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noch in der Reihe anders erinnern im Verlag der Iheodor Kramer Gesellschaft erscheinen werden. Unsere Zusammenstellung ergab zugleich eine Fortsetzung, bzw. Ergänzung des ZW-Schwerpunktheftes „Exil und Widerstand in Frankreich“ vom Mai 2016. In diesem fanden sich Berichte und Aufsätze über Goetz Mayer, Theodor Kramer, Ruth Tassoni, Artur Rosenberg, Conrad H. Lester, die SurrealistInnen, Otto Kallir, Greta Freist, Maria Leitner sowie eine ausführliche Frankreich-Chronik. Weiters wurde in der Vorbemerkung die Entwicklung in Bezug auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Nazi- und Vichy-Zeit in Frankreich und jene der österreichischen Exilforschung zum Fluchtland Frankreich aufgezeigt. Dabei wurde auf die Bedeutung Michel Cullins als kritischer Analytiker und Vermittler zwischen Frankreich und Österreich hingewiesen. Michel Cullin war Politologe und Germanist. Und es ist wohl dieser Mischung zu verdanken, dass er sich gleich nach seinem Studium Ende der 1960er-Jahre mit den wohl brennendsten Fragen der Zeit, nämlich jenen zum NS-Terror, zum Widerstand, zur Kollaboration, zum Exil auseinandersetzte und bald ein wichtiger Vermittler zwischen den nicht gerade zahlreichen KollegInnen in Frankreich, Deutschland und Österreich wurde, die sich, wie er selbst, diesen meist unangenehmen Fragen stellten. Ob als Lehrender an Universitäten in Wien, München, Orleans, Heidelberg, Leipzig, Jena, Pristina oder an der Wiener Diplomatischen Akademie, ob als Journalist, als Direktor des französischen Kulturinstituts in Wien, als französischer Kulturattache in Berlin, als stv. Generaldirektor des Deutsch-Französischen Jugendwerks, als Leiter der Felix Kreissler Forschungsstelle, als Verfasser, Herausgeber, Nach- und Vorworteschreiber, ob als überzeugter Sozialist, als überzeugter Europäer, seine Arbeit war zutiefst und anhaltend bestimmt, den brennenden Fragen nachzugehen und, ganz im Sinne des von ihm verehrten Paul Ricoeur, nicht vom „travail de mémoire“ zu lassen. Im Nachwort zu den Erinnerungen des französischen Zwangsarbeiters Robert Quintilla schrieb Michel Cullin 2006 über die Bedeutung von „ungeschminkten Zeitzeugnissen“: [Bei diesen geht es] zunächst darum, politisch die „schwarzen Löcher‘, die dunklen Aspekte der französischen und der österreichischen Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg zu orten und zu diskutieren. |...] Bisweilen wird in der Diskussion der Einigungsprozess Europas vereinfachend als ein Produkt verschiedener ökonomischer und machtpolitischer Faktoren dargestellt. Man darf jedoch nie übersehen, dass die gemeinsame Ablehnung von Krieg und Nationalsozialismus die eigentlichen Wurzeln bildet, aus welcher der europäische Einigungsgedanke gewachsen ist. Die „memoire“ der französischen Zwangsarbeiter in Österreich leistet wie die „memoire“ der österreichischen Widerstandskämpfer in Frankreich einen wichtigen Beitrag zu einem „patriotisme de la mémoire valant comme constitution de l’Europe“, wie Bernard Henri Levy es einmal formuliert hat. (Michel Cullin: Französische Zwangsarbeiter in Österreich. Eine diffuse Erinnerung. In: Robert Quintilla: Ein Gallier in Danubien. Erfahrungen eines Zwangsarbeiters unter dem NS-Regime. Wien 2006, S. 232) In diesem Sinne hatten Michel Cullin die ,,mémoire“-Stiicke österreichischer Flüchtlinge und WiderstandskämpferInnen in Frankreich, die in vorliegendem Heft publiziert werden, sicher beeindruckt. Begrüßt hätte er auch die 2017 erschienene Edition der Lebenserinnerungen Franz Mareks (hg. von Maximilian Graf und Sarah Knoll) und die von Ina Markova verfasste „politische Biografie“ Tilly Spiegels (2019). 18 _ ZWISCHENWELT — mis sen Gruber Michel Cullin und Primavera Driessen Gruber bei der Präsentation von Douce France? Musik-Exil in Frankreich / Musiciens en exile en France 1933 -1945, Wien 2008. Les Bücherons de Cazaux-Debat des Autrichiens dans la Resistance 1934-1945 Francoise Bouygard Aa Editions Tirésias ’ Österreichische Flüchtlinge in der französischen Resistance — ein wichtiger Überblick von französischer Seite. Das Projekt „Zur Biographik und Autobiographik von Verfolgung, Widerstand und Exil: Sichtung und Bearbeitung eines Bestandes an unveröffentlichten Dokumenten österreichischer Exilierter“ wurde aus Mitteln der Magistratsabteilung 7— Kultur, Wissenschafts- und Forschungsförderung der Stadt Wien finanziert und am Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung (Forschungsbereich Kulturelles Erbe: Biographik und Editionen) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften abgeschlossen. .. ÖSTERREICHISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN