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Walter Stein Zum Autor?” Walter Stein (Wien 13.2.1902 — Wien 6.1.1982) stammte aus einer assimilierten jüdischen Familie und war ab den frühen 1920er Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs. Er hatte eine Ausbildung zum Textildesigner absolviert und war als Angestellter der sowjetischen Handelsvertretung in Wien tätig. Im Herbst 1938 Hüchtete er mit seiner Frau Martha, nee Magaziner, die er 1933 geheiratet hatte, per Zug über Köln nach Frankreich.’ Stein sprach sieben Sprachen (er hatte sie sich selbst beigebracht), in Frankreich schlug er sich mit dem Verkauf selbstgebauter Radios durch. Im September 1939 wurde er im Stadion Colombes als „Ressortissant Allemand“ (Deutscher Staatsangehöriger) interniert und von dortam 17. des Monats in das Lager Meslay-du-Maine””® überstellt. Seine Beschreibung des Lagers: Dort waren außer der Stacheldrahtumzäunung die Teile von Tanzzelten vorhanden, wie sie bei Jahrmärkten in Frankreich üblich waren. Am nächsten Tag erschien eine Kompagnie Genie Truppen (Pioniere); sie stellten die Zelte auf, es wurde Stroh aufgeschüttet und jeder hatte „einen Lebensraum“ von 50 cm. Nach zwei Wochen begann es zu regnen und da wurde der Aufenthalt zur Qual. Die Latrinen z. B. befanden sich außerhalb des Lagers, auf dem Weg dorthin versank man im Schlamm. Im Oktober wurde ein Teil der Bewohner der Zelte in einer „ferme”*° untergebracht; dann wurden Baracken aufgestellt und es entwickelte sich ein gewisses kulturelles Leben. Farkas, der auch in diesem Lager war, schrieb eine Revue „Meslay lacht wieder”®', die mit primitiven Mitteln, aber mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Das Lager Meslay war kein Zivilgefangenenlager, sondern ein sogenanntes „prestataire“-Lager. In Frankreich Asylrecht Genießende konnten im Kriegsfall zum Dienst („prestation‘) ohne 60 _ZWISCHENWELT Waffe herangezogen werden. Das war aber dann zunächst ein Vorwand, um die mifliebigen Flüchtlinge zu internieren.” Im Februar 1940 wurde Stein vorübergehend in das Zivilgefangenenlager Damigny”® bei Alengon”* gebracht, wo die Unterbringung besser war, kam aber schon Mitte April wieder nach Meslay. Dort wurde Ende Mai die 313. Compagnie de Travailleurs Etrangers (Kompanie ausländischer Arbeiter)?® gebildet und nach Marolles’®° bei Blois gebracht. Wir sollten beim Bau einer pipeline eingesetzt werden. Dazu kam es aber nicht mehr. Am 14. Juni 1940 setzten wir bei unserem Kommandanten durch, den Rückzug anzutreten. Wir marschierten zehn Tage im Zick-Zack durch entlegene Gegenden und kamen in der Nacht des 25. Juni, als der Waffenstillstand in Kraft trat, in Bellac”’ (40 km nordwestlich von Limoges) in der „unbesetzten“ Zone an.’® Martha Stein blieb in der zentralfranzösischen Kleinstadt Bellac, wo sie im Mai 1941 ihr Kind Paul Victor gebar. Später sagte sie zu ihrem Sohn: „Ich konnte nicht viel gegen den Hitler machen, aber dass ich dich geboren und durchgebracht hab‘, das war mein Sieg über den Kerl.“”® Jüdische bzw. politische Flüchtlinge vor Ort unterstützten Mutter und Kind, der Bürgermeister von der Parti Socialiste überreichte ihnen allen „offiziell“ auf amtlichem Papier erstellte Urkunden mit falschen Namen — kurz vor der Übergabe seiner Position an einen Sympathisanten des Vichy-Regimes. Martha arbeitete unter dem Namen „Anne Dalloz“” als Dienstmädchen, Paul wurde in Mädchenkleidern eine Zeitlang in einem Kinderheim versteckt. Über die folgenden Jahre ist wenig bekannt, laut eigenen Angaben war Walter Stein bei einer „französischen Arbeitsgruppe für ausländische Arbeiter“ — prestataires? Sohn Paul erinnert sich an die Erzählung des Vaters, „dass er, als die Deutschen auch die bis dahin unbesetzte Zone Frankreichs zu okkupieren begannen, gemeinsam mit den französischen Bewachern, die sich ihrer Uniformen entledigten, weiter in den Süden flüchtete, wo er in Marseille hängenblieb“””. Laut eigenen Angaben flüchtete Walter Stein erst im Februar 1943 nach Limoges und wurde von dort nach Lyon geschickt, ins Zentrum der Resistance. Dort war er an zwei Aktionen beteiligt: „Verteilung von Flugzetteln in Lyon an die französische Bevölkerung; Flugblätter in französische Kaserne eingeworfen, mit 2 Leuten und ‚Tiroler Mitzi?” in Lebensmittellager der Wehrmacht.“ Die folgenden Jahre sind im Text dargestellt. Von Anfang des Jahres 1944 bis zu seiner Verlegung nach Avignon (Juli 1944) lebte Walter Stein bei und mit der Familie Spiegel.?”‘ Im August 1944 schloss er sich unter seinem Alias-Namen?® den Forces Frangaises de !’Interieur (EEI.) an.” Er verließ Marseille Ende Oktober 1944?” und zog nach Lyon, wo er mit Emanuel Edel („Roger“, „Richard“)””® eine Wohnung teilte.”” Im Frühjahr 1945 war er „Delegue temporaire au Bureau Central du Front National Autrichien“ für Lyon, diese Mission sollte bis zum 15. Juli 1945 dauern.” Im Herbst 1945 kehrte das Ehepaar Stein nach Wien zurück, Paul aus gesundheitlichen Gründen erst Anfang 1946. Walter Stein wurde Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung beim Zentralkomitee der KPÖ und blieb dies bis zu seinem Pensionsantritt ca. 1970. In seinem Antrag auf eine Entschädigung gemäß $14 Abs.