten standen zur Verfügung: Der Fluss, der kurz nach der Baustelle über ein Wehr stürzt, „eine reizende kleine Holzbrücke“?, welche die beiden Ufer verbindet und die Alpen — Höllengebirge und Traunstein - als Hintergrund.‘ Im Deutschen Historischen Museum Berlin befindet sich ein Ölgemälde von 1,2 x 1,2 Metern. Im Zentrum des Bildes eine Baugrube, abgesichert mit eisernen Spundwänden gegen das strömende Wasser und den Baugrubenrand, dahinter ein hoher Kran, zwei Pfeilerstützen im Bau, ein schon fertig ausschender Pfeiler und die schier endlos in die Ferne ziehende Schotterstraße. Am rechten Rand mittig erkennt man die Schaumkronen des Wehrs, links oben das felsige Gebirge, davor eine Waldlandschaft. Das Rostbraun der Spundwände steht im Kontrast zu den vielen Blau-Grünschattierungen des Flusses und dem nicht weniger farbenprächtigen Grün der Wiesen, Buschhänge und Wälder. Keine Ortschaft ist zu erkennen, kein Kirchturm, einzig zwei langgezogene Holzbaracken ragen links oben ins Bild. Die Monumentalität des Brückenbaus wird an der Kleinheit der Arbeiter deutlich. Winzige Gestalten stehen in der Baugrube und rund um die eingerüsteten Stützen. Das Gemälde ist mit 1940 datiert. Das Bild stammt von Erich Mercker, den Wikipedia als einen „der bedeutendsten Industriemaler des 20. Jahrhunderts“ ausweist. Mercker war ein gefeierter Künstler, der sich ab den 1930er-Jahren auf Industriegemälde konzentrierte. Auf der Weltausstellung 1937 in Paris erhielt er für seine vier monumentalen Werke (5 x 4 Meter) die „Große Goldene Medaille“. Eines davon zeigt den Bau einer Brücke in den Alpen, der Pfannlochbrücke bei Bad Reichenhall, ein zweites das Schiffshebewerk in Niederfinow. Seine Werkschau liest sich wie eine Aufzählung der großen Brücken an der Reichsautobahn: Mangfallbrücke, Teufelsbrücke an der Saale, Drachenlochbrücke bei Stuttgart, Erich Mercker: Ponte sulla valle dell’ Alm, 1942. 16 _ ZWISCHENWELT 1 Werrabrücke bei Kassel. Das Gemälde der Almtalbrücke wurde 1942 auf der XXIII Biennale in Venedig unter dem Titel „Ponte sulla valle dell‘ Alm“ ausgestellt, zusammen mit einem zweiten, dessen Titel: „Cave di marmo a Flossenbürg“. Aufletzterem Bild sind mächtige Steinblöcke zu erkennen, eine Steinplatte wird mit Hilfe eines Kranes aufgehoben, im Hintergrund eine Waldlandschaft und ein Fluss. Arbeiter in blauem Arbeitsgewand bearbeiten die großen Blöcke oder tragen kleinere weg. Wenig deutet darauf hin, dass es sich um Häftlinge eines Konzentrationslagers handelt. Anmerkungen 1 Salzkammergut Heimatblatt Nr. 20/1938, S. 11. Eberstallzell (Reichsautobahn). 2 Salzkammergut Heimatblatt Nr. 33/1938, S. 9. Die Bagger dröhnen ... Vom Bau der Reichsautobahn bei Vorchdorf. 3 Salzkammergut Heimatblatt Nr. 19/1939, S. 4. 4 Der Aitertalbrücke, der längsten Brücke, fehlte der Fluss; der Ennsbrücke das nahe Gebirge. 5 https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Mercker Abfrage 12.12.2019. 6 Quelle: www.germanartgallery.eu/m/Webshop/0/product/ info/Erich_Mercker,_Autobahnbr%C3%BCcke&id=96 Abfrage 12.12.2019.