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1958 die Firma TOROID in Lugano in der Schweiz, die 1960 geschlossen wird. Von dort aus plant er, wieder nach Wien zurückzukehren. War es die Liebe, wie er seinem Freund Gerhard Brutzkus schreibt, oder die Anfrage Eugen Spitzers, bei dessen Firma J.E.S. einzusteigen? 1962 gründet Schächter in Wien-Liesing die MINITEK Feinmechanische Produkte GmbH. Zunächst beteiligt sich Per Wenander mit 50% an der MINITEK, 1965 übernimmt Paul C. Fisher den 50%-Anteil Wenanders; 1971 übernimmt der Konzern BIC Fisher's MINITEK-Anteile. 40% der Anteile hält Friedrich Schächter, 10% sein ältester Mitarbeiter Kurt Rath. Bis zur Schließung des Betriebs im Jahr 2000 forscht, entwickelt und produziert Schächter mit etwa 20 Angestellten - technischen Zeichnern, Ingenieuren und Diplomingenieuren — BIC-Feuerzeuge und Wegwerfrasierer. MINITEK ist „das Forschungs- und Entwicklungslabor für den Weltkonzern BIC“, wie Francois Bich, Leiter der Feuerzeugproduktion bei BIC und einer der Söhne des Gründers, Marcel Bich, 2016 im Interview erzählte. Wie Schächter ohne Internet seinem Kollegen Alain Rosen neue Ideen zu verdeutlichen sucht, schildert dieser 2017 im Interview. „Hallo, Alain, also, nimm einen Stift, zeichne eine Linie vertikal, nun geh’ im Winkel... und dann...“ Und das alles auf Französisch und am Telefon! Schächter und die Wissenschaft Friedrich Schächter, der oft einzige Nicht-Akademiker auf wissenschaftlichen Kongressen, hält Vorträge über „die richtige Selbsteinschätzung auf dem Weg zum Erfolg“, erteilt Forschungsaufträge an das Forschungszentrum Seibersdorf und steht mit Professor Manfred Weck vom RWTH (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule) in Aachen in regelmäßigem Kontakt. „Wenn ich studiert hätte, wäre mir sicher nicht so viel eingefallen“, sagt Schächter im Interview der Mediathek, „Österreicher am Wort“. Sanna Schulte Zahlreiche Ehrungen anerkennen Schächters Verdienst, herausragend seine Ehrenbürgerschaft der Technischen Universität Wien. Schächter, privat Privat fördert Schächter Künstler und Künstlerinnen im großen Freundeskreis um Gerhard Gutruf, Maler und Grafiker, dem er nach der Auflösung seiner Firma MINITEK seinen gesamten schriftlichen Nachlass, privat wie geschäftlich, anvertraut. Er wünscht sich, dass seine Unterlagen aufgearbeitet und für weitere Forschung zugänglich werden sollten. Anmerkungen 1 Bei der Ankunft in Barbados stellte sich das Visum als wertlos heraus. Die deutschen Behörden ließen jüdische Exilanten als Voraussetzung für die Auswanderung hohe Gebühren wie etwa eine Reichsfluchtsteuer oder eine Passumlage entrichten, darüberhinaus musste ein Nachweis über die Bezahlung sämtlicher Steuerschulden erbracht werden. Diese horrenden Summen kamen einem Vermögensentzug gleich. (Vgl. Yehuda Bauer: Jews for sale? Nazi-Jewish negotiations, 1933-1945, Yale University Press, New Haven 1994; Freikauf von Juden? Verhandlungen zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und jüdischen Repräsentanten von 1933 bis 1945; Aus dem Englischen von Klaus Binder und Jeremy Gaines, Jüdischer Verlag, Frankfurt/M. 1996) Mag.Mag. Melitta Matousek, geb. in Wien, Studien der Handelswissenschaft und Wirtschaftspädagogik in Wien und Genf. 30 Jahre Unterricht wirtschaftlicher Fächer an berufsbildenden höheren Schulen. Verfasserin von Artikeln und Fachbeiträgen. Forscherin im Nachlass Friedrich Schächter. Sein Leben und Wirken ist Gegenstand aktueller Forschung in ihrer Dissertation. Publikationen siehe: Website www.friedrich-schaechter.at, Domaininhaberin: Melitta Matousek. und zerstörte Erinnerungsräume Der Mythos des Elefantenfriedhofs besagt, dass die Tiere an den Ort der Gebeine ihrer Ahnen zurückkehren. In der Übertragung der menschlichen Kulturpraxis auf das Verhalten der Tiere wird deutlich: Nicht der Ort der Gebeine allein macht den Friedhof aus, sondern die Tradition der Rückkehr und das Gedächtnis der Nachkommen. Ein Friedhofbeherbergt die Toten, aber er ist auch ein Ort, der je nach Glaubensgemeinschaft unterschiedlich mit Bedeutung versehen wird, wodurch ihm Funktionen zukommen, die über die der letzten Ruhestätte weit hinausgehen. In den Friedhöfen manifestiert sich das Gedächtnis einer Gemeinde oder eines Ortes. Sie sind als Erinnerungsräume gedacht und als Ausgangspunkt der Tradition. Sie verknüpfen das Vergangene mit dem Zukünftigen und binden es gleichermaßen an einen konkreten Ort. Aufgrund der Verfolgung durch die Nationalsozialisten mussten ganze jüdische Gemeinschaften ihre Friedhöfe zurücklassen. Im Gegensatz zu beispielsweise den Izzer Bikern! als wichtigen und gleichsam portablen Zeugnissen der Entwicklung und der Ereignisse eines Schtetls können sie nicht 12 ZWISCHENWELT ins Exil mitgenommen und gerettet werden. Die Rückkehr ist noch dazu ebenso ungewiss wie der Fortbestand des Friedhofes. „Der Friedhof, auf Hebräisch Bet Kevarot, der ‚Ort der Gräber‘, ist neben der Synagoge die wichtigste Institution einer jeden jüdischen Gemeinde.“? Jüdische Friedhöfe sind der Intention nach für die Ewigkeit errichtet. „Die Halacha, das religiöse Gesetz des jüdischen Glaubens, verpflichtet die jüdischen Gemeinden zur immerwährenden Erhaltung ihrer Friedhöfe und aller Grabstätten.“? Im Dritten Reich blieben einige jüdische Friedhöfe (lange) unbeschadet und dienten Jüdinnen und Juden, die aufgrund der antisemitischen Rassenpolitik von vielen Orten der Stadt verbannt waren, zusätzlich als Parks und jüdischen Kindern als Spielplätze. Wie schon bei früheren Pogromen — wie zum Beispiel der Plünderung der Judengasse 1614 in Frankfurt am Main im Zusammenhang mit dem Fettmilch-Aufstand® - suchten Jüdinnen und Juden auch vor drohenden Verhaftungen und Deportationen durch die Nazis Zuflucht auf den jüdischen Friedhöfen. In Weißensee bot