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Für viele Jahre war das Denkmal vor der Justizanstalt Stein das einzige sichtbare Zeichen für das Massaker. Errichtet wurde das Denkmal am 24. August 1946 vom „Antifaschistischen Griechischen Komitee“. Während bisher nur die kurzen Zeitungsnotizen im „Neuen Österreich“ und im „Kurier“ Auskunft über die Eröffnung gaben, blieb unbeachtet, dass in der Zeitschrift des Antifaschistischen Griechischen Komitees ein langer Artikel über die Einweihungsfeier veröffentlicht wurde. Da es sich um ein außergewöhnliches Dokument handelt, sei es hier zur Gänze zitiert.” Dem Artikel vorangestellt sind Gedichtzeilen von Lorentzos Mavilis: Nicht nur die Marathonkämpfer Haben dich gepriesen, Vaterland! Dich haben Leonidas und seine Dreihundert Nicht alleine gepriesen. Die Enthüllung des Denkmals der griechischen Faschismus-Opfer in Stein Am Samstag, den 24. August 1946 um 11 Uhr hat in Krems eine Enthüllung in rührender Stimmung, mit Bescheidenheit und Schönheit stattgefunden, nämlich die Enthüllung des Denkmals, das von der Griechischen Antifaschistischen Organisation Wien dort aufgestellt worden ist, zur Ehre der 150 griechischen Antifaschisten, politischen Häftlingen, die am 6. April 1945 im Zuchthaus Stein von der SS und den Beauftragten der Gestapo ermordet wurden. An dieser würdevollen Feier haben über 150 griechische Mitglieder unserer Organisation teilgenommen, aber auch Vertreter der Griechischen Gemeinde Wien, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und StudentInnen — das Feinste, das Gewissenhafteste, das Beste, was das griechische Element vorzuweisen hat — sowie viele Leute aus Krems und Stein, darunter auch der Bürgermeister und die VertreterInnen von drei politischen Parteien Österreichs sowie der russischen Kommandantur von Krems. Auf Deutsch hat der Arzt Th. Spanoudis, Generalsekretär der Griechischen Antifaschistischen Organisation Wien, seine Rede gehalten. Mit sehr rührenden Worten, voll Patriotismus, hat er den Heldenmut und die Ausdauer der Opfer der tragischen Geschehnisse vom 5. und 6. April 1985 beschrieben und auf die Pflichten hingewiesen, die die heldenhafte Opferung so vieler junger griechischen Leute hier, in der Fremde, uns Griechen für die Freiheit und die Selbstständigkeit unserer Heimat auferlegt hat. Seitens der österreichischen Behörden hat der Bürgermeister von Krems gesprochen, der im Namen seiner MitbürgerInnen den 150 griechischen Patrioten Ehre erwiesen und das Denkmal offiziell in Verwahrung der Stadt Krems genommen hat, mit dem Versprechen, „es den nachkommenden Generationen als ein Sinnbild des internationalen antifaschistischen Kampfs unversehrt weiterzugeben.“ Herr Professor G. Laios hat auf Griechisch gesprochen. „Seit dem vorjährigen Frühling sind weitere 150 Griechen ins Pantheon der Unsterblichen aufgenommen worden, die hier in Krems auf dem Opferaltar der Freiheit gefallen sind, indem sie einen tragischen Tod gestorben sind. Als eine Erklärung der Ehre und der Bewunderung an diese freien Seelen hat das patriotische Herz und der gemeinschaftliche Beitrag der griechischen Antifaschisten Wiens dieses schlichte und würdevolle Grabdenkmal aufgestellt. Dieses Denkmal wird in Zukunft die Einwohner sowie die Fremden daran erinnern, dass einige politische Häftlinge aus Griechenland, eingesperrt aber frei in der Seele, gleich den freien Belagerten, dem Schrecken des 62 _ ZWISCHENWELT Faschismus tapfer die Stirn geboten haben. Diese Griechen sind echte Vertreter der griechischen Seele, sie sind die lebende Geschichte des neuen Griechenlands. Keine böswillige Absicht kann nun, nach dem erwiesenen Heldenmut der griechischen jungen Leute von Stein, den Namen der Griechen hier in der Fremde beflecken. Deshalb haben wir uns alle, Fremde und Angehörige, heute hier mit Gefühlen des Stolzes, der Bewunderung und des Respekts versammelt, um uns den heldenmütigen Gestalten zu stellen und die heldenhaften Schatten, die in diesem Augenblick wie eine heilige Prozession an uns vorbeimarschieren, mit den unverwelklichen Blumen der Ehre und der Dankbarkeit zu krönen und ihnen zu sagen: Heldenmütige Brüder, eure Erinnerung wird ewig in unseren Herzen bleiben!“ Zuletzt hat auch der russische Kommandant von Krems gesprochen, der in seiner schönen, kurzen Rede „an die ehrwürdigen Vertreter der edlen Griechischen Nation“ betont hat, dass man aus dem Beispiel dieser Helden, sowie so vieler anderen griechischen Patrioten, Opfer des Faschismus, lernen soll und dass dies als ein Beginn eines demokratischen und freien Griechenlands dienen muss. Unter den Klängen unserer Nationalhymne haben zwei Mitglieder unserer Organisation das Denkmal enthüllt. Die hübsche patriotische Feier wurde von einem kleinen griechischen Fest im Theater von Krems abgeschlossen. Unsere feinen Künstler der Wiener Oper, Frau Elena Nikolaidou und Herr V. Kosmas, haben griechische patriotische Volkslieder gesungen. Zwei Tänzerinnen aus Griechenland, die die Chladek-Ausbildungsstätte besuchen, haben zusammen mit einem griechischen Künstler griechische Nationaltänze getanzt. Der griechische Pianist Herr Mexis, sowie die Wiener Tänzerin und Tanzlehrerin Frau A. Berga haben ebenfalls mit ihrem künstlerischen Beitrag freundlich an der Feier teilgenommen. Die Textierung des Denkmals ist eindeutig und lässt keinen Spielraum für Verharmlosung: „Zur Ehre unserer Antifaschisten, die, als politische Häftlinge aus Griechenland in das Zuchthaus Stein gebracht, am 6.IV. 1945 von der Waffen-SS ermordet wurden.“ Gerasimos Garnelis und Krems Eine für Krems zentrale Figur bei diesem Gedenken war Gerasimos Garnelis. Der chemalige griechische Häftling hatte das Massaker überlebt und konnte nicht in seine Heimat zurückkehren. Er blieb nach seiner Befreiung und einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt in Krems. Er war es auch, so berichtete er in mehreren Interviews, der für das erste Denkmal gesorgt hatte. In den Jahren unmittelbar nach der Befreiung war das Gedenken am 6. April eine offizielle Angelegenheit, die von der Stadt aber auch von den Vertretern der sowjetischen Besatzungsmacht, begangen wurde. Als die Opfer des Massakers 1950 exhumiert wurden, war auf Anordnung des Bürgermeisters die Stadt schwarz beflaggt. Nach dem Ende der Besatzungszeit und mit dem Wiedererstehen des unabhängigen Österreichs änderte sich die Situation in Krems, da für den neuen Bürgermeister Franz Wilhelm bei der Erinnerung an die Opfer zwischen 1938 und 1945 die toten Soldaten und Zivilopfer im Mittelpunkt standen. Dass Gerasimos Garnelis in Stein inhaftiert war und er das Massaker überlebt hatte, wusste man in Krems — zumindest manche —, doch es hat einige Jahrzehnte gedauert, bis er das erste Mal öffentlich über seine Erlebnisse sprach. Wie lange es gedauert hat, bis Gerasimos Garnelis über seine Geschichte sprach, zeigen die Artikel, die in der „Volksstimme“ erschienen. Im Jahr 1955,