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Alexander Emanuely Lieder aus dem Lager Am 21. April 1967, dem Tag des Militärputsches, zählte Giannis Ritsos zu den ersten, die verhaftet wurden. Bald nach der Internierung, in der in ein Gefangenenlager umfunktionierten Pferderennbahn von Athen-Faliro, deportierten die Putschisten den Dichter mit tausenden Anderen zuerst auf die Gefangeneninsel Jaros, dann in das Lager Partheni auf Leros, wo die „18 Volkslieder vom bitteren Vaterland“ entstanden. Heimlich schrieb Ritsos in Gefangenschaft Gedichte, die aus dem Lager geschmuggelt wurden. Renommierte Verlage, wie Wagenbach oder Gallimard, publizierten sie in Folge. Nach internationalen Protesten, u.a. seitens Max Frisch, Ingeborg Bachmann, Picasso, Louis Aragon, Pablo Neruda, konnte der schwer erkrankte Lyriker 1968 das Lager verlassen. Bis zum Ende der Militärdiktatur lebte er zuerst im Haus seiner Frau, der Ärztin Garyphalitsa Georgiades, in Karlovasi auf Samos und schließlich in Athen unter strengem Hausarrest. Louis Aragon schrieb 1971 über Giannis Ritsos: „Als ich erst einige wenige seiner Texte gelesen hatte, wusste ich noch nicht, dass er der größte unter den lebenden Dichtern dieser Epoche war, der wir angehören - ich schwöre, dass ich es nicht wusste. Ich habe es erst nach und nach erfahren, mit jedem weiteren Gedicht, fast hätte ich gesagt: mit jedem weiteren Geheimnis; denn jedes Mal war ich erschüttert wie bei einer Offenbarung, einer Apokalypse. Apokalypse eines Menschen und eines Landes — tiefe Einsicht eines Menschen und abgrundtiefes Bewusstsein, verankert in der Kultur eines Landes.“ 16 Lieder der „AEKAOXTW AlAVoTpAyoUda TNG TUKPNG Tatpidac (Dekaojté Lianotraguda tis Pikris Patridas) schrieb Giannis Ritsos an einem Tag, am 16. September 1968. Die Lieder XVI und XVII wurden am 1. Mai 1970 gedichtet und das Lied VII im Jänner 1973 umgeschrieben. Die Lieder entstanden, auf Wunsch des im Pariser Exil lebenden Miki Theodorakis, der sich von seinem alten Freund Ritsos neue Gedichte zum Vertonen gewünscht hatte. Und so wie alle Gedichte Ritsos aus dieser Zeit wurden auch die Lieder aus dem Lager geschmuggelt. Eigentlich sollten sie, auf Wunsch des Autors, weder gedruckt, noch übersetzt, sondern nur gesungen werden. Trotzdem sah sich Ritsos, als Marcus 6. Patka er frei kam, mit unzähligen Veröffentlichungen und Übersetzung konfrontiert, woraufhin er seinen Wunsch revidierte. Theodorakis vertonte die Lieder, die ihm gewidemt sind, um 1972. Die Uraufführung fand am 17. Jänner 1973 in der Prince Albert Hall in London statt. Mitwirkende waren u.a. Maria Farantouri. Gleich nach dem Konzert wurde in Paris bei EMI eine erste LP produziert. In Griechenland kursierte auf Kassetten eine im Untergrund produzierte Aufnahme mit Giorgos Dalaras und Anna Vissi. Ins Deutsche übertragen wurden die Gedichte 1974 erstmals von Alex Georgiades. Man hatte die „18 kleinen Lieder der bitteren Heimat“ für das Plattencover der bei Metronome-Records erschienen und für den deutschen Markt bestimmten LP übersetzen lassen. Lorenz Gyömöreys Übertragung stammt aus dem Jahr 1974. Er veröffentlichte sie 1977 in seinem Buch „Auf den Spuren der Mütter“, wo er schrieb „1973 hörte ich zum erstenmal die ‚18 Volkslieder vom bitteren Vaterland‘ des Dichters Yannis Ritsos in der Vertonung durch Mikis Theodorakis. Im selben Jahr übersetzte ich diese achtzehn Vierzeiler. Während der Übersetzung wurde mir immer klarer, daß sich hier, in dieser fast kargen Bildersprache, eine vollkommene Zusammenfassung des Griechentums spiegelt. So kam mir der Gedanke, diese Gedichte gleichsam als Ordnungsprinzip ftir die ‚Improvisation‘; aus einem Gefühl der Entsprechung, aus dem Wunsch heraus, alles, was ich in diesem Zusammenhang erfahre, erkannt, gedacht habe, unter die Patenschaft eines Textes zu stellen, in dem das ‚Griechische‘, so wie es sich mir dargestellt hat, unmittelbar Ausdruck findet.“ Nach dem Ende der Militärdiktatur fand am 10. Oktober 1974 im Karaiskaki-Stadion in Piräus das Konzert „Die Zeit ist für die Lieder und gegen die Panzer“. Das Fußballstadion liegt in direkter Nachbarschaft der Pferderennbahn von Athen-Faliro. Das von 40.000 Menschen besuchte Konzert war der erste Auftritt Miki ‘Theodorakis nach der Rückkehr aus dem Exil. Auf dem Programm standen u.a. die „18 Volkslieder vom bitteren Vaterland“. Literatur Louis Aragon: Le plus grand poéte vivant s‘appelle Yannis Ritsos. In: Les lettres francaises. Nr. 1378 vom 24. März 1971 Lorenz Gyömörey: Auf den Spuren der Mütter. Wien 1977 Yannis Ritsos: Dix-huit petites chansons de la patrie amére. Paris 2020 „Ich lebe seit 13 Jahren in Griechenland. Ich bin österreichischer Staatsbürger. Den Griechen gegenüber bezeichne ich mich gerne als ‚kultureller Flüchtling‘, was auf Griechisch ein Wortspiel mit ‚politischem Flüchtling‘ ergibt: ‚politikos — politismos prosphygas. Das Wort bezieht sich auf die sogenannte Abendländische Kultur, freilich mittelbar auch auf Österreich, wo ich 17 Jahre lang an einem kulturellen Institut tätig war, mit dem Ergebnis, daß ich vor dem Abendländischen die Flucht ergriffen habe.“ So begann Lorenz Gyömörey seine Rede anlässlich der Feier der österreichischen Botschaft in Athen zum Nationalfeiertag 1987 38 _ZWISCHENWELT mitten im Waldheim-Wirbel, zwei Jahre vor seinem Tod. Bereits 1974 war er zu einem solchen Empfang eingeladen worden: „Es war drei Monate nach dem Zusammenbruch der griechischen Militärdiktatur, und zu meiner größten Freude traf ich beim Empfang in der Residenz des österreichischen Botschafters eine Reihe von Politikern, mit denen ich während der Diktatur Kontakt hatte (im Rahmen der an und für sich eher dürftigen Hilfe, die Österreich dem griechischen Widerstand leistete), und von denen einige Mitglieder der neuen ‚Regierung der Nationalen Einheit‘ unter Karamanlis waren. Diese Begegnung, gerade auf