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‚österreichischem Boden‘, verbunden mit der beinahe voll Rührung ausgedrückten Dankbarkeit der Griechen gegenüber Österreich, gab mir die Gelegenheit zu einem cher seltenen Gefühl: des Stolzes auf meine Heimat.“ Dieser Identitätskonflikt sollte Lorenz Gyömörey ein Leben lang begleiten. Als Österreicher ungarischer Herkunft fand er zu seiner griechischen Seele. Lorenz Gyömörey war ein enger Freund meines Vaters und als solcher quasi ein Familienmitglied. Er hatte meinem Vater Etele Patka 1956 zur Flucht aus Ungarn verholfen und ihn sechs Jahre später mit meiner Mutter Erika (geb. Kristof) getraut. Dies geschah in der Kapelle des Caritas-Studentenheims in der Seilerstätte 30, zugleich Sitz des Internationalen Kulturzentrums (IKZ), als dessen Generalsekretär Gyömörey fungierte. Heute beherbergt das ehemalige Palais Erzherzog Carl das „Haus der Musik“. Persönlich verdanke ich Lorenz prägende Jugenderinnerungen wie intellektuelle Anregungen und letztendlich die Liebe zur griechischen Kultur, insbesondere zur Musik. Ab 1974 lebte er in Athen und auf der Kykladeninsel Amorgos, bereits 1966 hatte er hier die „Stille der Einöde, einen Schafstall am Berg über der Bucht von Katapola mit Ausblick auf das freie Meer“? gefunden, wie Michael Guttenbrunner es verzeichnete. Zusammen mit meinen Eltern wurde dieses bescheidene Haus ausgebaut, und so waren wir dort in allen Sommern meiner Kindheit vereint. Der Flurname des Ortes lautet Stanera („Bei den Wassern“), weil er unterhalb einer Quelle liegt. Seit der Antike war dies ein fruchtbarer, angeblich sogar ein heiliger Ort, doch seit dem großen Erdbeben 1956 entquillt nur noch ein Bruchteil des Wassers dem schmalen Tal oberhalb. Ende des 19. Jahrhunderts gab es auf Amorgos noch mediterrane Wälder mit Pelztieren, heute ist die Insel eine verkarstete Gebirgslandschaft. Auf den stark gefalteten Hängen ohne Bäume und pickelhartem Erdreich rinnt das selten gewordene Regenwasser allzu schnell ab, das Mauerwerk der Terrassenkultur verfällt, die Bauern sind längst abgewandert. So bewundernswert und intelligent Ziegen auch sein mögen, in ihrer Überlebenskunst verschlingen sie erbarmungslos jeden Jungtrieb und sind ein Teil des ökologischen Raubbaus. Nachts hörten wir vom Meer aus der Ferne Detonationen, doch auch die Fischerei mit oder ohne Dynamit ernährte schon damals keine Familie mehr, die Haupteinnahmequelle der Einheimischen bleibt der Tourismus, in knapp sechs Wochen muss ein Jahresumsatz erwirtschaftet werden. Damals in den 1970er Jahren waren hier noch die letzten Spuren des „alten“ Griechenlands zu sehen. Ein Bauer pflügte sein Feld unterhalb des Hauses mit zwei Ochsen und ... einen Schafstall am Berg über der Bucht von Katapola. Foto: Lorenz Gyömörey, um 1970 einer Astgabel, wie zu Anbeginn menschlicher Sesshaftwerdung. Zwei Bauern ritten täglich auf dem Esel zu ihren Ziegen auf der oberhalb gelegenen, einst fruchtbaren Hochebene. Einer davon sprach immer mit seinem Esel oder sang ihm Lieder vor, was nachts etwas unheimlich wirkte. Mitunter brachte er uns frisches Weifbrot vom Backer im Dorf mit. Bis 1970 bestand der Hafen nur für Fischerboote, die seitwärts am Passagierschiff anlegten und Kisten, Betten sowie natürlich Menschen und Ziegen umluden. Zur selben Zeit wurde die erste Autostraße zwischen dem Hafen Katapola und dem Hauptort Chora auf einer Bergspitze gebaut. Für die nächsten zehn Jahre gab es immerhin ein Lastauto, ein Taxi und den Schulbus, mehr Bedarf war nicht vorhanden. Erst nach dem EU-Beitritt Griechenlands 1981 wurden mit Geld aus Brüssel alle Dörfer der Insel mit Autostraßen verbunden. Die berühmteste Tochter der Insel ist die Archäologin Lila Marangou, die zusammen mit ihrem Assistenten Georgios Gavalas und Studierenden die antike Stadt Minoa auf dem Berg hinter Katapola ausgrub. Lorenz charakterisierte sie als „ein mit Dynamit und Flöhen gefüllter Sack“, worüber sie beide herzlichen lachten. Sie avancierte als erste Frau Griechenlands zur Rektorin einer Universität, jener zu Ionannina im nördlichen Epirus-Gebirge. In ihrer Kindheit war sie noch zum Orakel von Amorgos gegangen, das seit der Antike aus einer Quelle gelesen wurde. Die Tradition war über 2000 Jahre fortgesetzt worden, bis ein verständnisloser Kirchenfürst den Orakelplatz in den 1960er-Jahren zumauern ließ. Findige Bauern nutzten dann einen Strohhalm, um an das Wasser zu gelangen. Die berühmteste Schenswürdigkeit der Insel ist das Kloster Chozoviotissa aus dem 11. Jahrhundert, in eine senkrecht abfallende Wand hineingebaut und dem Sonnenauf gang zugewandt. Unser Haus war von Katapola aus nur durch einen halbstündigen Marsch auf einem unbefestigten und nachts unbeleuchteten Fußweg erreichbar, Trinkwasser wurde aus der Quelle geholt und im Winter in der neu gebauten Zisterne gesammelt. Elektrischen Strom hatten wir keinen, dafür eine große Anzahl an wunderschönen, altösterreichischen Petroleumlampen, ein Überbleibsel aus Lorenz‘ Kindheit, die er wie ein Heiligtum pflegte und vor unserer kindlichen Zerstörungswut hütete, wobei mein älterer Bruder Alexander schon damals wesentlich ordentlicher war als ich. Unsere wundervolle Oma Katharina Kristof war auch immer dabei und handelte sich von Lorenz (für ihn war sie , Mama Kristof“) eine strenge Predigt in Sachen „Eingriff in die Privatsphäre“ ein, weil sie seine von Ölspritzern am Herd Juni 2021 39