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45 „Spätestens Mitte August sei der Trend unübersehbar gewesen — da waren die Infektionszahlen ungefähr so hoch wie im März während des ersten Lockdowns. [Mathematiker Erich] Neuwirth versichert: ‚Wenn man rechtzeitig etwas getan hätte, hätte man es verhindern können.“ (https: // kurier.at/politik/inland/statistiker-neuwirth-kritisiert-zu-spaeten-lockdown-anstieg-war-im-august-absehbar/401096142 Zugriff: 08/01/2021) 46 „Auf der höheren Stufe der prägenitalen sadistisch-analen Organisation tritt das Streben nach dem Objekt in der Form des Bemächtigungsdranges auf, dem die Schädigung oder Vernichtung des Objektes gleichgültig ist.“ Freud, S. (19150): Triebe und Triebschicksale. GW 10, S. 231. 47 Klein, M. (1928): Frühstadien des Ödipuskonfliktes: Vortrag auf dem X. Internationalen Psychoanalytischen Kongreß zu Innsbruck am 3. September 1927. In: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 14(1): 67. 48 ebenda 49 Freud, S (19370): Die endliche und die unendliche Analyse. GW 16, S.82. 50 Ferenczi, S. (1913): Entwicklungsstufen des Wirklichkeitssinns. Schriften zur Psychoanalyse. Bd. I. Hrsg. und eingeleitet von M. Bälint. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main: S.150,151. 51 Jacobson E. (1978): Das Selbst und die Welt der Objekte. Suhrkamp: Frankfurt am Main (1.Auflage): S.195/196. 52 ebenda 53 Freud, A. (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen. Fischer Verlag: Frankfurt am Main: 2019 (24. Auflage): S.73. 54 Freud, S. (1940 [1938] ): Abriss der Psychoanalyse. Fischer Taschenbuch. 1994: S.100. 55 Literaturangaben: Freud, S. (1920g): Jenseits des Lustprinzips. GW 13: S. 14, 15. Georg Tidl Onkel Joschi In ZW Nr. 2-3 des vorigen Jahres (September 2020) sind Josef „Joschi“ Friedler achtzehn Seiten gewidmet. Es sind die Lebensjahre 1938 bis 1943, von denen er da berichtet. Friedler wurde 1911 in Wien geboren. Seine Eltern stammten aus Ostgalizien, die jüdische Familie wählte den Weg der Assimilation. Joschi besuchte das öffentliche Gymnasium in der Leopoldstatt, schloss sich mit Fünfzehn den sozialistischen Mittelschülern an, begann Medizin zu studieren und wurde Mitglied der Akademischen Legion des Schutzbundes. Nach dem Februar 34 trat er wie viele enttäuschte Sozialdemokraten der KPÖ bei. Von November 1936 bis März 1937 war er inhaftiert im Anhaltelager Wöllersdorf. 1938 flüchtete er nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich nach Frankreich. In Frankreich kämpft Friedler in den unterschiedlichsten Funktionen im antifaschisten Widerstand. Im August 1942 wurde er in Nimes verhaftet. Relativ bald gelang ihm aus einem Zwischenlager die Flucht; er setzte seinen Antifaschisten Kampf in Frankreich fort — bis Kriegsende.1947 beendete er sein Medizinstudium in Wien. „Kannst du bitte zum Onkel Joschi fahren, wir brauchen ein Rezept für die Großmutter!“. Zwei- bis dreimal im Jahr kam diese Aufforderung, die mich mindestens einen halben Nachmittag von Aufgabenheften und Schulbüchern befreite. Fünf Minuten zur Straßenbahn, sechs Stationen mit dem 66er, dann wieder fünf Minuten bis zum Haus Hardtmuthgasse 61. Wer während der Ordinationszeiten, Montag bis Freitag 15 — 18 Uhr, von der Laxenburgerstraße in die Hardtmuthgasse einbog, konnte, so das Wetter es zuließ, bereits fünf, sechs Personen in einer Warteschlange vor dem Haus stehen schen. Das niedere Spätbiedermeierhaus hatte eine zentrale Einfahrt, mehr für Fuhrwerke als für Autos gedacht. Nach rechts führte 14 2WISCHENWELT 56 Freud, A. (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen. Fischer Verlag: Frankfurt am Main: 2019 (24. Auflage): S.112. 57 Freud, S. (1924c): Das ökonomische Problem des Masochismus. GW 13: S.376. 58 „...was aggressives Verhalten meint; hier kann der Begriff Triebmischung-Entmischung zu einer Antwort beitragen. Tatsächlich umfasst er nicht einfach den Sachverhalt, dass Triebmischung unterschiedlichen Ausmaßes existieren, sondern die Idee, dass die Triebentmischung im Grunde genommen der Triumph des Destruktionstriebes ist, soweit dieser danach strebt, das Ganze zu zerstören, das im Gegensatz hierzu der Eros zu schaffe und aufrecht zu erhalten trachtet.“ J.Laplanche/J.-B.Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse. suhrkamp: Frankfurt am Main. 1999 (15.Auflage): S.44. 59 Artikel vom 6. April 2020: „Lockerung von Verboten: Kurz will Österreich zu ‚neuer Normalität‘ führen“ „https://www.sueddeutsche.de/politik/ oesterreich-sebastian-kurz-coronavirus-1.4869960; Zugriff: 05/01/2020 60 Kaiser, K. (2001): Das unsichtbare Kind. Essays und Kritiken. Sonderzahl Verlagsgesellschaft, Wien 2001, S.156. 61 ebenda: S.157. 62 J.Laplanche/].-B.Pontalis: Das Vokabular der Psychoanalyse. suhrkamp: Frankfurt am Main. 1999 (15.Auflage): S.517. 63 Freud, S. (1920g): Jenseits des Lustprinzips. GW 13, S. 32. 64 ebenda 65 Freud, S. (1907): Der Wahn und die Träume. GW 7, S. 74. 66 ebenda ein schmaler ebenerdiger Gang direkt ins Wartezimmer. Drinnen und, wie gesagt, auch draußen warteten überall Patienten. Spärlich besucht oder gar leer habe ich die Ordination nie vorgefunden. Dass es keine Wohlhabenden oder gar Reiche waren, die da harrten, an die Reihe zu kommen, sah ich immer auf den ersten Blick. Es war ein Querschnitt durch die Favoritner Bevölkerung, ein Querschnitt eher durch die unteren sozialen Schichten: vom heruntergekommenen Gelegenheitsarbeiter bis zur billig aufgedonnerten Greißlerin. Dr. Josef Friedler war ein in der Gegend schr beliebter Arzt. Ein Wartezimmer für Privatpatienten gab es nicht. „Du brauchst diesmal nicht zu warten, Du kannst gleich reingehen, die Rezepte hat er schon vorbereitet!“ Vom Behandlungszimmer gingen zwei Fenster direkt auf die Leebgasse. Der Ausblick: Vorstadtidylile. Quer im Raum stand Onkel Josschis Schreibtisch. Der schmale linke Teil des Tisches zeigte zu den Fenstern. Halbrechts hatte Onkel Joschi die Tür zum Wartezimmer im Blick. Mit dem Rücken zur Wand saß er; freundlich lächelnd streckte er mir die erwüschten Rezepte entgegen. Er war wegen der vielen Wartenden immer unter Druck. Mit Wehwehchen durfte man ihm nicht kommen, da konnte er grantig werden. „Das musst du verstehen. Ein Mensch, der so viel mitgemacht hat, so viel Leid und Schmerz, solche Untaten und Verbrechen nicht nur gesehen, sondern selbst erlebt hat, der kann kleine Leiden, geringe Schmerzen nicht mehr ernst nehmen.“ Onkel Joschi war natürlich kein wirklicher Onkel. Ich hatte damals viele Onkel und Tanten, KommunistInnen aus dem Freundeskreis meiner Eltern. Mit Onkel Joschi verband sie zweierlei. Er war neben seiner ärztlichen Praxis in Favoriten auch Betriebsarzt der OMV, später ÖMV, am Erdölbohrfeld. Dort arbeitete auch mein Vater. Meine Mutter kannte „den Joschi“ schon seit der Zeit des Austrofaschismus, aus dem antifaschistischen Widerstand an Wiener Universitäten.