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werden wird. Der Kommandant war nicht unzugänglich, doch meistens mussten wir uns an die Intelligence-Ofhicers und den Seargent-Major halten. Die Offiziere waren meistens, jedoch nicht immer, recht freundlich — die meisten von ihnen verstanden und sprachen relativ gut Deutsch — und der Seargent-Major, der in seinem Zivilberuf Betreuer eines großen Wohnhauses in London war, hatte eine sehr freundliche Art, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu anbiedernd. Der Kontakt zu unseren Familien war nicht viel besser als in den anderen Lagern; die Kommunikation wurde nicht mehr so streng kontrolliert, in dringenden Fällen konnten wir mehr als zwei Briefe pro Woche schreiben, sogar Expressbriefe, die nach der Freigabe durch den Nachrichtenoffizier direkt an die Adressaten geschickt wurden, wir konnten telegrafieren — es dauerte immer Stunden um die Erlaubnis zu erhalten -, aber normale Briefe kamen immer sehr spät an, manchmal nach drei oder vier Wochen. Pakete wurden durchsucht, aber nicht zu streng — und viele verbotene Dinge, Bücher zum Beispiel, kamen durch die Zensur des Nachrichtenofhiziers. Das Spital für die Kranken — und von denen gab es viele in Hutchinson Camp — war ein grofes, erst kürzlich gebautes und gut instand gehaltenes Gebäude, die meisten Zimmer boten einen herrlichen Ausblick, aber es war kein gutes Krankenhaus. Die Krankenpfleger waren junge Männer ohne Ausbildung und, ich fürchte, ohne wirklichen Ehrgeiz, es fehlten die notwendigsten Geräte und es gab keine adäquaten Medikamentenvorräte. Verantwortlich für das Krankenhaus war ein Arzt im Ruhestand aus Douglas, nett und freundlich, vielleicht auch ein guter Arzt, aber die tatsächliche Arbeit leisteten deutsche und österreichische Ärzte, von denen einige wirklich ausgezeichnet waren. Das Schlimmste war, dass die Behandlung schwerer Fälle in diesem sogenannten Krankenhaus nicht möglich war, und dass der Transport in ein anderes Krankenhaus durch Bürokratismus entweder gänzlich verhindert oder aber ungemein verzögert wurde — es stimmt also nicht, was die Behörden später dazu geäußert haben. Der schlimmste Fall war der, den ich bereits erwähnt hatte; der Fall eines jüngeren Mannes, der an einer alten Wunde an seinem Gehirn litt, und der häufig in Ohnmacht fiel und zum Ende gelähmt war; die Ärzte erklärten, dass er sofort zur Behandlung in ein großes Krankenhaus am Festland gebracht werden müsste, wenn nötig auch über den Luftweg — doch es dauerte drei Wochen, bis er weggebracht wurde, jedoch nicht in ein Krankenhaus, sondern in sein altes Zuhause. Ich weiß nicht, welche Folgen diese Art von Behandlung nach sich gezogen hat... In unserem Haus gab es einen Mann, der an Asthma cardiale litt; er hätte eigentlich ständige Pflege und spezielle Medikamente nötig gehabt, doch bekam er weder das eine noch das andere. Eines nachts erlitt er einen schrecklichen Anfall, der tödlich ausgehen hätte können; zum Glück war einer unserer Hausbewohner ein ausgezeichneter Arzt und konnte ihn retten und unser „housefather“ holte, trotz der Gefahr, von einem Wachmann erschossen zu werden, eine Injektionsspritze aus dem Krankenhaus. Ich bin sicher, dass es nur Glück war, dass der Tod des einen Mannes, von dem ich berichtet habe, der einzige während meiner Zeit im Lager blieb. Die 1200 in Hutchinson Camp internierten Männer bildeten nie eine Gemeinschaft, nicht nur weil sie sie so unterschiedlich waren, sondern vor allem, weil die einzelnen Häuser die wahren Einheiten bildeten. Es gab einen Lagerleiter — oder Lagervater — und ein Komitee, aber alles wurde von den „housefathers“ erledigt und es gab keine Versammlungen wie in Warth Mills. Das intellektuelle Leben war rege, aber natürlich war nur ein Teil 40 ZWISCHENWELT der Internierten an kulturellen Belangen interessiert. Derselbe Mann, der bereits in Ascot soviel dafür getan hatte, unsere Moral hochzuhalten, der Architekt Ahrends'?, gründete ein Komitee für die Hutchinson Camp University und er tat sein Bestes, den Kommandanten von der Bedeutung dieser Unternehmungen zu überzeugen. Ich weiß nicht, ob er seine Ziele erreichen konnte und ob ein Haus — es gab immer leerstehende Hauser — fiir Vortrage und fiir jene Manner, die geistige Arbeit leisten wollten, zur Verfiigung gestellt wurde. Denn wahrend meines Aufenthalts verursachte der Mangel an geeignetem Raum fiir diese Dinge stets Probleme, auch gab es nie genug Papier zum Schreiben. Es existierte eine sogenannte Biicherei im Lager, die aber nur wenige Bücher besaß, vor allem Krimis. Viele der Internierten hatten einige wenige Bücher. Die in Warth Mills beschlagnahmten Bücher sollten retourniert werden, aber es herrschte so ein Durcheinander in diesem schrecklichen Lager, dass es Wochen dauerte bis die Gegenstände an ihre Besitzer zurückgesendet wurden — vieles wurde gar nicht retourniert, Bücher, Dokumente und sogar Geld! Wir hatten also nur die Mitarbeiter für eine Universität, auch wenn es sehr gute Mitarbeiter waren. Es gab Philosophen, Physiker, Linguisten, Diplom-Landwirte, manche waren berühmt; es gab auch Studenten; nicht nur diejenigen, die Prüfungen bestehen wollten, sondern auch viele Erwachsene, die froh darüber waren, ihre Kenntnisse aufzufrischen oder etwas Neues zu lernen — ich besuchte zum Beispiel einige Unterrichtsstunden zu Differentialrechnungen, leider zu wenige, um sie auch zu beherrschen. Unser Auditorium Maximum war der große Rasen im Garten, es wurden Vorlesungen über verschiedenste Themen abgehalten: Theologie, Philosophie, Wirtschaft, Mathematik, englische Geschichte und über das englische „Leben“, Architektur, Musik, Luftfahrt. Rudolf Olden sprach über die Entwicklung des Nationalgefühls und des Nationalismus in Deutschland; ein junger Luftfahrttechniker, Weil, der in diesem Krieg England mit neuen Konstruktionen wichtige Dienste erwiesen hatte, hielt eine ausgezeichnete Vorlesung über die psychische Verfassung während des Fliegens; der einbeinige Professor Rothfehls'? sprach über die Unterschiede zwischen der englischen und der kontinentalen Mentalität — alle diese Männer waren interniert... (nun jedoch glücklicherweise wieder in Freiheit). Vorlesungen für ein kleineres Publikum wurden meist in den Häusern abgehalten, auch wenn es immer etwas unangenehm war, da die Bewohner der Häuser sich dadurch gestört fühlten. Manche dieser Vorlesungen waren von höchster Qualität, zum Beispiel jene von Professor Goldmann" über Etruskologie oder jene von Dr. Eisler"; aus Wien über Vergils vierte Eclogue; sehr spezielle Themen, doch von den Vortragenden außerordentlich interessant gestaltet. Ich hielt einen Kurs über die Geschichte der Französischen Revolution, und in meiner langen Erfahrung als Lehrer und Vortragender habe ich nur selten vor so aufmerksamen Zuhörern gesprochen. Doch nicht alle Vorträge waren derart wissenschaftlich geprägt: es gab relativ viele Sprachkurse — Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch —, eine Schule für Elektrotechniker, kaufmännische und landwirtschaftliche Kurse und eine reguläre Schule für die Burschen, die Prüfungen bestehen wollten; ich unterrichtete Geschichte. Es fanden auch einige exzellente Konzerte statt, etwa jenes am Rande des Lagers: Innerhalb des Stacheldrahts lauschten Hunderte Internierte den Melodien von Händel, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, vorgetragen von berühmten Musikern —