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erauch moderate SozialdemokratInnen dazu. Über Rinnan heißtes, Heinrich Himmler habe mit ihm den nützlichsten Nicht-Deutschen in ganz Nordeuropa gehabt. Ich bin der Meinung, dass „Vergesst unsere Namen nicht“ ein besonders gelungenes Beispiel eines entpolitisierenden, individualisierenden und relativierenden historischen Romans darstellt. Die Idee des Autors, sich mit Hilfe des ABC - der Roman ist wie ein Lexikon von A bis Z gegliedert - durch sämtliche Assoziationen zu hangeln, liefert nicht nur ÜbersetzerInnen eine knifflige Aufgabe, er schafft sich damit die Schnürchen, an denen er - sollte die eine oder andere Kritik kommen - zupfen und mit Hilfe derer er sich selbst als Marionette hochheben kann: Ich war's nicht. Es war eine Assoziation. Die Assoziationen sind von dieser Art: A wie Anklage. A wie Aussage. A wie Arrest. A wie alles, was verschwinden und in Vergessenheit fallen wird. [...] Eines Tages wird es geschehen, eines Tages wird für uns alle der letzte Tag kommen, ohne dass wir wissen, welcher es ist oder auf welche Weise das Leben enden wird. |...] Vielleicht werde ich von einem Eiszapfen getötet, der von der Dachkante eines Häuserblocks fallt [...] während zufällige Passanten sich ineinem Halbkreisummichscharen. Zufällige Zeugen, die unvermittelt an den Abgrund erinnert werden, der sich stets neben jedem Einzelnen von uns befindet |...]. Darauflässt der Autor den Hinweis folgen, dass in der jüdischen Tradition ein Mensch „zweimal stirbt“, einmal, wenn er stirbt, ein zweites Mal, wenn sein Name nicht mehr genannt wird. (S. 6) Mit diesem A leitet er im Buch die Stolpersteine ein, die uns zu Hirsch Komissar führen. Hirsch Komissar wird am 12. Jänner 1942 verhaftet. An diesem Tag ist er von der Gestapo zum Verhör beordert worden. Am Telefon mit dem Sicherheitsdienst lässt ihn der Autor über seine Frau sinnieren, wie sie, Marie (die nach einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus liegt) bloß nur so dumm sein konnte, mit hochhackigen Stiefeln bei Glatteis auf die Straße zu gehen. Mit Hirsch ist der Autor das gesamte Buch hindurch auf Du und Du: Sobald du auch nur andeutest, dass sie etwas anders machen sollte, dass sie vielleicht etwas vorsichtiger sein und nicht immer diese Beiträge in den Zeitungen schreiben oder zu Hause diese Treffen abhalten sollte, bei denen politische Fragen diskutiert werden, antwortet dir Marie mit einem verächtlichen Schnauben. (S. 11) Dies lässt Stranger Hirsch Komissar während des Telefonats denken; es ist die einzige Stelle im Buch, wo zu lesen ist, was Marie tat. Im weiteren Verlaufwird Marie nur mehr die tüchtige, elegante Geschäftsfrau sein. Wer waren Hirsch und Marie Komissar aber? Wir werden es nicht erfahren. Der Autor konzentriert sich darauf, darzustellen, was er selber denkt, dass Hirsch denkt. Wenig erfahren wir über Leben und Wirken von Hirsch Komissar, auch wenn der Autor am Buchende beteuert: „Lieber Hirsch. Wir werden weiter deinen Namen sagen.“ Auf no.wikipedia ist zu lesen: Der erfolgreiche Geschäftsmann Hirsch Komissar engagierte sich im öffentlichen Leben, gründete eine zionistische Gruppe in Trondheim, die er auf internationalen Kongressen der Zwischenkriegszeit vertrat. Gemeinsam mit seiner Frau Marie verfasste er Beiträge über Religion und Politik für die Tagespresse und debattierte in der Studentenschaft (Studentersamfundet) in Trondheim. Simon Stranger macht uns leider weder Artikel noch Vorträge von Marie und Hirsch Komissar, noch Berichte über sie zugänglich. Die Studentenschaft in Trondheim ist die drittälteste in Norwegen, Trondheim ist die drittgrößte Stadt Norwegens, Hauptstadt Mittelnorwegens, per Verfassungvon 1814 Krönungsstadt, jüdische Gemeinden bestanden — und bestehen wieder - in Norwegens Hauptstadt Oslo und in Trondheim. Sollte es tatsächlich keine schriftlichen Dokumente geben? Die jüdische Gemeinde in Norwegen zählte zu den kleinsten in Europa, Juden hatten im Wirtschaftsleben wenig Gewicht - außer in Trondheim in der Konfektionsbranche, eben jener Branche, in der Hirsch und Marie mit ihrer Boutique Paris Wien AG tätig waren. Selbst, wenn es tatsächlich keine Literatur mehr von und über das Ehepaar Komissar geben sollte: Warum erzählt der Autor nicht von seiner Suche danach? Ganz anders gestaltet sich sein Eifer nämlich, wenn es um eine mögliche Verbindung zwischen Henry Rinnan und Maries Bruder David Wolfsohn, der von den Deutschen nach einem Scheinprozess am 7. März 1942 erschossen wurde, geht: Stranger fängtgeradezu Feuer angesichts der „Möglichkeit“, dass Rinnan auch für die Verhaftung von David Wolfsohn verantwortlich gewesen sein könnte: „M wie die Möglichkeit, die sich eines Vormittags plötzlich für mich eröffnet, als ich in deiner Geschichte grabe. Wer hatte dieses Gespräch in der Kaffıstova belauscht? [...].“ Stranger kommt zum Schluss: „Es war Rinnan.“ Seine Frau unterstützt den Autor bei der Suche. Diese bleibt erfolglos. Trotzdem beschreibt der Autor seine Fantasieszene mit Rinnan und denkt sich, was Rinnan denkt: „... bestimmt Juden“, denkt er-denn: „Sein Blick fälltaufeine Gruppe von Männern mit dunklem Haar und braunen Augen“ (S. 217), „Er sicht, wie David gegen die Seiten seines Mantels klopft, im Takt irgendeines fremdartigen jüdischen Lieds, das er pfeift. Jetzt werden wir mal schen, wo du hingehst, du kleiner Kommunistenfreund, denkt Henry [...]“ (S. 218). Wer nun aufgrund des Wortes „Kommunistenfreund“ die Hoffnung hegt, im Laufe des Romans Substanzielles über David Wolfsohn zu erfahren, wird enttäuscht. Der Autor kommt über „kommunistische Neigungen“ (S. 218) und „kommunistische Sympathien“ (S. 10) nichthinaus. Marie Komissars Bruder David Wolfsohn aber war vor seiner Verhaftung 1942, auf die sich Stranger bezicht, schon einmal verhaftet worden, nämlich im Jänner 1941 und dahheißt es im Tätigkeitsbericht der SIPO/SD: Am 7.1.41 wurde der norweg. Jude David W ol fs o hn, geb. am 21.1.1900 in Trondheim, vom EK Trondheim festgenommen, weil er seinem Nachbarn, der einen deutschen Wehrmachtsangehörigen zu sich eingeladen hatte, durch die Tür zugerufen hat: ‚Es ist ein Skandal, daß Ihr einen deutschen Offizier zu Euch einladet; das muß abgestellt werden. ‘W. Ist als Hetzer gegen die deutsche Wehrmacht bereits bekannt geworden. (Bruland 2019, S. 159) Grund der Verhaftung 1941 war also der „holdningskamp“ (Haltungskampf), der in Norwegen nach dem Überfall durch das „Jausendjährige Reich“ weitverbreitete zivile Widerstand gegen Nationalsozialismus und Nazifizierung der norwegischen Gesellschaft. Zum „holdningskamp“ gehörte, zu Nationalsozialisten und zur Besatzungsmacht größtmöglichen Abstand zu wahren-und dies auch den eigenen Landsleuten zu signalisieren: Wer kollaborierte, galt als LandesverraterIn. Diese Form des zivilen Widerstands spart Stranger gänzlich aus, und darüber hinaus verkommt bei ihm der norwegische Widerstand zur reinen Kulisse für Rinnan und seine Bande, wir lesen Sätze wie: „T wie Telefongespräch. Drei Leichen liegen im Keller [...] und schließlich noch Dagfınn Froyland, der Widerstandskämpfer, den sie am selben Abend ermordeten, da er Zeuge des Ganzen geworden war.“ ($. 309) Über Solveig erzählt Stranger wie folgt: Bjarne Asp (Henry Rinnan unter falschem Namen) „hat ein Verhältnis mit einer Frau namens Solveig, die im norwegischen Widerstand aktiv ist und zwei Brüder hat, die das Gleiche tun. Bjarne Asp hilft ihr, stellt Listen zusammen, nimmt an Treffen teil, hat Sex mit ihr [...].“ Nach sechs Monaten erzählt ihr Rinnan die Wahrheit. „Er könne verhindern, dass ihre Familie verhaftet wird, vorausgesetzt, sie schließe sich ihm an. [...] Solveig erklärt sich dazu bereit. Es wird Sommer, und es wird Herbst im Jahr 1943.“ Solveig lebt nun mit ihrer achtjährigen Tochter gemeinsam mit Rinnan im Bandenkloster, und „arbeitet für den Rest des Kriegs März 2020 49