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2 Claus Gatterer: Südtirol und der Rechtsextremismus. In: DÖW: Der Rechtsextremismus in Österreich nach 1945. Wien 1979. Wiederabdruck in: C. Gatterer: Aufsätze und Reden. Bozen: Edition Raetia 1991, S. 285-309. 3 Ich verwende hier die vom Autor benutzte männliche Bezeichnung - zur Frage von Rechtsextremismus und Geschlecht komme ich im zweiten Teil der Besprechung. 4 Ausführlich dazu u.a.: Peterlini, Hans Karl: Südtirols Bombenjahre. Von Blut und Tränen zum Happyend. Edotion Raetia. Bozen 2005. Ders.: Bomben aus zweiter Hand. Zwischen Gladio und Stasi: Südtirols missbrauchter Terrorismus“, Edtion Raetia, Bozen 1993 (4. Auflage). 5 Ignazi, Piero: Lestrema destra in Europa. Mulino. Bolgna 1994. 6 Caldiron, Guido: La destra plurale. Dalla ,,preferenza nazionale“ alle „tolleranza zero“. Manifestolibri. Roma 2001; https://www.libreriauniversitaria.it/destra-pluralepreferenza-nazionale-tolleranza/libro/9788872851968 7 Heiko Koch: CasaPound und Italia. Faschistisches Hybrid. 10. Mai 2016; online unter: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=29159 8 Gerhard Mumelter: La casa di Casapound. In: Salto. 21.6.2019, online: https://www.salto.bz/de/article/21062019/la-casa-di-casapound 9 Zur Autobiographie von Mary de Rachewiltz: Discretions. Boston: Little Brown 1971; Deutsch: Diskretionen. Erinnerungen der Tochter Ezra Pounds. Innsbruck: Haymon 1993. Vortrag von Naya Kamenou in der Frauenhetz, Wien im Juni 2019: Female Political Subjectivities and Agency in the Greek Far-Right. 10 Zum dort seit 2007 stattfindenden Festival gegen Rechts siehe: https://www.forstrock.de/ 11 Fachstelle für Gender, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus; siehe: https://www. amadeu-antonio-stiftung.de/projekte/fachstelle-genderund-rechtsextremismus/ — Ausführlich zu Frauen und Rechtsextremismus siehe die Broschüre des Vereins „Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e. V.“ im Auftrag des Landesfrauenrates M-V e. V. Amadeu Antonio Stiftung 2015, online unter: https://www. amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/lola/rechtefrauen-in-mv_internet.pdf [Zugriff: 30.8.19]. Versuch einer Besprechung Eine wertvolle Briefedition, herausgegeben mit kenntnisreichen Kommentaren durch Paul Michael Lützeler. Dieser ist ein ausgewiesener Kenner von Brochs Lebenswerk, zumal er nicht nur 1985 eine Biografie desselben veröffentlicht hat, sondern 1974-1981 auch eine kommentierte Werkausgabe in 13 Bänden bei Suhrkamp und 1986 die Korrespondenz Brochs mit Volkmar von Zühlsdorff. Der deutsche Romancier und Essayist Franz Thiess (1890 — 1977) war Vizeprasident der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und vom Frühjahr 1955 bis zum Sommer 1964 auch Leiter der Klasse Literatur. Diese enge Verbindung von Franz Thiess zur Mainzer Akademie legte es nahe, die Korrespondenz zwischen ihm und Hermann Broch mit Band 19 der Mainzer Reihe zu veröffentlichen. Der nun herausgegebene Briefwechsel wurde von Frank Thiess selbst durch eine sorgfältige Sammlung von Originalen oder Durchschlägen und deren Übergabe in Archive vorbereitet. Seine Briefinhalte bestimmen die Gewichtung dieses Buches, machen es zu einem politischen Buch mit Zündstoff für kritische Diskussionen, beispielsweise über Vertreter oder Werke der sogenannten „Inneren Emigration“, zu deren Wortführern er zählte. Dies sei vorangestellt angesichts der zu erwartenden Irritationen über manche der getroffenen und teils rigorosen Aussagen des in der Nachkriegszeit an führender Stelle für Lehre und Forschung Verantwortlichen. Besonders seine jüdische oder linke Schriftsteller und Verlage betreffenden und die Umstände wie Folgen von Verfolgung und Vertreibung durch Organe des Hiderstaates negierenden Ausführungen - auch gegenüber dem ihm freundschaftlich verbundenen österreichischen Schriftstellerkollegen Hermann Broch - fordern weitere Kommentierungen. Warum Broch aber dazu weitgehend schwieg, ob aus Höflichkeit oder regelrechter Angst vor Dissonanzen in der Beziehung zu dem verehrten Freund, bleibt offen. Er verleugnet hier geradezu seine jüdische Herkunft, die auch von hiess nie angesprochen wird - vielleicht, weil Broch bereits 1909 zum Katholizismus konvertiert war. Auch den Holocaust haben scheinbar beide nicht thematisieren wollen. Verwundert darüber verweist der Herausgeber auf andere Quellen, denn Hermann Broch litt eigentlich sehr unter der Angst vor dem immer latenten brutalen Antisemitismus. Weshalb er nach dem Krieg nicht nach Osterreich oder Deutschland zuriickkehren wollte, hat er in den Briefen an Volkmar Zühlsdorff, dem Sekretär der American Guild, erläutert. Im Winter 1928/29 begegnete der 42-jährige Hermann Broch dem bereits recht anerkannten deutschen Schriftsteller Frank Thiess und bat diesen um eine Begutachtung einer Novelle. Es war der erste Teil seiner späteren Romantrilogie, die Broch unter dem Titel Die Schlafwandler viel Lob und Anerkennung brachte. Er hatte zwei Jahre zuvor seine Textilfabrik verkauft, um sich fortan ganz der literarischen Tätigkeit widmen zu können, war aber noch unsicher bezüglich seiner Fähigkeiten. Mit dem nur wenig jüngeren, aber bereits erfolgreichen hiess, der sofort vom Talent Brochs überzeugt war und ihn ermutigte, entwickelte sich bald ein weiterführender brieflicher Gedankenaustausch, der außer Themen und Problemen ihres literarischen Schaffens auch profane Alltagsfragen wie die Beratung bezüglich verlegerischer Bindungen einschloss. Dieser Teil des Briefwechsels dürfte besonders Literaturwissenschafler aufgrund der zwischen den beiden Schriftstellern erörterten Detailfragen interessieren, zumal beide freimütig-kritisch auch Entwicklungsstufen ihrer literarischen Projekte erörterten. Broch erscheint dabei aber weitgehend als ein den Meister um Rat Bittenden, dessen Anerkennung Suchenden. Als die politische Situation in Deutschland wie auch in Österreich infolge der anwachsenden nationalistisch-rassistischen Bewegung sich bedrohlich auf die Freiheit der Literatur und Kunst auszuwirken begann, antwortet Broch oft nur zurückhaltend auf Äußerungen von Thiess, der sich zunächst mit dem Regime der Nazis zu arrangieren versuchte. So beispielsweise auch, als dieser sich brieflich am 6. April 1933 über seines Verlegers Zahlungsschwierigkeiten mokierte, weil „Zsolnay allem Anschein nach so blind [sei], dass er, der auf den deutschen Markt angewiesen ist, nicht sieht, wie seine miserable Produktion ihn in den (keineswegs unmöglichen) Boykott hineintreibt: Mit Emil Ludwig, Wilhelm Herios, Jean Richard Bloch, Otto Zarek, H.C. Jakob, Lilli Grün — alles Juden und was für welche! Dazu kommen Ausländer [...] Ein großer Verlag kann wohl nicht gut ziel- und sinnloser geführt werden“ (S. 219). Broch schien nicht berührt von dieser offensichtlichen antisemitischen Attacke, bot Thiess sogar seine Hilfe bei der Vermittlung zu Zsolnay an. Mit einer persönlichen Begegnung Anfang Dezember 1936, dokumentiert auch durch das dabei entstandene Foto, welches u.a. für den aktuellen Bucheinband der Briefedition verwendet wurde, erreichte die Freundschaft eine neue Stufe, besiegelt fortan auch durch das persönlichere Du der Anrede. hiess schrieb danach am 5. Januar 1937 noch aus BerlinCharlottenburg nach Wien: „Liebster, bester Freund. Die Welt bekommt ein immer medusenhafteres Gesicht und ich erwarte nichts Gutes von diesem Jahr.“ Doch noch standen die Schaffensprobleme im Vordergrund. 1936 wurde bei Zsolnay hiess‘ überaus erfolgreich werdendes (Kriegs)Buch 7sushima ausgeliefert. Der Roman über den Seekrieg 1904/05 bewog Broch trotz seiner allgemeinen Bewunderung zu kritischen Finwänden: Am 20. Oktober 1936 gratuliert er zunächst allgemein zum Erscheinen des Buches, fügt aber hinzu: „Obwohl ich es in einem Zug gelesen habe [...] hatte ich das Gefühl in etwas hineingerissen zu werden, gegen das ich mich heftigst zu wehren habe, nämlich Kriegsgegebenheiten mit sympathisierenden Augen zu betrachten [...] und obwohl es ein ganz hervorragendes Buch ist, bleibt für mich das schwere Missbehagen [...] und mir graust vor den patriotischen Schlagworten, die in sie eingebaut werden.“ Nach dem März 1938 ist der zunehmend isolierte, doch bisher unbehelligt gebliebene Schriftsteller Broch zur Emigration gezwungen. ‘Thomas Mann und Albert Einstein bürgen für ihn in den USA, wodurch er das Einreisevisum März 2020 7/1