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werden. Otto Plitzner lange Jahre im Präsidium des Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol (Landesorganisation des KZ-Verbandes) verschwieg im Eintrag über ihn selbst in der Schützenchronik seine Zeit in Dachau und Buchenwald. Der Schiitzenoffizier ist für seine Tätigkeit als Chronist und im Traditionsverband in Erinnerung in der Gemeinde. Sein Engagement gegen den Nationalsozialismus vor 1938 und seine Haft in zwei Konzentrationslagern sind vergessen. Rupert und Anton Schmidt verfassten noch im Mai 1945 kurz nach ihrer Heimkehr eines der ersten schriftlichen Zeugnisse über den Todesmarsch aus Dachau. In der Nähe von Bad Tölz wurden die Brüder von US-Truppen befreit. Erst ein Vortrag im Museum Wattens und ein anschließender Zeitungsartikel brachte sie 2019 wieder in Erinnerung. Konrad Paul Liessmann im ORF über Martin Heidegger Denn dieser Denker hat in all seiner Größe und Tiefe versagt: als Mensch, als Staatsbürger, als der das Bewufstsein seiner Zeitgenossen bildende Philosoph. Das ist oft genug ausgesprochen worden. Die Verpflichtung, es immer wieder zu sagen, in voller Deutlichkeit, bleibt weiter bestehen.' (Jean Améry, 1968) Der Fall Heidegger ist schwierig. Bei Heidegger liegt es nahe, wenn man schon so etwas wie ein rechtes Denken postulieren will, sich auf ihn zu beziehen. Und zwar glaub ich weniger wegen seiner Philosophie (lacht), sondern vor allem wegen seiner persönlichen Verstricktheit in den Nationalsozialismus. Seine Philosophie selber, die ja, wenn man an sein frühes Hauptwerk „Sein und Zeit“ denkt, das ja den modernen Existentialismus begründet hat, ausgehend von dem Menschen und seiner Existenz, der eigentlich vollkommen frei war von diesen politischen Implikationen oder auch von rassistischen Implikationen. Mensch als das, das in das Dasein hineingeworfen ist, der sich mit seiner Endlichkeit auseinandersetzen muss — das war es nicht, was rechte Denker begeistern konnte. Eher war oder ist er anschlussfähig durch eine bestimmte heroische Geste, die damit verbunden ist. Dieses Hineingehaltensein ins Nichts, diese Widerständigkeit, die da damit auch zum Ausdruck kommt. Das Interessante ist, dass genau diese Widerständigkeit beim frühen, jungen Heidegger von all seinen begabteren Schülern und Studenten als Rebellentum identifiziert worden war und gerade nicht als Antimodernismus. Sondern als eine neue Form eines tatsächlich Seins-bezogenen lebendigen Denkens. Man muss sich einfach, und gerade das macht ja den Fall Heidegger so schwierig, der Tatsache stellen, dass seine begabtesten Studenten alles Linke geworden sind, ich denk an Günther Anders, ich denk an Karl Löwith?, ich denk an Hannah Arendt, die sich von diesem Denken angezogen und vielleicht auch gleichzeitig in einer Art Hassliebe abgestoßen gefühlt haben, aber die gespürt haben offensichtlich, dass sich in Heideggers Denken etwas ereignet. Und Ereignen war ja eine zentrale Kategorie bei Heidegger. Obwohl wie man weiß die Gralshüter der nationalsozialistischen Ideologie Heidegger nicht mochten. Das hat viele Gründe aber sicher letzten Endes, dass er als Philosoph mit seinem Denken des Seins für nationale Konzepte oder Ideologien nicht wirklich brauchbar war.? So hört man Konrad Paul Liessmann im Jahre 2019 im öffentlichen Rundfunk über Martin Heidegger sprechen. Fünf Jahre zuvor erschienen die ersten Bände der Schwarzen Hefte, die Heidegger selbst als krönenden Abschluss seiner Werkausgabe schen wollte, und lösten ob ihrer offen antisemitischen und nationalsozialistischen Grundhaltung einen Skandal aus. Was prominente Kritiker schon früh dem philosophischen Werk des so wirkmächtigen Philosophen vorwarfen, fand sich nicht nur bestätigt, sondern in seiner gesamten Drastik in den Schwarzen Heften übertroffen. Bedeutende Philosophen wie Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Herbert Marcuse, Georg Lukäcs, Günther Anders oder Jean Amery erkannten und dechiffrierten das Antiaufklärerische, Antihumanistische und Faschistoide in Denken und Sprache Heideggers seit den 30er Jahren. Victor Farias, Hugo Ott und Emmanuel Faye verdanken wir umfassende Studien zu Heideggers Nationalsozialismus. Hier von Verstrickungen zu sprechen, muss, um es höflich zu sagen, als Euphemismus gelten. Und dann erschienen die ersten Bände der Schwarzen Hefte. Versuchten zuvor unzählige Heideggerianer ihren Meister mit seinem Rückzug vom Rektoratsposten, den er 1933 übernommen hatte, als stillen Kritiker der Nazis herauszustellen, der sich nach einer kurzen Verirrung wieder besonnen habe, so wird nun augenscheinlich, dass die Kritik von Heidegger am Nazismus von rechts kam. Der real existierende Nationalsozialismus war dem Philosophen nicht radikal genug. Von der Höhe eines mythisch aufgeladenen, völkischen Seinsdenkens kritisierte er den biologischen Rassismus als nicht fundiert. Er wollte den Rassismus im Sein verankert wissen, den Nationalsozialismus geschichtsphilosophisch begründen. Das darf keine Debatte um Heidegger mehr ignorieren. Und dann wäre da noch sein Antisemitismus. Dieser trägt unverkennbar eliminatorische Züge. Heidegger träumt von einer Welt ohne Juden, hängt Vernichtungsphantasien an. Als Vertreter des Seienden bedrohen die Juden die Reinheit des Seins, als dessen Verteidiger er die Deutschen sieht. An Professor Liessmanns Lektüre und Verständnis des deutschen Meisterdenkers scheinen die Schwarzen Hefie spurlos vorübergegangen. Heftigste Kontroversen zwischen Kritikern und Verteidigern Heideggers bleiben schlicht unerwähnt. Um dieses Verschweigen, das nicht um Worte verlegen ist, zu brechen, soll Heidegger selbst zu Wort kommen.‘ Man lese diese Auszüge als Kommentar zu Liessmanns Darstellung, als Entbergung des nationalsozialistischen Denkers gegen seine Verharmloser. „Die große Erfahrung und Beglückung, daß der Führer eine neue Wirklichkeit erweckt hat, die unserem Denken die rechte Bahn und Stoßkraft gibt.“ (GA 94, S 111) „Der Nationalsozialismus ist ein barbarisches Prinzip. Das ist sein September 2021 11