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war — im Gegenteil, um in der Bildmetapher der Kurz’schen Aussage zu bleiben, wurde es dann die Wochen und Monate darauf „zappenduster“. Es mengen sich also in das Dröhnende der dissonanten Pandemie-Narrative diean „Zauber und Magie des Kinderspiels“ erinnernden Narrative jener Politiker_innen ein, die eben jene Stimmung der Hilflosigkeit für ihre Demokraktie-zersetzenden Vorhaben ausschlachten. Sie geben den Menschen Schuldige, an denen sich die Aggression entladen kann. Die Umkehr vom Passiven — dem Erleiden - zum Aktiven: dem Ausforschen der Verantwortlichen ist hier auffallend: es seien „durch Reiserückkehrer und insbesondere durch Menschen, die in ihren Herkunftsländern den Sommer verbracht haben, uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt“ worden — so Kurz am 02. Dezember 2020. Hinter dem Schuldnarrativ steht der Bemächtigungstrieb, der von der anal-sadistischen Entwicklungsstufe des Kindes berichtet“‘, und dessen Destruktion sich u.a. in rassistischen Äußerungen konzentriert wiederfindet. Melanie Klein meinte, dass das frühe Gefühl des Nichtwissen, als Fragen und Probleme, die aus den ödipalen Strebungen auftauchten, noch „hinter die Ansätze des Sprachverständnisses““’ zurück reichten, sich mit einem Gefühl des Nichtkönnens verbinden. Das Anstoßen dieser „Anklagen im Unbewussten“ löse „in der Analyse außerordentliche Hassquantitäten aus.“ Die kaleidoskopartigen und oft widersprüchlichen Bilder die sich in der Pandemie ergeben, ein (noch) Nicht-Verstehen befördern die Regression — auch die Aggression (die Entwertung) — die Bewegung hin zu primitiven Abwehrmechanismen des Ichs, die zumindest temporär eine Angstbewältigung darstellen. Der psychische Apparat verträgt die Unlust nicht, er muß sich ihrer um jeden Preis erwehren, und wenn die Wahrnehmung der Realität Unlust bringt, muß sie — die Wahrheit also — geopfert werden.” Ferenczi schreibt zur Entwicklung des Ich vom Lust- zum Wirklichkeitsprinzip, „dass die uns von der Erfahrung aufgenötigte Ersetzung des kindlichen Größenwahns durch die Anerkennung der Macht der Naturgewalten den wesentlichen Inhalt der Ich-Entwicklung ausmacht.“°” Die Aberkennung der Naturgewalt im Sinne der Verleugnung ist eine Form von Regression. Die Entwicklung wird teilweise wieder auf die Stufe eines kindlichen Größenwahns rückgeführt, auch um — wie es Edith Jacobson im Zusammenhang der Verleugnung beschreibt — „den überwältigenden Druck des Über-Ichs und des Es abzuwehren.“ „Wir statt Virus“ lautete der Slogan der sogenannten Massentests in Wien. Und kann mit der Suggestion, dies „statt“ sei mittels Testungen erreichbar, ebenfalls als Bemächtigungsversuch verstanden werden. Die Sehnsucht ein Phänomen zu beherrschen, ist in den Massentests und ihrer Bewerbung in ein eindrucksvolles Bild gegossen. Die Unausweichlichkeit des Inneren trifft auf eine Unausweichlichkeit des Außen. „Vor sich selbst kann man nicht fliehen, gegen die innere Gefahr hilft keine Flucht, und darum sind die Abwehrmechanismen des Ichs dazu verurteilt, die innere Wahrnehmung zu verfälschen.“”” Der Pandemie kann man nicht entfliehen. Die Regression befördert die Rückgriffe auf die Fluchtmöglichkeiten der Kindheit — es winkt uns der Bemächtigungstrieb des Kinderspiels zu und grüßt die „Verleugnung in der Phantasie“. Freud schreibt: „Was immer das Ich in seinem Abwehrbestreben vornimmt, ob es ein Stück der wirklichen Außenwelt verleugnet oder einen Triebanspruch der Innenwelt abweisen will, niemals ist der Erfolg ein vollkommenerer, restloser.“°* Diese 12 _ ZWISCHENWELT Unlust-Verursacher im Außen gilt es zum Schweigen zu bringen — sie werden entwertet (die Entwertung ist ein weiterer primitiver Abwehrmechanismus) oder sollen mit dem Aufgebot ungeheurer Aggression zum Schweigen gebracht werden. ... Man macht auch die Beobachtung, dass der Unlustcharakter des Erlebnisses es nicht immer für das Spiel unbrauchbar macht.(...) Indem das Kind aus der Passivität des Erlebens in die Aktivität des Spielens übergeht, fügt es einem Spielgefährten das Unangenehme zu, das ihm selbst widerfahren war, und rächt sich so an der Person dieses Stellvertreters.” So wird aus dem Bedrohten der Bedroher” und die Angst in Angriff umgewandelt. Der Libido kommt die Aufgabe zu, den destruierenden Trieb unschädlich zu machen, ihn nach außen abzuleiten, gegen die Objekte der Außenwelt zu richten. „Er heiße dann Destruktionstrieb, Bemächtigungstrieb, Wille zur Macht.“ Die Bändigung des Todestriebes durch die Libido, erfährt in Zeiten einer von uns so zuvor nicht erfahrenen Realgefahr wohl neue Impulse. Was dies nun in den Erregungsmengen und für die Ableitung dieser hohen Erregung bedeutet, bleibt im Nebel einer anzunehmenden Triebentmischung”*. Die Verleugnung ist eine Möglichkeit des Ichs, der Angst und der Hilflosigkeit beizukommen und mittels Bemächtigungstrieb, der dem Lustprinzip die Hand reicht, will man sich ähnlich dem Kind im Spiel, durch das aktive Wegpostulieren des Virus in eine überlegene Position manövrieren, indem eine verlorene Situation zurückgeholt werden soll. Die ruhigeren Fahrwässer der präpandemischen Zeit wurden u.a. mit der Formel der österreichischen Regierung: „Neue Normalität“ beschworen, um uns das Alte wiederzugeben. Das Realitätsprinzip darf dabei im Attribut „neu“ lediglich verschlafen blinzeln. Der Begriff zeugt wie die weiteren ihn umgebenden Phänomene — so auch das Präventionsparadox — von einer Regression, die in Gang gesetzt wurde, in der man sich in etwas Vergangenes flüchtet bzw. die Vergangenheit ohne Virus in ein Hier und Jetzt geholt werden soll und uns etwas anderes Vergangenes dabei an der Hand nimmt. Die Angst ist, wie alle großen Gefühle, eine gute Historikerin; sie hat ein blitzschnelles Gedächtnis. Sie ist dagegen, daß sich das wiederholt, was schon einmal geschehen ist, ist gegen die Wiederkehr des Gleichen und sorgt doch dafür, daß sich das Leben in der Regel im Wiederholbaren abspielt.” Die „Historikerin Angst“ ist diesseits und jenseits des Lustprinzips trittfest. Diese regressive Form der Abwehr — das Verleugnen — ist ein Fluchtversuch, da wo es physisch kein Entkommen gibt: man entzieht sich dem „Erdbeben der Pandemie“ so gut man kann - bis „jenseits des Lustprinzips“. Auszuharren in dieser Angstschicht ist die Aufgabe des Lyrikers; hier spielen sich auch die wahren Vorgänge zwischen den Menschen ab, die Querschläger aus den Schußbahnen der Arbeitsteilung heraus, die Fäden, die nach den anderen hin gesponnen werden; keine, nicht die kleinste Liebe ist möglich, ohne irgendwie in die Angstschicht einzudringen. Hier ist eine Helle im Augenwinkel, wo sich unerhörte Dinge zeigen, die doch da sind, und die wir ausblenden, eine Öffentlichkeit des schnellen Wegschauens.“' In Jenseits des Lustprinzips rückt unter anderem das Problem des Traumas in den Vordergrund Freuds Interesses. Die ökonomische Definition des Traumas als Einbruch wird wieder aufgenommen und führt Freud sogar zu Aufstellung der Hypothese, dass eine exzessive Reizanflutung das Lustprinzip sofort aus dem Spiel bringt und den psychischen Apparat zwingt, eine dringendere