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Gesellschaft im März 2013 übergeben von Annie Weich, deren Vater Karl Hartl im diplomatischen Dienst war. Parisers Schwägerin Hedwig Blankenberg, mit der gemeinsam er versteckt lebte, war über viele Jahre Hartls Sekretärin; der Neffe von Blankenberg und Pariser, Ehud Jungwirth, schickte die Gedichte 2013 an Annie Weich. Handschriftlich verfasster Brief Anton Parisers Chere Lisbeth, 1-11-43 Votre bonne lettre du 12/9 ne m’a atteinte quhier et je m’empresse donc d’y répondre sans retard, d’autant plus que je ne sais pas encore quand la mienne partira. Je vous laisse 4 imaginer la joie que constitute pour nous, isolées du grand monde comme nous le sommes, tout signe de vie de nos amis et, en particulier, des nouvelles aussi réconfortantes que les vötres. J’admire votre optimisme robuste qui vous fait envisager votre mariage pour un avenir trés rapproché et je vous en félicite; je le partage d’ailleurs et, moi aussi, je commence a forger des projets, bien quils soient beaucoup plus vagues que les vötres, car jignore tout sur les possibilités de leur réalisation. Comme vous, je serais trop heureuse de pouvoir un jour revoir mes amis, mais comme ils sont dispersés dans le monde, il me faudra probablement y renoncer tout au moins en ce que concerne la plupart d’entre eux, et je serais déja bien contente si du moins nous autres ,,bons Européens“ pouvions nous serrer la main de temps a autre. — Je ne puis vous offrir aujourd’hui, étant donné lPuniformité de notre existence, rien de substantiel, et je m’en excuse. Je crois toutefois que, ce qui importe avant tout, c est de maintenir notre contact étroit et je vous prie donc, chére amie, de me faire aussitöt que possible le plaisir de vous lire 4 nouveau. Je ne manquerai pas de faire suivre 4 ma belle-soeur vos bons souvenirs et je vous prie de me croire, chére Lisbeth, toujours votre, Helene Dites s.v.p. 4 votre maman que je lui adresse mes trés affectueuses pensées. Ubersetzung ins Deutsche von Elisabeth Steinitz: Liebe Lisbeth! 1.11.1943 Thr lieber Brief vom 12.9. ist mir erst heute zugekommen und ich beeile mich umgehend zu antworten. Dies umso mehr als ich noch nicht weiß, wann meiner abgeht. Ich überlasse es Ihnen, sich die Freude vorzustellen, die für uns, die wir von der Welt abgeschnitten sind, jedes Lebenszeichen unserer Freunde darstellt und besonders so gute Nachrichten wie die Ihren. Ich bewundere Ihren robusten Optimismus, mit dem Sie Ihre Heirat für eine nahe Zukunft voraussehen und beglückwünsche Sie dazu. Ich beginne ebenfalls, Zukunftspläne zu schmieden, obwohl sie viel ungewisser sind als Ihre, denn ich weiß gar nichts über die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung. Wie Sie wäre auch ich überglücklich, eines Tages meine Freunde wiedersehen zu können, aber da sie in der Welt verstreut sind, werde ich wahrscheinlich darauf verzichten müssen, was die Mehrheit von ihnen betrifft, und ich wäre schon sehr froh, wenn wenigsten wir, „gute Europäer“, uns von Zeit zu Zeit die Hände drücken könnten. — Ich kann Ihnen heute, angesichts der Gleichförmigkeit unseres Lebens, nichts Substantielles mitteilen und entschuldige mich dafür. Ich glaube aber, dass das Wichtigste ist, unseren engen Kontakt aufrechtzuerhalten und ich bitte Sie daher, liebe Freundin, mir sobald als möglich das Vergnügen zu machen, mir wieder zu schreiben. Ich werde nicht verfehlen, meiner Schwägerin!” Ihre Grüße auszurichten und grüße Sie, liebe Lisbeth, immer die Ihre, Helene Richten Sie bitte Ihrer Mutter?” meine besten Wünsche aus Elisabeth Steinitz schreibt dazu: „Dieser Brief, mit dem Vornamen seiner Tochter Lene unterzeichnet, wurde von Dr. Pariser selbst an mich geschrieben. Ich war zu dieser Zeit bereits in Sicherheit in Genf, was wahrscheinlich die von ihm erwähnte ‚gute Nachricht‘ darstellt. Er selbst und Lene waren bei Bauern in der Nähe von Montauban in Südwestfrankreich versteckt.“ Auf Schreibmaschine, dem Brief vermutlich später beigelegt." [Gedicht ohne Titel] Wenn meines Schlafes Nachen Die Traumflut überschäumt, Weiß oft ich beim Erwachen Noch nicht, ob ich geträumt. Ihr freundlichen Gestalten, Verblassend in dem Licht, Wie gern wollt‘ ich euch halten, Allein ich kann es nicht. Die Flut, zurückgeflossen, Ließ mich allein am Strand. Ihr lieben Traumgenossen, Reich‘ ich euch einst die Hand? Ihr seid in fernen Ländern, Wer weiß, was euch gescheh’n! Wenn sich die Zeiten ändern, Gibt es ein Wiedersehn??”? Für Lene?” Lern‘, mein Kind, aus schmerzlichem Erleben, Deines Glückes stündliches Entflieh’n. Was Du hast, es ist Dir nicht gegeben, Ist Dir nur für kurze Zeit gelieh'n. Heim und Heimat, die Dir lieb und teuer, Schienen Dir ein ewig sich'rer Ort — Und schon rieselt Schutt in dem Gemäuer, Und schon mußt Du in die Fremde fort. Deine Freunde, Deine liebsten Sippen, Mufßt sie lassen ferne von Dir gehn. Streifen Dich noch Hüchtig mit den Lippen, Und sind fort auf Nimmerwiedersel’n. Die Du eben zärtlich noch umschlossen, Ach sie schwinden Dir in Deinem Arm, Und das heiße Glück, das Du genossen, Kaum gefühlt, ist es schon nicht mehr warm. September 2020 49