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Ekaterina Heider „zuerst scheitern, dann schön“ bei jedem hund blieb sie hängen. mit zärtlichem blick und unterschiedlichen lauten, die ich nicht verstand. und schachtelsätzen später, es wurde mir irgendwann peinlich. ich bin schauspielerin, sagte sie an diesem abend, draußen beim rauchen. aus irgendeinem grund glaubte ich ihr nicht. in der coronakrise stirbt ihr onkel an etwas, das ich akustisch nicht verstehe, wir telefonieren nur, mein empfang ist schlecht, ich frage aber nicht nach. in meiner erinnerung an dieses eine große treffen, wo auch freunde von freunden dabei sind, erklärt mir ein mann, dass er mich verstehe, ich habe selber zwei schwestern, sagt er. ich verdrehe die augen, er wird wütend und geht. irgendwer feiert seinen studienabschluss. in dieser erinnerung verteilt eine frau luftküsse im raum und geht dann auch, kommt gleich wieder zurück, nimmt einen dunkelgrauen schal von der sessellehne, entschuldigt sich mit einem kurzen lächeln, einem räuspern und einer handbewegung, die den schal zittern lässt, etwas kleines bröselt von ihm runter, vielleicht bilde ich mir das aber nur ein. wir sind immer mindestens zwölf personen, die für ihre anwesenheit vier zusammengeschobene tische beanspruchen. ich kenne nicht alle, eine stark duftende lisa kommt dazu, wir begrüßen uns mit einer kurzen, nicht innigen umarmung. die meisten trinken bier oder weißen spritzer. alle prosten. einer trinkt cola. ich lerne heute saskia kennen. auch an diesem abend bleibt sie bei einem hund hängen, am nachbartisch, aber ich bin noch zu weit weg von ihr, als dass ich mich für sie schämen könnte. dabei beobachtet der kellner sie, nicht penetrant, fasziniert cher. seit drei wochen kommt sie immer wieder in dieses lokal, ich zeichne hier fast täglich. aber nie hat sie sich bei mir vorgestellt, nur heute. immer wird sie vom kellner beobachtet und ich zeichne dabei seine gesichter, nachmittags. heute sicht sie ein bisschen anders aus als sonst. sie trinkt immer das gleiche. einmal hat sie eine quiche gegessen, den teller auf dem text abgelegt, mit ohropax in den ohren, und ganz leise zu sich selbst gesprochen. ich habe sie nicht verstanden. in meiner erinnerung an diesen abend spreche ich sie beim rauchen an, draußen. oder sie mich. davor haben wir uns nur die hand gegeben, bei ihrer ankunft gab sie jedem einmal die hand und sagte jedes mal saskia und als ihr leute ihre namen sagten, lächelte sie. ihre hand war ein bisschen feucht. ist sie überrascht, dass ich sie so anspreche? in meiner erinnerung, ja. oder sie tut so als ob. an diesem abend frage ich mich nicht zum ersten mal, wie ihr leben wohl aussehen könnte. schauspielerin. ich tue, in meiner erinnerung, aber so als wäre sie mir zuvor noch nie aufgefallen. ich tue auch so als wäre ich noch nie hier gewesen. später aber spricht mich der kellner bei meinem namen an und ich lache nur und umarme ihn zum abschied trotzdem. saskia fiel die lüge auf, denke ich. sie fragte aber nie nach. seit diesem abend jedenfalls, ist saskia in meinem leben. meine eifersucht hat den abfluss verstopft, scheisse. ich ging auf und ab und redete und kotzte meine eifersucht in den abfluss hinein. weit weg kochte wasser, aber so weit weg war es auch wieder nicht, die küche ist klein. ich berühre mich selbst, irgendwie seltsam, aber ich berühre mich. mir schreibt ein verflossener, er meint er wäre titanic-fan. videoabend? nein danke. ich esse irgendwas alleine vor dem pc. eine tante ruft an, sie würde aserbaidschan nicht verlassen, nicht wahr? fragt sie. nicht wegen so einem schwachsinn. schickt mir an fünf auf einander folgenden tagen digital blumen. ich dusche nicht mehr täglich, aber ich dusche. die küche ist klein, den kaffee trinke ich auf der couch. ich hatte einen traum von zwei gemälden mit spatzen drauf. sie waren aus den jahren 2025 und 2050. beiden spatzen ging es schlecht, aber sie waren trotzdem schön. ich wünschte mir ich könnte auch so malen. das war mein einziger gedanke, auch wenn alles andere im traum weltbewegend hätte sein können. alles andere im traum schmerzte aber. im nachhinein erst, davor ging es mir nur um die vögel. erst nach dem aufwachen dann, das meine ich mit nachhinein. jetzt ist der abfluss verstopft, was ich dagegen tun kann weiss ich nicht, deswegen beleuchte ich einfach den ganzen tag lang meinen hintergrund und gehe dabei immer wieder über meine grenzen hinaus. meistens ist das anstrengend und hilft mir nur wenig. ich könnte etwas dagegen erfinden, habe aber vergessen, wie das geht. wann ich es vergessen habe, weiss ich nicht. lange bevor der abfluss verstopft war, das ist meine vermutung. sonst hätte ich es nicht so weit kommen lassen mit der eifersucht. sondern hätte etwas dagegen erfunden. ein mittel, das man einnimmt, oder eines, das man sich injizieren kann, oder jemand mir. aber ich dusche manchmal kalt. brauche kicks, spüre mich selbst dann mehr. andere leute geben mir ratschläge und manchmal kraft. aufräumversuche scheitern. anfangs war es besser. scheitern, schreibe ich einem freund auf die frage was geht, über whatsapp, nach laos. er chillt im pool mit freundin, schön, antworte ich. zuerst scheitern, dann schön. ich verschaue mich auf social media ein bisschen in mehrere und denke dann manchmal an sie, wenn ich stundenlang rumliege mit meinen händen an meiner vagina ab und zu kommt jemand in meine wohnung, durch das telefon zum beispiel, und stößt mich in meine kindheit hinein. dann liege ich darin rum und schaffe es nicht, mich wieder herauszuholen. meine nächte sind kurz. ich stelle mir immer vor, ich arbeite in einer bar, deswegen gehe ich erst spät ins bett. an meiner vagina entdecke ich ein muttermal. ich rasiere mich und wünsche mir ich hätte bald sex oder so. im spiegel fällt mir einmal auf, wie schön ich mich finde. schön, wenn niemand mehr da ist, mit dem ich mich vergleichen kann. die tage vergehen, aber sie vergehen nicht gut. auf facebook sehe ich fotos von menschen, die mit anderen menschen wohnen und beneide sie. aber ich telefoniere viel, auch mit leuten von früher. spät ins bett, nach der langen schicht in meiner erfundenen bar. da flirten leute mit mir, aber vielleicht missinterpretiere ich das auch und sie wollen einfach nur nett sein. immer sitzt da einer mit einem kassettenrekorder und zeichnet jeden abend alles auf. ich sagte einmal, dass mir das nicht recht wäre, aber er bestellte daraufhin noch etwas, das brachte ich ihm. seine dankenden worte kamen bei mir nicht an, sie flogen auf mich zu und fielen zu boden, kurz bevor sie mich erreichen konnten. nach der schicht kehrte ich die wortfetzen unter den teppich und ging ins bad. dort sah mir im spiegel eine fuchsähnliche frau entgegen, aber ich bewertete diesen anblick nicht sondern stattdessen, etwas später, mich selbst. mit leuten von früher öffne ich in meinem kopf welten, sie verlassen den kopf aber, stehen im raum und wollen, dass ich sie berühre. ich schreibe zwei briefe und verbrenne sie über meiner verstopften September 2021 31