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Asylwerber anzuerkennen und sie dann in anderen Ländern aufzunehmen. Griechenland war nie ein Zielland von Flucht, das ist es erst durch das Dublin-Abkommen geworden. Man würde Griechenland viel mehr helfen, wenn man anerkannte Asylbewerber übernehmen würde, anstatt eine Diskussion um 5 oder 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu führen, die letztlich aus einem politischen ein „Ach, die Armen Kinder“-Problem macht. Ja, denen geht es schlecht. Ja, es ist eine Katastrophe, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Moria-Camp festgehalten wurden, aber es ist trotzdem nicht das zentrale Problem. Wenn wir nun asylpolitische Fragen als vor allem politische Fragen diskutieren, was ist dann der größere, auch aufenpolitische Kontext? Erstmal ist es so: die meisten Menschen wollen nicht fliehen. Sie wollen zu Hause Bürger sein und ein Leben haben, das nicht nur aus Überleben besteht. Wir kennen diese simple Wahrheit auch innerhalb der EU gut genug: So sonderlich viele Gastarbeiter fahren heute nicht mehr über den Brenner, eben weil die Lebensbedingungen in Italien heute so sind, dass man lieber in Italien bleibt und bleiben kann. Die Vorstellung, dass es der Traum der halben Menschheit ist in einer grauen, hässlichen und verregneten Kleinstadt irgendwo in Österreich oder Deutschland zu leben, ist dann doch ein bisschen narzisstisch geprägt. Das Zweite: Flüchtlingspolitik bedeutet ein innenpolitisches und ein außenpolitisches Problem. Außenpolitisch, weil es natürlich verrückt ist, wenn Aktivisten dagegen demonstrieren, dass man Assad das Handwerk legen soll und ausschließlich gegen den jeweiligen europäischen Staat demonstrieren, der nicht genug Flüchtlinge aufnehmen würde. Hätte man Assad 2012 bekämpft, wäre nicht einmal die Hälfte aller syrischer Flüchtlinge gekommen. Diese Zusammenhänge sind so sehr auf der Hand liegend, dass es fast schon schmerzhaft ist, dass man auf sie hinweisen muss. Das innenpolitische Problem berührt die Frage nach Staatsbürgerschaft. Da müssen wir über die Idee von Staatsbürgerschaft und die Begriffe „Integration“ und „Zukunft“ reden. Wir müssen aufhören, Menschen die ganze Zeit in diesem Dauerflüchtlingszustand zu halten. Die Maxime sollte es sein, dass alle Beteiligten versuchen den Flüchtlingsstatus Alexander Emanuely Tränen und Marmor Chronik: 200 Jahre Griechenland zwischen Unterdrückung und Befreiung Und so vermerkte die Akropolis nach Ablauf dieser zweitausendfünfhundert Jahre aufihren Tafeln: „Heute, am 28. Oktober, genau 1940 Jahre nach Christi Geburt, umbrandet der Krieg von neuem meine Marmorstufen.“ Melpo Axioti, aus dem 1949 erschienen Roman „Tränen und Marmor“ 1821 bis 1862 25.3.1821 Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen das Osmanische Reich. Die Aufständischen werden vom russischen Offizier Fürst Alexander Ypsilanti angeführt. Der 1814 von NationalistInnen in Athen und Odessa gegründete politische Geheimbund „Filiki Eteria“, Freundschaftsbund, organisiert den Aufstand. Sie erhalten eines Menschen möglichst schnell wieder abzuschaffen. Das ist die Idee der Genfer Flüchtlingskonvention. Ein Flüchtling ist jemand, der von A nach B unterwegs ist. Stellt er einen Antrag, ist er Asylbewerber. Wird der deportiert, ist er abgelehnter Asylbewerber und soll wieder Bürger des Landes werden, von dem er kommt. Im Moment produzieren wir einen Haufen de facto Staatenlose, die niemand will. Staatenlose sind, das hat Arendt richtig festgestellt, toxisch, weil sie das konstitutive Merkmal der Moderne, nämlich den bürgerlichen Nationalstaat, in Frage stellen. Sie werden damit zu einem humanitär zu verwaltenden Problem, zu Flüchtlingen eben. Fakt ist aber auch, dass dieser Begriff hier nicht greift. Es ist schon ein riesiger Unterschied, ob wir von Asylbewerbern sprechen, und das sind alle hier in Moria, oder ob wir von Flüchtlingen reden, das ist nämlich keiner von denen. Der Flüchtling ist derjenige auf dem Schlauchboot, der übersetzt und seinen Status in der Türkei verliert und noch keinen neuen Status in Griechenland hat. Wenn dieser Flüchtling es in Griechenland schafft nicht zuriickgeschoben zu werden — nicht illegal deportiert zu werden —, sondern hier einen Asylantrag stellt, ist er kein Flüchtling mehr, sondern ein Asylbewerber in der hellenischen Republik. Alleine wenn man auf der Rechtsebene spricht, merkt man, wohin dieser Flüchtlingsdiskurs eigentlich führt. Er höhlt die Grundidee dessen, was ein Rechtsstaat ist und das Verständnis von Bürgertum, im emphatischen Sinne des Citoyens, aus und lässt diejenigen Leute, die brutalste Gewalt gegen Menschen propagieren, aber auch diejenigen, die aufeinen Mitleidsdiskurs setzen, die Diskussion dominieren. Beides ist im Kern eine unglaubliche Entpolitisierung. Thomas von der Osten-Sacken ist Geschäftsführer und Mitbegründer der deutsch-irakischen Hilfsorganisation „Wadi e. V.“, mit der und für die er seit den 1990er-Jahren im Nahen Osten arbeitet. Er ist freier Publizist und schreibt u.a. für die „Jungle World“, „Die Welt“, „Perlentaucher“, „Ihe European“. Er unterstützt und berät zudem „Stand by me Lesvos“, eine lokale Partnerorganisation der „Kindernothilfe“, die sich um die Geflüchteten im Camp Moria kümmert. Unterstützung von den Phanarioten, den meist in Konstantinopel beheimateten griechischen Eliten des Osmanischen Reiches. Dezember 1821 Die erste griechische Nationalversammlung tritt in Epidauros zusammen. Die 59 Abgeordneten teilen sich in zwei Gruppen, in die eher liberal eingestellte Nationalisten und in Monarchisten. Am 1.1.1822 wird eine Verfassung von der Nationalversammlung beschlossen und die Unabhängigkeit proklamiert. In ganz Europa bekunden Staatsoberhäupter, wie der bayerische König Ludwig I. oder der russische Zar Nikolaus I., und Intellektuelle, wie Mary Shelley, Lord Byron, Eugene Delacroix ihre Sympathien für die griechische Sache. Auch griechische Intellektuelle im Exil, wie Alexandros Mavrokordatos, werben für die griechische Sache. Juni 2021 73