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Sekunde die Besinnung verloren hatte. Die meisten Zeugen, denen es gelang zu entkommen, können bestimmt nicht viel aussagen, weil sie den Vorfall nicht vom Anfang bis zum Ende miterlebten. Hoffentlich greift das Gericht durch und verurteilt diese Mordbanditen der SS zu der einzigen, ihnen gebührenden Strafe, zum Aufhängen. Sollte der Prozess schon vorüber sein, so teile mir doch bitte das Ergebnis mit. Ich bin direkt gespannt darauf. Zum Schluss, lieber Karl, möchte ich Dir nochmals meinen Dank dafür aussprechen, dass Du uns und ganz besonders mir, während der Zeit, wo wir mit unseren Verletzungen ohne ärztliche Behandlung dalagen, eine Pflege hast zuteil werden lassen, wie sie eine Mutter ihren Kindern nicht besser angedeihen lassen kann, und das trotz des Umstandes, dass Du selber noch nicht ganz hergestellt warst. Lass den Mut nicht sinken Karl, wenn auch Verschiedenes nicht so eingetreten ist, wie wir es uns erwartet haben, so liegt es nur an unserer zähen und unermüdlichen Arbeit, den internationalen Drahtziehern des Monopol- und Finanzkapitals das Handwerk zu legen, damit es ihnen nicht wieder gelingt, die Völker in einen neuen Krieg zu stürzen, der noch größeres Elend und mehr Opfer als der letzte Krieg einbringen würde. Wenn es Dir möglich ist Karl, dann besorge mir bitte mal die Adresse von Kapeller aus Krems und grüß ihn von mir. Vielleicht habe ich Gelegenheit an ihn zu schreiben. Solltest Du einen unserer gemeinsamen Bekannten von damals treffen, so grüße sie auch von mir. Wenn ich Gelegenheit und Zeit hätte, so würde ich Dich besuchen, aber es geht leider nicht. Gib mir bitte bald Nachricht. Bis dahin aber lieber Karl, lass es Dir gut gehen und recht herzliche Grüße (auch von meiner Frau) an Dich und Deine Familienangehörigen von Deinem Freund Max Hoffmann Berlin SW 29 Heimstrafse 20.“ Der tschechische Haftling mit dem Namen Jaro, der ebenfalls in den Gustloff Werken in der Patronenfabrik gearbeitet hat, war Jaroslav Petras, der auch auf dem Leichenhaufen gelegen ist und den Häftlinge ins Sanatorium gebracht haben." Mit der Publikation der Erinnerungen von Nikos Mavrakis ist eines klar: Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist längst noch nicht geschrieben. Ein zweiter Band mit Erinnerungen von weiteren Häftlingen aus Griechenland ist bereits geplant. So liegen weitere Berichte, die zum Großteil übersetzt wurden Thomas von der Osten-Sacken Die „Republik der Staatenlosen“ Gespräch mit Thomas Wallerberger Das folgende Interview mit dem Publizisten und Geschäftsführer der Hilfsorganisation „Wadi e. V.“, Thomas von der Osten-Sacken, wurde am 27.9.2020 geführt, etwa zwei Wochen nach einem verheerenden Großbrand im Flüchtlingslager Moria. Kurz nach dem Brand wurde ein provisorisches Ersatzlager errichtet. Auf der griechischen Insel Lesbos unterstützen er und sein Hilfswerk vor allem lokale, von Asylwerbern selbst-verwaltete Organisationen und die griechische Nicht-Regierungs-Organisation „Stand by Me Lesvos“. 68 _ ZWISCHENWELT von Athanasios Kintsakis und Dionysios Charalambous, vor. Darüber hinaus gibt es die Geschichten von Häftlingen, die noch an Hand von Familienerinnerungen zu berichten sind. Da wäre das Dorf Orchomenos, damals Petromagula, in Böotien, wo einige Burschen Kartoffeln stahlen und dann ins Zuchthaus nach Stein kamen. Und Porto Rafti, Markopoulo, wo Stavros Sfetsas lebte, der die Schuld für die versteckten Waffen der Engländer auf sich nahm, um seinen Bruder, der frisch verheiratet war und dessen Frau ein Kind erwartete, zu retten. Stavros wurde beim Massaker 1945 in Stein ermordet. Anmerkungen 1 Antonis Sanoudakis: Widerstand in Griechenland und Stein. Die Geschichte von Nikos Mavrakis. Weitra: Bibliothek der Provinz 2020. 189 S. 2 Die freie Stimme. 15.9.1946. No.1. S.2. Für die Übersetzung aus dem Griechischen danke ich Marianna. 3 Ebd. 4 Susanne Wantoch: Der blutige Freitag zu Stein. Volksstimme, 3.4.1955. 5 Karl Mörwald: Der blutige Freitag von Stein. Volksstimme, 5.4.1965. 6 Mein Dank gilt hier Reinhard Linke vom ORF, der mir folgende Daten über Filmberichte zum Gedenken an das Massaker 1945 zur Verfügung stellen konnte. * 7. April 1965; „Streiflichter“; 1,40 min; 0.T., ohne Redakteursangabe. * 5. April 1995; „NÖ heute“; 3,32 min; 1945: Das Massaker von Stein, Red.: Franz Eiselt. * 24. November 2008; „NÖ heute“; 2,17 min; Erinnerungen an SS-Opfer/ Denkmal, Red.: Paul Schmitzberger. * 7. April 2014; „NÖ heute“; 2,03 min; Gedenktag Massaker Stein, Red.: Nina Flori. 7 Der auf Griechisch verfasste Brief vom Februar 2015 liegt dem Verfasser im Originalwortlaut vor und ist von Dr. Robert Streibel und Nick Mangafas gezeichnet. 8 Volksstimme, wie Anm. 4. 9 Ebd. 10 Antonis Sanoudakis: Widerstand in Griechenland und Stein. Die Geschichte von Nikos Mavrakis. 11 Antonis Sanoudakis, wie Anm.10. 12 Karl Maria Amreich, Klein Gaisfeld (Steiermark) Interview mit Robert Streibel 6.6.1985. 13 Max Hoffmann in Berlin (damals DDR) Interview mit Robert Streibel am 3.9.1985. 14 Max Hoffmann an Karl Maria Amreich. 9.6.1946. Privatarchiv Robert Streibel. 15 Ich erlebte meinen Tod. Jaroslav Petras über die letzten Tage der Naziherrschaft im Zuchthaus Stein. April 1972. (Ins Deutsche übersetzt von Helmut Juricek). Privatarchiv Robert Streibel. In den Diskussionen um Flucht und Asyl bekommt man den Eindruck, dass die Menschen, über die gesprochen wird, nur noch eine Form von „nacktem Leben“ jedoch keine Rechte mehr hätten. Hat sich an den Grenzen Europas und in Camps wie Moria auf Lesbos, so etwas wie ein rechtsfreier Raum entwickelt? In Griechenland gibt es viele Flüchtlingslager, die Camps auf den ost-ägäischen Inseln, diese sogenannten Hotspots, haben aber