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gen musste. Für den jungen Kärntner gestalteten sich die ersten Kriegserlebnisse wohl zu einer schweren charakterlichen Prüfung. Es war ihm kaum möglich, fügend das unvermeidlich Befohlene zu tun. Sein Bruder Josef, zeitgleich in der Deutschen Wehrmacht eingesetzt, charakterisierte ihn zurückblickend so: Wie wir wissen, nahm der Anti-Soldat Michael Guttenbrunner am Krieg sehr widerwillig und widerstrebend teil. Für ihn war der Krieg kein politisches „Naturereignis“, kein Schicksal, in das man sich fügt, hof end, dass es vorübergehen und dass man es einigermafsen heil überstehen werde. Er wusste, dass der Krieg nicht ausbricht, sondern dass ihn die Kriegsherren für nichts und wieder nichts als für ihre Macht und Herrlichkeit veranstalten. Michael war aber kein Schwejk. Er erlebte und durchlitt den Krieg und die Gräuel und Verbrechen, die diesen begleiteten, mit wachen Sinnen. Das muss ihn tief und nachhaltig verletzt und sein rebellisches Aufbegehren so bestärkt haben, dass dieses bald nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Despotie und dem Ende des Krieges vollends ausbrach und zu einem bestimmenden Zug seines Wesens wurde. Und tatsächlich erfolgte mitten im sogenannten Unternehmen „Völkerbund“ im Spätsommer 1941 Guttenbrunners erstes massives Aufbegehren gegen die Konvention in der Truppe, zunächst wohl nur in banaler Form, disziplinlose Kleinigkeiten, die aber rigoros unter Strafe standen und ihn während der monatelangen Strafverfolgung immer tiefer in den griechischen Kosmos eintauchen ließen. Am 24. September 1941 stand er erstmals vor dem Kriegsgericht. Die Strafe: 10 Monate Wehrmachtsgefängnis in Athen. Die Tat: Wäschetausch unter „Kameraden“ ; und eine Flasche Schnaps, die er für seine Gruppe mitgenommen hatte — begangen am 6. September 1941. Vergleicht man die Handlung des Jägers Guttenbrunner mit den angeordneten Sühnemaßnahmen der deutschen Kriegsherren an der griechischen Bevölkerung, wird sehr rasch die absurde Situation gesprochenen und ausgeführten Rechts in einem Angriffskrieg deutlich. Guttenbrunners lyrische, prosaische und essayistische Hymnen auf das Land der alten und der zeitgenössischen Griechen bieten ausgiebig Platz zur Reflexion über einen Kulturraum, der in vielen Facetten das gegenwärtige und wohl auch künftige Europa berührt. Vor allem sind die Texte dort ergreifend, wo der romantische Überschwang desjenigen gewärtig wird, der seine Verehrung und Bewunderung aus Büchern und Erzählungen genährt hat und dann die Vernichtung dieser Wiege der abendländischen Kultur durch die Kriegsmaschine hautnah miterlebt. In solchen Rahmen passt viel und vielerlei hinein, aber interessanter ist, dass Guttenbrunner zu bestimmten Fragen, Bildern, Erinnerungen, Gestalten immer wieder zurückkehrt. Immer wieder hat er den Ort seiner provinziellen Herkunft, aber insbesondere auch die Griechenland-Erfahrungen literarisch mit geschärften Sinnen ausgeschritten. Wenn er in seinem „Griechenland“ -Buch viele Jahre später architektonische und religionsgeschichtliche Details zur byzantinischen Kirche offenbart, fällt dem Wissenden eine Stelle auf, in der Michael Guttenbrunner die sogenannte Vorhalle beschreibt — den einstigen Aufenthaltsraum für die „Weinenden“ und „Büßenden“, die sich durch Traurigkeit selbst von der Eucharistie distanzierten oder durch Disziplinarstrafe dazu verhalten waren. Jetzt werden dort allerlei Geräte des kirchlichen Brauchtums aufbewahrt, auch Tragbahre und Grabschaufel. (Gr./107). Warum dieses archaische Detail? Vielleicht erinnerte sich der Autor beim Betrachten dieser Geräte an ein für ihn ganz schicksalhaftes Ereignis in seinen jüngeren Lebensjahren: in einem kirchlichen Friedhof seiner Jugendstadt Michael Guttenbrunner in Kreta auf einem Esel reitend im August 1941 Klagenfurt, wo er in vollkommen verzweifelter Stimmung vom dortigen Totengräber die Grabungsgeräte erbat und für seine geliebte, blutjunge und nach elendem Leiden verstorbene Freundin Uta Tönnies die Erde aushob, um ihr das ewige Bett zu bereiten.‘ UTA TÖNNIES Durchdrungen von der Sonne ihres Leibes und von dem heifsen Mund voll Duft und bei dem Klange griechischer Gedichte wähnt er, es schlage noch in allen seinen Adern. Als sie gestorben war, zerriss der Vorhang. Dann hörte ich ein Singen, wie im Frühling, wenn alles blüht. Von Seligkeiten die verloren sind war mir’s, dass leise rings die Vögel singen. (MGGD/410)° Die schwere Disziplinarstrafe im September 1941 sollte sich jedenfalls für Michael Guttenbrunner nicht unbedingt als nachteilig erweisen. So wurde er einerseits als Soldat von den laufenden Sühnemaßnahmen gegen die kretische Bevölkerung ebenso entbunden, wie ihm sein darauffolgender Aufenthalt im Aberoff-Gefängnis in Athen tiefe Einblicke in die damals schwer geprüfte griechische Gesellschaft eröffnete. Das Gefängnisdasein hatte er ja bereits als Jugendlicher in Klagenfurt wegen seiner sozialistischen Überzeugung kennengelernt. Der wahre Hintergrund für die aktuelle militärische Disziplinierung eröffnet sich in der medizinisch protokollierten Erinnerung Guttenbrunners nach dem Krieg so: Er hatte sich geweigert, an einer Erschießung aufständischer Kreter teilzunehmen und habe wegen des menschenunwürdigen Verhaltens eines Leutnants mit diesem einen Zusammenstoß gehabt. An dem ganzen Vorfall sei das aufsässige Verhalten des Spießes mit schuld gewesen. Diesen habe er so gefürchtet und gehasst, dass sich ein richtiger Angstzustand entwickelte, in welchem er sich oft deutlich gerufen gehört habe und ihm dennoch die Sinnestäuschung klar gewesen sei. Oft habe er sich auf solche September 2021 55