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sondern an ihm auch teilgenommen hatte. Der politischen wie finanziellen Hilfestellung gegenüber rechtsextremen Organisationen durch einen Landeshauptmann der ÖVP und seine Parteifreunde entspricht die Tatsache, dass Oberösterreich hinsichtlich der Anzahl rechter Tathandlungen — wie es im Bürokratenjargon heißt — nach der letzten vorliegenden Statistik (2020) mit 187 Fällen weit vor Wien und der Steiermark den ersten Platz einnimmt. Drei Jahre zuvor, 2017, waren es sogar 192 rechtsextreme Straftaten, was Stelzel und seine Partei nicht daran gehindert hat, im Jahr darauf in einer Sitzung der Oberösterreichischen Landesregierung gemeinsam mit der FPÖ einen Antrag niederzustimmen, der einen Runden Tisch aller wesentlichen Institutionen zur Rechtsextremistenbekämpfung vorgeschlagen hatte. Wir stehen also wirklich mit dem Rücken zur Wand, jetzt, wo der Übergang von der Erinnerung zur Geschichte beendet zu sein scheint. Schon damals, als ich meinen Aufsatz über das historische Gedächtnis in Spanien verfasste, hielt ich es für möglich, dass die Erinnerung in Österreich ebenso gefährdet sei wie in Spanien, „nur anders“. Ich dachte dabei an den latenten Vorwurf Bruno Schernhammer kritischer Intellektueller an die Freiheitskämpfer, ihr Leben für ein Volk gegeben zu haben, das diese Hingabe nicht verdiente (des österreichischen nämlich), oder dass die Zeitgeschichtsforschung Aufruhr und Widerstand zurückgestellt hat, zugunsten der Beschäftigung mit dem eifrig behaupteten Täterland Österreich. Hier muss ich mich korrigieren, denn in den letzten Jahren sind zahlreiche Biografien über Widerstandskämpfer erschienen. Allerdings liegt der Darstellung ihrer Aktivitäten häufig der Glaube zugrunde, dass von ihrem Anliegen kein Faden mehr in unsere Gegenwart führt. Geschichte jedoch lebt von der utopischen Kraft, die ihr innewohnt, davon, dass Gegenwart hätte werden können, was in ihr als Hoffnung und Versprechen angelegt war. Die bitterste Niederlage existiert nicht ohne den Willen zur Veränderung, der ihr vorausgeht. Wer ihn nicht teilen oder verstehen mag, habe ich damals geschrieben und behaupte ich noch heute, macht die Besiegten erst zu Verlierern. Das wäre das Ende, auch der Erinnerung an die Deserteure von Goldegg, denen ein Teil der Bevölkerung bis heute nicht verzeiht, richtig gehandelt zu haben. Es liegt an uns, ein solches Ende zu verhindern. Ein kurzer Spaziergang am Almfluss. Ein sehr kurzer... Wie verabredet treffe ich Rudolf H. beim Eingang zum Friedhof. Er könne mir das Grab von Stanistaw zeigen. Aufgrund einer Anfrage eines polnischen Wissenschafters an das Gemeindeamt habe er die Stelle im Gräberverzeichnis der Pfarre Vorchdorf recherchiert, hat er mir am Telefon erzählt. Das Grab sei in den 1960er Jahren exhumiert worden. Wohin die Überreste von Stanistaw Pawelczyk! überstellt wurden, wisse er nicht. Es existiert kein Foto der aufgelassenen Grabstätte. Ich folge ihm Richtung Priestergruft. Beim Grab mit der Bezeichnung Xl/8 macht er Halt. Er könne mir die mitgebrachte Mappe ein paar Tage leihen, falls mich der Schriftverkehr mit dem Forscher und andere Unterlagen interessieren. Der polnische Kriegsgefangene, Schütze im 36. Infanterieregiment, Pawelczyk Stanistaw® war im Oktober 1941 beim Bau der Reichsautobahn umgekommen. Tod durch Verschüttung von Erdmassen, Betriebsunfall findet sich als Todesursache im standesamtlichen Todesregister. Nach dem Friedhofsbesuch zieht es mich ins Tal zum Fluss, vorbei am Sportzentrum, an der evangelischen Kirche. Nach den letzten Siedlungshäusern des Hochplateaus sticht die Autobahnbrücke mit ihren mächtigen Pfeilern ins Auge. Den Hang hinab, unter der großen Brücke durch, auf einer kleinen den Fluss überqueren, unmittelbar danach links abbiegen. Eine Fahrverbotstafel irritiert, trotzdem steuere ich einen geschotterten Parkplatz an. Ich steige aus und nehme die Mappe vom Rücksitz. Vor dem Parkplatz liegt eine dreieckige Senke, eingekeilt von der Straße, die nach Eberstalzell führt, dem Flussdamm und dem Buschrain am Mühlkanal, eingezäunt von einem elektrischen Weidezaun. In meiner Kindheit blühten auf der Wiese jedes Frühjahr Margeriten, Löwenzahn, Hahnenfuß und andere. Hier muss es passiert sein. Zdistav, es fällt mir schwer den Vor8 _ ZWISCHENWELT namen auszusprechen, Zdistav Frankowski in Mühltal in der Nähe der Almbrücke tödlich verunglükt Es kann sich nur um diese Wiese handeln. Auf der anderen Seite der Straße beginnt die Steinwandleitn, ein steiler felsiger Hang, die Ortschaft jenseits des Flusses heißt Feldham. Feldham 33 findet sich als Adresse jener Frau vermerkt, die seinen Tod beim Standesamt mündlich anzeigte. Sie, eine Landwirtschaftsgehilfin, ebenso wie Zdistav, bei dem Landwirtschaftsgehilfe eingetragen ist. Sie erklärte, vom Sterbefall aus eigener Wissenschaft unterrichtet zu sein, so die Formulierung im Sterberegister. War sie dabei gewesen oder hatte sie nur den lauten Knall gehört, war dann über die Brücke gelaufen? Wie hatte sie ihn aufgefunden? Verunglückt. Der Standesbeamte hat den vorgedruckten Begriff durchgestrichen und darübergeschrieben. 17.30 Uhr findet sich als Zeitpunkt. Acht Tage zuvor hatten Zdistav und viele andere Fremde den vorbeifahrenden amerikanischen Soldaten zugewunken. Der Krieg war, zumindest hier im Tal, zu Ende. In zwei Tagen hätte Zdistav seinen 26. Geburtstag gefeiert. Hatte er sich schon mit Freunden verabredet? Seit acht Tagen konnte er sich frei bewegen, brauchte das verhasste P-Abzeichen nicht mehr tragen, kein Wirt verweigerte mehr einem Polen das Glas Bier. Am 16. Mai 1945 wurde er bei der Grabstätte XIX/12 beerdigt. Verblutung durch Handgranatenexplosion am 13. Mai 1945 ist als Todesursache vermerkt. Wie war er zu einer Handgranate gekommen? Die wahrscheinliche Erklärung findet sich im Vorchdorfer Heimatbuch. Auf der Flucht bzw. dem Rückzug vor den amerikanischen Truppen hatte die Waffen-SS Panzerfäuste, Handgranaten, Maschinen- und Infanteriegewehre und neben den Straßen zurückgelassen. Als ein Ort wird Mühltal genannt, vor dem Überqueren des Almflusses.