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Herbert Traube Aus dem Französischen von Sonja Pleffl in Zusammenarbeit mit Konstantin Kaiser und Alexander Emanuely Die Übersetzung aus dem Französischen wurde vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert. Die französische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel „Une odyssee peu commune de Vienne 4 Menton. Le parcours d’un jeune juif ne autrichien, francais ‚non par le sang regu, mais par le sang verse‘“. Herausgegeben von Site-M&morial du Camp des Milles. Musee d’histoire et des sciences de Homme (Aix-en-Provence). Zum Autor Herbert Traube wurde am 15. Juli 1924 in Wien geboren. Der Vater, aus Galizien zugezogen, war Zahntechniker. Die jüdische Familie lebte bis zum März 1938 in bescheidenem Wohlstand. Am 28. April 1938 wird Traube aus dem Gymnasium ausgeschlossen. Beim Novemberpogrom wird sein Vater festgenommen und nach Dachau deportiert. Zusammen mit seiner um zwei Jahre älteren Schwester kommt Traube Anfang 1939 mit einem Kindertransport des Roten Kreuzes nach Brüssel, wo er eine Lehre als Zahntechniker beginnen kann. Den Eltern gelingt Monate später der illegale Grenzübertritt nach Belgien. Die Schwester kann 1939 noch vor Kriegsausbruch nach Palästina weiteremigrieren. Zusammen mit der Mutter flüchtet Traube vor der heranrückenden Wehrmacht im Mai 1940 nach Frankreich, wo sie in das Aufnahmezentrum Vileneuve-de-Berg eingewiesen wurden. Schon zuvor wird der Vater in Belgien als „feindlicher Ausländer“ arretiert und nach Frankreich abgeschoben. Im Oktober 1940 folgt die Überstellung in das Internierungslager Gurs, im März 1941 nach Rivesaltes. In diesem Lager stirbt Traubes Mutter an Erschöpfung und aufgrund fehlender ärztlicher Betreuung. Traube gelingt die Flucht aus Rivesaltes noch vor Beginn der Deportationen nach Drancy im August 1941. In Folge schließt er sich in Marseille der Widerstandsgruppe „American Friends Service Committee“ an. Im August 1942 wird er bei einer Razzia erneut verhaftet, in Les Milles interniert, wo er eine schwere Erkrankung überlebt. Es gelingt ihm, aus dem Viehwaggon nach Rivesaltes — von wo die Reise weiter nach Drancy und Auschwitz gegangen ware —, zu springen und nach Marseille zurückzukehren. In Marseille nimmt er mit Hilfe von M. Champenois, den er von der Widerstandsgruppe her kennt, eine falsche Identität an und meldet sich zur Fremdenlegion. Nach vielen Stationen in Nordafrika und Indochina erlebte er das Kriegsende nahe dem Arlberg in Österreich. Aufgrund seines Legionärvertrags musse er aber bis 1947 in Nordafrika und Indochina weiterdienen. Nach einer beruflichen Karriere als Ingenieur zieht Herbert "Traube mit seiner Frau in eine kleine Gemeinde im Hinterland von Menton, wo er 19 Jahre als Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister tätig ist. Seit einigen Jahren ist der Autor Mitglied verschiedener Vereine und Gruppen, welche die „Pflicht der Erinnerung“ erfüllen. Er hält auch, mit viel Erfolg, Vorträge über sein persönliches Schicksal. Herbert Traube ist Chevalier de ’Ordre National de la Légion d’Honneur und Träger mehrerer hoher militärischer Auszeichnungen Frankreichs. Flucht nach Brüssel Herbert Traube, in Wien geboren und aufgewachsen, verbringt eine zuerst glückliche Kindheit, er hat das Gefühl, ein Bub wie jeder andere zu sein. Mit dem „Anschluss“ ändert sich alles. Die Würfel waren also gefallen. Mein Vater war interniert in einem Konzentrationslager — glücklicherweise noch kein Vernichtungslager —, und meine Mutter war entschlossen, ihn irgendwie aus Dachau und uns aus Österreich herauszubringen. Es bot sich die Gelegenheit, mich und meine Schwester mithilfe einer Aktion des Internationalen Roten Kreuzes nach Belgien zu schicken. Hätte man uns statt Belgien Belgisch-Kongo angeboten, unsere Entscheidung wäre keine andere gewesen. Aber unsere Mutter wollten wir nicht alleine lassen! Ihrem Neffen, dem beherzten Peperl, und seiner Frau, unserer Cousine Lina, gelang es schließlich, uns zu überreden, indem sie uns versprachen, sich September 2020 19