OCR
Lächelnd tritt sie an den Tisch, die glänzende, dampfende, duftende Teekanne in den Händen. Seht, wie schön sie ist, meine Prinzessin, sagt Karim. Erinnerung an Adele Jellinek Am 6.10.2020 fand die feierliche Benennung der neugestalteten Parkanlage am Johann-Nepomuk-Berger Platz in Wien Ottakring nach Adele Jellinek statt. Nach der Rede von Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler war eine schr schöne Vertonung eines Textes der Dichterin von Stefan Jagsch von der SPÖ-Ottakring zu hören. Jellinek, geb. 1890, 1943 in Theresienstadt ermordet, zeitlebens an den Rollstuhl gefesselt, war Verfasserin von Romanen, Essays, Reportagen, Gedichten. Siehe www.theodorkramer. at/ Exenberger-Archiv der VsS Konstantin Kaiser Erinnerung an Eugenie Kain 1.4.1960 Linz — 8.1.2010 Linz Vor zehn Jahren ist Eugenie Kain an einem tückischen Hirntumor gestorben. Zuvor noch hatte sie mit dem Erzählband "Aqua Alta" einen künstlerischen Höhepunkt ihrer Arbeit als Schriftstellerin erreicht. — Sie hatte, glaube ich immer gegen große Widerstände angeschrieben. Die Ansprüche lagen hoch — Sie war die Tochter des Widerstandskämpfers, Schriftstellers, Redakteurs und jahrzehntelangen Linzer KPÖ-Gemeinderats Franz Kain, den zu würdigen, der Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur mehrere "Franz Kain Kollogien" initiierte. Das zweite Koloquium fand 2000 in Linz zum Thema "Das Mitleid — seine Abwesenheit und Gegenwart in der Literatur" statt. Bei dieser Gelegenheit verkündete sie ein schriftstellerisches Credo: Ein Lebenslauf ist etwas anderes als eine Biographie. Der Lebenslauf ist die zurechtgebogene, für den Arbeitsmarkt abgebundene und verstümmelte Lebensgeschichte, reduziert auf jene Daten, die das Funktionieren und die Verwertbarkeit der Arbeitskraft belegen, bzw. gewährleisten sollen. Im Unterschied zur Biographie ist der Lebenslauf der begradigte, zwischen Granitquadern eingesargte Bachverlauf, ein Rinnsal, in dem sich wenig Leben entwickelt, in einem Bachbett, das kein Abweichen und kein Ausbrechen erlaubt, während es in der Biographie - um im Bild zu bleiben — mäandert und Inseln, Sandbänke und Seitenarme auch die umliegende Landschaft formen. Zwischen Lebenslauf und Biographie liegt eine tiefe Kluft, oft ist die Biographie ganz abgespalten vom Lebenslauf und es ist nicht mehr bewufst, daß neben einem Lebenslauf auch noch auf eine Lebensgeschichte zu verweisen ist. Eine Geschichte erzählen, eine Geschichte schreiben, das heifst mit Leid, mit Wut, aber auch mit Neugierde das Korsett von Lebensläufen aufbrechen, Erfahrungen, Erinnerungen freilegen, Lebensentwürfe 54 ZWISCHENWELT Margarete Windsperger, geb.1958 in Wien; lebt in Wien, studierte Germanistik und Romanistik und arbeitet als Deutsch- und Französisch-Lehrerin an einem Wiener Gymnasium. Im Frühjahr 2019 begleitete sie ihren Mann, der Professor für internationales Management an der Universität Wien ist, der der Einladung eines befreundeten Professors an der Wirtschafisfakultät der Universität in Diedda zu einem zehntägigen Aufenthalt in Saudi-Arabien folgte. Verstreutes Zum Wörterbuch des Menschenftessers gehört unbedingt das häßliche Wortungetüm „Zeitübel“. Die Übel der Zeit, in der wir leben, werden beklagt usw. usf. Was vermag die Tugend gegen den Weltlauf! Im historischen Rückblick ist auch gern von den „Zeitübeln“ die Rede, denen man sich „seinerzeit“ ausgesetzt sah. Ja, damals! Zeit mit ihren Besonderheiten ist ein Übel für das Zeitlos-Gültige. Möge sie vergehen! Und mit ihm das Tschippel Menschheit, das auf der Zeitscholle festsitzt. aufspüren, Möglichkeiten andeuten, vertanen Chancen folgen, Lebensgeschichten weitergeben. [...] Die Gegenwart von Mitleid im Sinne von Mitgefühl [...] das heist auch, behutsam mit Lebensgeschichten umgehen, Freiräume geben, Leerräume lassen und die Person ermächtigen, für sich selbst zu sprechen, sich zu entwickeln. Genau das tat sie in einer Sprache, die immer genauer wurde, in der jedes Wort erkämpft wurde. Über ihren ersten Roman, "Atemnot", der 2001, im Jahr darauf, erschien, notierte ich: Ein genaues Buch über die Ungenauigkeit des Lebens: Häuser werden in ungeeigneten Mafsen an der falschen Stelle errichtet; Menschen, die einander helfen könnten, kommen zu spät oder begegnen sich nicht; die Vorgeschichten haben zwar mit der Gegenwart zu tun, aber gehen mit anderen, unerfüllten Erwartungen an ihr vorbei. So sind alle Beteiligten gezwungen, mit einem trüben Gefühl des Ungenügens immer von neuem anzufangen. In dem Buch spiegelt sich auch die Lockerung, Auflösung einst verbindlich scheinender sozialer Zusammenhänge, wird die Inkongruenz der Lebenssphären und ihrer verschiedenen Idiome deutlich. Nichts Biographisches ist hier nachzutragen, bloß ein Unverkennbares im Schreiben der Eugenie Kain. Es ist dies die nie abreißende Suche nach dem menschlichen Zusammenhang, seinen Spuren auch dort, wo er nur mehr als ein zerbrochener erscheint. Die Ausstellung "Beim Schreiben werde ich mir fremd." (Eugenie Kain (1960 — 2010) Ist im StifterHaus Linz bis 27. Mai 2021 zu sehen.Auch ein Sonderheft der Literaturzeitschrift Rampe zu Eugenie Kain ist erschienen.