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Anton Pariser Ein Brief und mit ihm Gedichte Zum Autor!® Anton Pariser (Wien 15.10.1890 — Paris 22.1.1965) wuchs in Wien auf, sein Vater war Inhaber eines Geschäfts für Küchengeräte. Pariser studierte Rechtswissenschaften, stieg zum Vorstandsstellvertreter der Länderbank auf, war daneben als Übersetzer und Volksbildner tätig. In der 1933 gegründeten, 1934 verbotenen Vereinigung sozialistischer Schriftsteller (VsS) übernahm er die Funktion des Kassiers. Im VsS war auch Elisabeth Steinitz‘ Vater, der Rechtsanwalt und Schriftsteller Heinrich Steinitz, tätig; er wurde 1942 in Auschwitz ermordet. Als Jude und Sozialdemokrat war Pariser nicht nur rassistisch, sondern auch politisch verfolgt. Im Juli 1938 wurde er in Schutzhaft genommen, im August verlor er seine Position bei der Bank. Im Jänner 1939 flüchtete er mit seiner Frau Josefine, nee Blankenberg, und der 1927 geborenen Tochter Magdalena/Lene nach Frankreich, hielt sich zunächst in Paris auf, wurde als „feindlicher Ausländer“ in verschiedenen Lagern interniert (September bis Dezember 1939 im Stade des Colombes!” und Meslay-du-Maine'”, Mai 1940 bis Janner 1941 unter anderem in Les Milles?! und Gurs'”), schließlich kam er in eine prestataire'”’-Einheit bei Montauban. Seine Frau war Ende 1940 infolge der Strapazen der Flucht an ihrer Lungenkrankheit gestorben. Von August 1942 bis August 1944 wurden Anton Pariser und seine Tochter von AntifaschistInnen in einer Hiitte auf einem Weinberg in Lafrangaise'”‘ bei Montauban versteckt. Dies bestätigte ein Nachbar im Oktober 1962: Bestätigung. Ich unterzeichneter Maurice Brousset, Landwirt in Caminel bei Lafrangaise (T- &G. [Tarn-et-Garonne]), bestätige mit Vorliegendem an Eidesstatt, daß die nachstehenden Personen, die als ausländische Juden während der Besetzung des französischen Territoriums durch die Deutschen von Verfolgung bedroht waren, sich im Weingarten von Frau Simone Mezailles, Montauban — in der Nachbarschaft meines Bauernhofes — verborgen hielten und dort unter unmenschlichen Bedingungen hausten: 1.) Herr Pariser Anton, ausländischer Arbeiter österreichischer Staatszugehörigkeit, vom 15. August 1942 bis 20. August 1944 2.) Frl. Blankenberg Hedwig, seine Schwägerin, österr. Staatsangehörige, vom 15. August 1942 bis Ende Dezember 1942 3.) Frl. Pariser, mj. Tochter des Herrn Pariser Anton, von Ende Dezember 1942 bis 20. August 1944.'” Besagter Brousset schrieb des weiteren 1963 an das Amt der Wiener Landesregierung: [...] beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß mir Herr Pariser um den 15. August 1942 von einer Dame, die zu der Zeit Besitzerin eines meinem Bauernhof benachbarten Weingutes war, vorgestellt wurde. Da er mit Verfolgung bedroht war, hatte sie ihn in einer kleinen Hütte, die in dem genannten Weingut lag, aufgenommen. Da keine anderen Häuser in der Nähe waren, konnte er dort unentdeckt bis 20. August 1944, an dem die Deutschen die Gegend verließen, bleiben. Ich habe mich niemals dafür interessiert, ob er polizeilich gemeldet war, ebenso nicht, woher er seinen Unterhalt bestritt. Ich habe ihm nicht geholfen; übrigens hat er mich niemals darum gebeten. Ich verkaufte ihm Gemüse und Obst, das er brauchte. Für mich war er ganz einfach ein Flüchtling, der von den Feinden meines Landes verfolgt 48 _ ZWISCHENWELT wurde. Er wurde niemals krank, der Fall, sich ärztlich behandeln zu lassen, war also nicht gegeben. Andernfalls hätte ich für ihn einen Arzt gefunden, der ihn nicht verraten hätte.” Nach dem Krieg blieb Pariser in Frankreich, nahm sich der österreichischen Flüchtlinge an, arbeitete für eine Bank und für das österreichische Kulturinstitut in Paris. Er war weiter als Lyriker und Übersetzer tätig. Literatur: Herbert Exenberger: Anton Pariser, Der sozialdemokratischen Kultur- und Bildungsarbeit verpflichtet. In: Paul Pasteur, Christine Mondon: A la recherche de l’austriacité (Rouen 2003), S. 121-130. Zu den hier publizierten Texten Der handgeschriebene Brief Parisers an Elisabeth Steinitz'”’ aus dem Jahr 1943 gelangte iiber die Adressatin an Herbert Exenberger!” und über diesen ans Archiv der TKG. Der Brief ist ganz offensichtlich unter den Bedingungen der Briefzensur verfasst, was sich vor allem in der schr allgemeinen, unbestimmten Erwähnung eigener Pläne und Vorhaben zeigt. Die Empfängerin musste zwischen den Zeilen lesen. Auch die Anonymisierung des Absenders, der nur durch die ins Französische transformierte Kurzform (Lena — Helene) des Vornamens seiner Tochter Magdalena der Empfängerin des Briefes einen Hinweis auf seine Identität gibt, spricht dafür. Der Aufenthaltsort des Briefstellers ist nicht preisgegeben. Auf welche Weise der nicht erhaltene Brief Elisabeth Steinitz‘ und der Antwortbrief Anton Parisers übermittelt wurden, ist unbekannt. Die in Handschrift und als Typoskripte überlieferten Gedichte sind ab 1939 entstanden. Sie wurden der Theodor Kramer