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Aber<<<<<<<<<<< mit den anderen beiden nicht mehr. Vor allem nicht mit Miriam. Miriam hat Anja beleidigt. Wie man so ein liebes Mädchen beleidigen kann, frage ich mich. Anja möchte von mir wissen, wann ich Geburtstag habe. Ich erkläre ihr, dass ich bereits Geburtstag hatte. Sie fragt mich, neben wem ich nächstes Schuljahr sitzen möchte. “Ich glaube neben Lilli. Ich will nicht mehr neben Celina sitzen. Sie macht mich fertig, sobald ich den Mund aufmache.” “Wir können auch nebeneinandersitzen, wenn du willst”, sagt Anja. “Das wäre schön. Wenn du das auch willst. Aber ich möchte nicht, dass die anderen Mädchen dann sauer auf dich sind. Sie mögen mich nicht”, erkläre ich. “Ich sitze da, wo ich will”, sagt Anja. Erleichterung macht sich in mir breit. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, was ich machen soll, wenn sich Lillis Position in der Klasse wieder ändert. Dann wäre ich gezwungen, weiterhin neben Celina zu sitzen. Zuhause erzähle ich meiner Familie von meinem Besuch bei Anja. Meine Eltern freuen sich mit mir, dass ich jetzt eine Verbündete habe und nicht mehr alleine bin. Einige Tage später ruft mich Anja wieder an und erzählt mir, dass sie bald mit ihrer Familie für drei Tage ins Ötztal fährt. Ihre Eltern wollen mich einladen und das sei mein Geburtstagsgeschenk. Ich finde das sehr nett von ihnen, mich mitzunehmen. Aber ich muss zuerst meine Eltern fragen. Ich war noch nie irgendwo allein ohne meine Familie. “Meine Eltern können auch mit deinem Vater reden. Das ist kein Problem”, erklärt Anja. “Super. Wenn sie ihn fragen, dann darf ich es vielleicht.” Gleich am Abend ruft Anjas Vater Johannes meinen Papaan und redet mit ihm. Natürlich darf ich ins Ötztal mitfahren, nachdem Johannes versprochen hat, dass sie besonders auf mich Acht geben werden. Einerseits freue ich mich natürlich, denn ich war noch nie auf Urlaub — zumindest kann ich mich nicht daran erinnern - andererseits fühle ich mich aber auch seltsam. Ich weiß nicht wieso, aber die Angst steigt, je näher der Tag der Abreise kommt. Anjas Familie holt mich mit dem Auto ab. Ich, Anja und Anjas Bruder Matthias sitzen hinten im Auto und ihre Eltern sitzen vorne. Wir fahren durch die Berge nach Tirol. Überall sind Gebirge zu schen, ganz nah. Sie schen wunderschön aus. Ab und zu sche ich auch Wasserfälle und bewundere sie, denn so hohe Wasserfälle habe ich noch nie geschen. Im Ötztal angekommen, checken wir in das Hotel ein, in dem Anjas Eltern reserviert haben. Anjas Mutter finde ich besonders nett, denn ich sehe ihre Liebe zu ihren Kindern, ich sehe ihre Fürsorglichkeit mir gegenüber und das macht mich glücklich. Ich weiß, dass ich diesen Menschen vertrauen kann. In den drei Tagen im Ötztal schauen wir uns im Dorf alles Interessante an, in den Museen und beim Stadtrundgang. Es macht viel Spaß, denn ich lerne etwas dazu und weiß dadurch mehr über meine Heimat. Nach drei Tagen fahren wir wieder zurück und ich bin traurig, diesen Ort zu verlassen. Ich verspreche mir aber, irgendwann einmal wieder hierherzukommen, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme. Die Ferien gehen viel zu schnell vorbei. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie im Freien. Wir gehen viel spazieren, einmal in den Bergen, ein anderes Mal in der Stadt. Die Berge habe ich besonders gern, weil sie auch so einsam sind, wie ich mich fühle. Die Berge können einem gut zuhören, als ob sie mitfühlen würden. Ab und zu gehe ich auch allein spazieren und erzähle den Bergen von meiner Flucht. Das letzte Schuljahr durfte ich zwar noch in Schruns beenden, da wir aber jetzt in Bludenz wohnen und es hier eine eigene Schule 50 ZWISCHENWELT gibt, muss ich die Schule wechseln, heißt es, denn die Gemeinde übernimmt sonst die Schulkosten nicht. Als wir aber bei der Caritas mit den Zuständigen reden und sie darum bitten, dass ich weiterhin in Schruns in die Schule gehen darf, wird unser Antrag bewilligt. Sogar meine Fahrtkosten werden übernommen. Ich freue mich, dass ich nicht die Schule wechseln muss, denn dort habe ich jetzt Anja. Sie wird mich nie im Stich lassen, das weiß ich. Gleich am ersten Tag des neuen Schuljahres setzen Anja und ich uns vorne in die erste Reihe. Ich bin bereits überall in der ersten Leistungsgruppe. Nur in Deutsch bin ich immer noch in der dritten Leistungsgruppe und schreibe abwechselnd einen Dreier oder einen Zweier. Der Lehrer ist aber der Meinung, dass ich für die kurze Zeit schon sehr gut bin und zufrieden sein muss. Aber das bin ich eigentlich gar nicht. Da ich in der vierten Klasse bin und eine höhere Schule besuchen möchte, muss ich zumindest in der zweiten Leistungsgruppe sein. Deshalb versuche ich den Lehrer zu überzeugen und verspreche, dass ich mir schr viel Mühe geben werde, weil ich in eine höhere Schule gehen möchte. Er entscheidet deshalb noch am Anfang der vierten Klasse, dass ich probeweise in die zweite Leistungsgruppe wechseln darf. Sollte ich aber nicht mitkommen, muss ich wieder in die dritte Leistungsgruppe zurückwechseln. Das möchte ich auf gar keinem Fall. Deshalb gebe ich mein Bestes. Ich zeige ständig auf und versuche mitzuarbeiten. In den Pausen stehen ich und Anja gemeinsam und unterhalten uns über alltägliche Sachen. Ich spüre die bösen Blicke, die auf uns gerichtet sind. Alle aus der Klasse schauen uns immer wieder an und flüstern irgendetwas. Aber das ist mir egal, denn ich habe mich schon daran gewöhnt, dass sie mich nicht mögen. Zwar ist es grundlos und unverständlich, aber was soll's. Ich mag auch nicht jeden. Anja und ich verbringen auch nach der Schule viel Zeit miteinander. Wir machen gemeinsam die Hausaufgaben, schreiben Aufsätze, die ihre Mutter dann kontrolliert, und machen Plakate für den Unterricht, wenn das erforderlich ist. Mit der Zeit lernen wir uns besser kennen. Sie ist sehr nett und macht keine schlechten Bemerkungen über meine Kultur und Gewohnheiten, wenn ich ihr davon erzähle, im Gegenteil. Sie fühlt mit mir mit und liebt andere Kulturen. Manchmal übernachte ich bei Anja und wir machen viele lustige Sachen. Ihr Vater kocht dann immer für uns und wir essen gemeinsam zu Abend. Ich finde es schön, bei Anjas Familie zu sein. Ich hätte auch gern, dass meine Familie und ich uns nicht mehr Sorgen machen müssen und in Frieden leben können. Aber wer weiß, was uns in Zukunft erwartet? Manchmal übernachtet auch Anja bei mir und jedes Mal haben wir schr viel Spaß. Zwar beschwert sich dann immer mein Bruder Raul, weil ich ihn aus unserem gemeinsamen Zimmer werfe, aber nachher ist er trotzdem froh, denn er mag Anja auch schr. Es hat bis jetzt niemanden gegeben, der mich so gut versteht wie Anja. Sie hat so viel Verständnis und kann so gut zuhören. Ich bewundere sie immer wieder, denn sie ist eine sehr besondere Persönlichkeit und ich bin froh sie kennengelernt zu haben. “So eine Freundin findet man selten. Sei eurer Freundschaft treu, damit sie auch lange hält”, meint meine Mama eines Tages und sie hat recht. Ich habe jetzt eine Verbündete, eine Schwester hier in Österreich. Eines Tages komme ich sehr glücklich von der Schule nach Hause, weil ich in der Schule erfahren habe, dass bald der Tag der offenen Tür für die weiterführenden Schulen stattfindet. Da muss ich auf jeden Fall hingehen. Meine Eltern werden stolz