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Blanker Zynismus ist die Forderung, nicht „über den Umweg einer Diskussion über Peter Handke die versäumte Auseinandersetzung mit einem aufserhalb der betroffenen Länder ansonsten ganz und gar verdrängten Kapiteljüngerer europäischer Geschichte nachzuholen“. Wenn die schrecklichsten Verbrechen der europäischen Nachkriegsgeschichte hierzulande tatsächlich „ganz und gar verdrängt“ sind, wäre es doch sinnvoll, die Gelegenheit zur Auseinandersetzung tunlichst zu nützen! Unfreiwillig gemahnt die „Erklärung“ dadurch an einen anderen Fall von Verdrängung, der mit dem Namen Kurt Waldheim verbunden ist. Daß sich in der Kritik an Peter Handke ein „Wille zur Illiberalitat“ manifestiere, wie es am Ende der „Erklärung“ heifst, ist hoffentlich bloß polemisch gemeint. Die KritikerInnen Handkes dürfen bei dergleichen bedenkenloser Wortwahl als Glück schätzen, nicht auch noch als Rassisten beschimpft zu werden. Eine poetische Stelle hat die ansonsten im Stil routinierter gewerkschaftlicher Empörung verfafste „Erklärung“ auch, wenn vom „störenden Einfluss in öffentlichen Auseinandersetzungen“ die Rede ist. Alles was Flügel hat, flieff. Ich erhielt darauf einige Zustimmung, aber auch gewichtigen Widerspruch des Handke-Forschers Hans Höller (Salzburg), der mich, um meinen Protest nachvollziehen zu können, aufzuzeigen ersuchte, was er bei seiner „Handke-Lektüre“ übersehen habe. Ihm musste ich antworten, es gehe hier nicht um „Handke-Lektüre“, sondern um die Lektüre jener „Erklärung“, die er (Hans Höller) ja unterschrieben habe. Fast fühlte ich mich angesichts der Erklärung sogar versucht, Handke vor seinen FürsprecherInnen in Schutz zu nehmen. Allerdings argumentiert Handke ähnlich wie sie. Die „Frankfurter Allgemeine“ vom 20. November zitiert aus einem Interview Handkes mit Ulrich Greiner: Kein Wort von dem, was ich über Jugoslawien geschrieben habe, ist denunzierbar, kein einziges. Das ist Literatur ... Ähnlich wie in der „Erklärung“ wird hier versucht, „Literatur“ dem politischen Urteilzu entziehen. Vielleicht hatte Handke dabei auch im Hinterkopf, er könne nach französischem Recht wegen Leugnung eines Genozids belangt werden. In dem Interview kritisiert Handke auch das deutsche Vorgehen im Dezember 1991: Sonja PleBl Filmkritik: Born in Evin Vorweg: Maryam Zaree will nicht in den Iran reisen. Wollte sie es — der Film wäre nicht gedreht worden. Die deutsch-österreichische Koproduktion „Born in Evin“ hatte am 19. Februar 2020 im Stadikino in Wien in Anwesenheit der Regisseurin Maryam Zaree und der österreichischen ProduzentInnen Arash T. Riahi, Sabine Gruber und Karin C. Berger Premiere. Ihre Mutter sagte 1992 beim Iran Tribunal in Den Haag aus. Trotzdem spürte Maryam schon als Kind, welche Fragen sie nicht stellen sollte: jene über ihre Geburt und die Babyjahre. Versehentlich erfährt Maryam aber von einer Tante in Paris, dass sie im Foltergefängnis Evin auf die Welt kam. Wer entschied wann und warum, dass sie frei kam? Was wusste dieses kleine Kind, das Maryam nicht mehr weiß? Denn sie hat keinerlei Erinnerungen an das Gefängnis. Meint sie. Bis sie im Bus in Marokko sitzt, ihr 64 ZWISCHENWELT Wie konnte Deutschland Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina anerkennen, wenn aufdem Gebiet mehr als ein Drittelorthodoxe und muslimische Serben lebten? So entstand ein Bruderkrieg, und es gibt keine schlimmeren Kriege als Bruderkriege. Ein solches Gemisch aus Unsinn und Halbwahrheit wird nicht nur von Handke verbreitet. Nur so viel: Handke ersucht um Verständnis für den serbischen Überfall auf Ostslawonien und andere Gebiete Kroatiens im Jahr 1991. Mehr als ein Drittel „orthodoxe Serben“ („muslimische Serben“ finde ich nirgends ausgewiesen) lebten aber nur in Teilen Kroatiens, nämlich in Ostslawonien und in dem Gebiet um Knin, der sogenannten Krajna. Aufganz Kroatien bezogen, machte der serbische Bevölkerungsanteil 1991 erwa 10, in Slowenien keine 5 Prozent aus. Der „Bruderkrieg“, dererstdurch die Anerkennung von Slowenien und Kroatien durch Deutschland entstanden sein soll, war schon davor in vollem Gange und in Slowenien schon wieder beendet. Und das Recht auf Sezession war in der jugoslawischen Bundesverfassung verankert. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 29.10.2019 schreibt der deutsche Schriftsteller Marko Martin („Wenn Tatsachen zu Meinungen schrumpfen — der ‚progressive‘ Diskurs zur Causa Handke krankt an einem alten deutschen Laster“): Verblüffend, wie wenig neu der derart freihändige Umgang mit Fakten ist. Schon im Jahre 1949, bei ihrem ersten Deutschlandbesuch nach ihrer Flucht nach Frankreich und in die USA, kam die Philosophin Hannah Arendt zu einem Fazit, das inzwischen aktueller denn je ist: „Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen umzugehen, als handele es sich um blosse Meinungen. Dies ist ein ernstes Problem, nicht allein, weil Auseinandersetzungen dadurch oftmals so hoffnungslos werden (man schlepptja normalerweise nicht immer Nachschlagewerke mit sich herum), sondern vor allem, weil der Durchschnittsdeutsche ganz ernsthaft glaubt, dieser allgemeine Wettstreit, dieser nihilistische Relativismus gegenüber Tatsachen sei das Wesen der Demokratie. Tatsächlich handelt es sich dabei natürlich um eine Hinterlassenschaft des Naziregimes.“ der Schweiß ausbricht, sie keine Luft bekommt, ihr der Verstand zu entgleiten droht, sie sich ein Handtuch um die Ohren wickelt und den Busfahrer anschreit, er solle die Musik abdrehen, ohne zu verstehen, was in diesem Moment mit ihr passiert. Ihr Vater, der sieben Jahre auf seine Hinrichtung wartete und das Massaker von Evin 1988 überlebte - Chomeini hatte eine Fatwa zur willkürlichen Tötung politischer Gefangener erlassen, „die auf ihre Position als Heuchler besteh[en]“ -, wird ihr später erzählen, dass das ununterbrochene Abspielen von Koransuren über Lautsprecher, Tag und Nacht, zu den Foltermethoden im Gefängnis gehörte. Maryam Zaree trifft zweijährig an der Hand ihrer zwanzigjährigen Mutter Nargess am 24. Dezember 1985 am Frankfurter Hauptbahnhofein. Jahrelang wird sie ohne ihren Vater aufwachsen, wird sie bloß seine Stimme am Telefon hören können, ohne zu erfahren, warum. Nargess schlägt sich durch, studiert, promoviert, wird Psychotherapeutin und Politikerin. 2018 tritt Dr. Nargess Eskandari-Grünbergzur Wahl für das Amtals Oberbürgermeisterin