OCR
Widerstand und Exil an Erich Hackl Die Preisverleihung am 11. September 2020 in Niederhollabrunn, dem Geburtsort Kramers, konnte, unter Einhaltung der empfohlenen Schutzmaßnahmen, erfreulicherweise stattfinden. Eröffnet wurde die Preisverleihung von Karl Müller, Marianne Windsperger fiel die Aufgabe zu, die Preisurkunde unter Verlesung der Jurybegründung (siehe unten) zu überreichen, die Laudatio hielt Konstantin Kaiser. Darauf folgte die Rede des Preisträgers Erich Hackl, die in dieser Ausgabe von ZW abgedruckt wird. Aufgrund der reduzierten BesucherInnenzahl wurde zudem die gesamte Preisverleihung auf Video aufgezeichnet und kann auf der Website der Theodor Kramer Gesellschaft nachgesehen bzw. -gehört werden. Bedauerlich war, dass die für den 24. September 2020 geplante Veranstaltung im Psychosozialen Zentrum ESRA, Wien, abgesagt werden musste. In Planung ist ein Ersatztermin im Frühling 2021. Die Veranstaltung in Salzburg konnte in Anwesenheit von Erich Hackl und Karl Müller am 2. Oktober wie geplant stattfinden. Den musikalischen Abschluss bildete die Uraufführung von Peter Zwetkoffs Vertonung von vier Gedichten Theodor Kramers aus dem Jahr 1943, „Die Heimkehr des Burgenländers“ aus dem Zyklus „Die untere Schenke“. Die Interpreten waren Regina Hopfgartner (Gesang) und Gregor Unterkofler (Klavier). Peter Zwetkoft, geb. 1925 in Dobritsch/Bulgarien, schuf seine ersten Kompositionen nach Texten von Theodor Kramer um 1950, war von 1954 bis 1990 als Komponist und musikdramaturgischer Berater für die Hörspielabteilung des SWF tätig und lebte bis zu seinem Tod 2012 in Baden-Baden und Wien. Othmar Costa schrieb über ihn: [Peter Zwetkoffs] Musik will bewufst machen, Sensibilität erzeugen gegen Lauheit und Gleichgültigkeit. [...] Sie vermeidet alles, was zu laut ist, und spürt Grenzen auf. [...] Kein Wort, kein Ton zu viel, keine blumigen Metaphern, keine Selbstgefälligkeit des Klangs. Seine Klangvorstellung ist präzis und sensibel, sie provoziert ein ganz elementares Hören, das die Fähigkeit zum Denken fördert. Die Klangerzeugung schliefft Geräusche und die ganze Vielfalt der Spielpraktiken ein. (Aus: Peter Zwetkoff: Eine Dokumentation, Booklet, 2 CDs, Siidwestfunk 1990). Gefördert wird der mit Euro 8.000 dotierte Preis vom Land Niederösterreich, der Stadt Wien und von der Republik Österreich. Jurybegründung Es sind, nach einem Wort von Jean Amery, gerade die Opfer des Nationalsozialismus, denen die Nachgeborenen nicht verzeihen können: zu ungeheuerlich lasten sie als Vorwurfauf dem mühsam und selbstgefällig weitergeführten Leben. Erich Hackl stellt sich mit seiner Literatur gegen diese Selbstgefälligkeit. Als einer der ersten SchriftstellerInnen in Österreich begann er vor über 30 Jahren von den schlichten Handlungen derer zu erzählen, die sich der Vernichtung entgegenstellten, ob durch das Festhalten an ihren Idealen, durch ihr Handeln oder die Flucht, durch das Wort oder die rettende Tat für andere. Seine Gestalten sind von kompakter Lebendigkeit, sind plastisch: man glaubt, um sie herum gehen zu können, kann sich ihr Verhalten und ihre Gefühle in anderen Situationen als den geschilderten vorstellen. Er eröffnete mit seinen Erzählungen die Zugänge zu Traditionen des Widerstands. In diesem nur hatte sich der geschichtliche Zusammenhang, das Ringen der Menschheit um ihre Befreiung aus den selbst auferlegten Fesseln erhalten. Erich Hackl beschreibt nicht Vergangenheit, der es bei diversen Jubiläen zu gedenken gilt, sondern den ganzen, den großen Zusammenhang, der durch die Schwaden der Vergesslichkeit verdeckt wird, und er beschreibt mit einem Aufmerken fürs Besondere, nicht Plausible, das Zerbrechliche. Dezember 2020 15