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„Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten, ist überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern.“ (GA 96, S 262) „Was jetzt geschieht, ist das Ende der Geschichte des großen Anfangens des abendländischen Menschen, in welchem Anfang der Mensch zur Wächterschaft des Seyns berufen wurde, um alsbald diese Berufung umzuwandeln in den Anspruch der Vor-stellung des Seienden in seinem machenschaftlichen Unwesen. [...] Sobald das Geschichtslose sich ‘durchgesetzt’ hat, beginnt die Zügellosigkeit des ‘Historismus’ -, das Bodenlose in den verschiedensten und gegensätzlichsten Gestalten gerät — ohne sich als gleichen Unwesens zu erkennen - in die äußerste Feindschaft und Zerstörungssucht. Und vielleicht ‘siegt’ in diesem ‘Kampf’, in dem um die Ziellosigkeit schlechthin gekämpft wird und der daher nur das Zerrbild des ‘Kampfes’ sein kann, die größere Bodenlosigkeit, die an nichts gebunden, alles sich dienstbar macht (das Judentum). Aber der eigentliche Sieg, der Sieg der Geschichte über das Geschichtslose, wird nur dort errungen, wo das Bodenlose sich selbst ausschließt, weil es das Seyn nicht wagt, sondern immer nur mit dem Seienden rechnet und seine Berechnungen als das Wirkliche setzt.“ (GA 95, S I6f.) „Wie erbärmlich ist dies ratlose Kriechen unter der Beschattung durch den planetarischen Terror einer Weltöffentlichkeit, mit der verglichen die massive Brutalität des geschichtlichen ‘Nationalsozialismus’ die reine Harmlosigkeit ist — trotz der unübersehbaren Handgreiflichkeiten der von ihm mitangerichteten Verwüstung?“ (GA 97, S 87) »Diese Vermenschung des Menschen legt sich wie ein schwerer Nebel über den ‘Menschen’; da er dabei doch über alles (Kultur u.s.f.) verfügt [...] Ist hier noch eine Möglichkeit des WanGabriella Hauch Isa Strasser „Land ohne Schlaf“ Literatur des Alltäglichen im Moskau der 1920er Jahre Isa Strasser (1891 — 1970) schrieb viel im Laufe ihres Lebens. Politische Broschüren, diverse Artikel, aber auch Gedichte und Romane zählen zu ihrem CEuvre.' Im Jahre 1970, das Jahr ihres iiberraschenden Todes mit 79 Jahren, machte sie mit einer besonderen Publikation auf sich aufmerksam. Ein autobiographischer Roman mit dem Titel Zand ohne Schlaf war ihr letztes Statement, in dem sie ihre Zeit in Moskau von 1923 bis Ende 1927 verarbeitete, die ihr Leben, das Leben einer Linken, nachhaltig prägte. Der Roman hat zwei Rahmungen: Isa Strassers Vorwort Brief an den Leser und das Nachwort von Joseph Buttinger, der zum Freund gewordene ehemalige Vorsitzende der klandestinen „Revolutionären Sozialisten“ während des Austrofaschismus, in deren Netzwerk Isa Strasser aktiv war.” Beide Texte betonen die politische Intention ihrer Zeuginnenschaft für eine der entscheidendsten Phasen in der Entwicklung der Ideologie und des Systems Sozialismus/Kommunismus, den schrittweisen Siegeszug des Stalinismus. Isa Strasser formulierte definitiv, keine „Geschichte“ zu schreiben, sondern im Roman ihre „Erlebnisse“ zu verweben, die die „Keime der blutigen Massenernte“ (7)? des dels? Vom Menschen her niemals; das Seyn muß schon zu einem Schlag ausgeholt haben; vieles muß durch eine Vernichtung hindurch.“ (GA 95, S 82) Martin Heidegger: Gesamtausgabe IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen, Band 94, Uberlegungen II-VI (Schwarze Hefte 19311938); Band 95, Überlegungen VII-XI (Schwarze Hefte 1938/39); Band 96, Überlegungen XII-XV (Schwarze Hefte 1939-1941), Hg. Peter Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, 2014. Martin Heidegger: Gesamtausgabe IV. Abteilung: Hinweise und Aufzeichnungen, Band 97, Anmerkungen I-V (Schwarze Hefte 1942-1948), Hg. Peter Trawny, Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, 2015. zusammengestellt und kommentiert von Bernd Zeller Anmerkungen 1 Jean Amery: Sie blieben in Deutschland — Martin Heidegger [1968], in Zwischenwelt, Jg. 20/Nr. 3, 2003, S 56. 2 Karl Loéwith war gewiss kein „Linker“ ; wohl aber war er als Jude zur Emigration aus Hitlerdeutschland gezwungen, und deshalb steht er hier neben Anders und den anderen, dem bekannten Antisemiten-Klischee von den „jüdischen Freunden“ entsprechend. Statt Heidegger als Judenfreund zu beschönigen, könnte Liessmann als Mann vom Fach der Frage nachgehen, wer aller von Heideggers Schülern Nationalsozialist war und wurde. 3 Konrad Paul Liessmann in der Sendung Radiokolleg Die Geisteswelt der Rechten, gestaltet von Günter Kaindlstorfer, gesendet am 26.07.2019 auf Ol, Transkription von Hannah Menne. 4 Heidegger wird nach der Gesamtausgabe seiner Werke (GA) zitiert. Samtliche Zitate entstammen den Schwarzen Heften, wobei die zeitliche Zuordnung sich so darstellt: GA 94 (1931-1938), GA 95 (1938/39), GA 96 (1939-1941), GA 97 (1942-1948). stalinistischen Terrors in den 1930er und 1940er Jahren zeigen. Buttinger strich vor allem den „ruhigen Ton“ des Textes hervor, „ohne Anspruch auf endlich erworbene höhere Einsichten, die wir aus der Literatur ehemaliger Kommunisten, deren Bekehrung viel später erfolgt ist, so gut kennen.“ (212) In Buttingers Augen tat Strasser nämlich eines nicht, ein sensationsheischendes Buch über die „Aristokratin, die sich vom Kommunismus abwendet“ zu schreiben (213) — wohl eine Anspielung auf die im Jahr zuvor publizierten, Aufsehen erregenden Memoiren der österreichischen ehemaligen Kommunistin Ruth (von) Mayenburg Blaues Blut und Rote Fahnen. Auch Isa Strasser war eine ‘von’ und am 29. März 1891 als Clotilde Mathilde Louise Martha Isidore von Schwartzkoppen in Coburg geboren worden. Von diesem Milieu hatte sie sich bereits während ihrer Ausbildung im Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin und endgültig durch die Verehelichung mit Josef Strasser (1870 — 1935), nur wenige Monate nach ihrem Kennenlernen und „acht Monate nach ihrer Mündigsprechung“, im Dezember 1912 verabschiedet. Josef Strasser, ein intellektueller Wiener ohne September 2021 13