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Verhältnisse und die politischen Umstände ermöglichten ihm nur die Absolvierung eines Schulhelfer-Lehrganges an der Hochschule für Lehrerbildung in Hirschberg am Riesengebirge im Sommer 1942 (sic! eher 1941 — Tidl). Mit Juli 1941 wurde er in den Schuldienst übernommen. Poldls große Leidenschaft war Radfahren. Urlaubsfahrten mit dem Rad brachten ihn nach Italien, Deutschland, Belgien. In Deutschland erlebte er erstmals den Terror der Nationalsozialisten. Über den Gefängnishof ziehen eckigLange graue Abendschatten. Grau ist das Leben, grau und dreckig, Ganz wie die Mauern die kahlen Glatten. Und doch es brennt ein lodernd Hoffen, in jedem dieser lebend Toten. Die Hoffnung zeigt den Kerker offen. Es sind der Zukunft helle Boten. ..(S. 31° Sein Neffe Gerhard Fischer, Jahrgang 1950, hat die Biographie seines Onkels recherchiert, die Dokumente zusammengetragen und auch versucht Gedanken, politische Handlungen und Motive seines Onkels zu analysieren: Der Antifaschist Poldl fand „Im christlich-sozialen Lager seiner Familie ... keinen politischen Anker, dies führte ihn nach jugendlichen Aktivitäten bei den revolutionären Sozialisten im Weiteren zu den jungen Kommunisten.“ (S.13). „Gewiss gab es große Gegensätze zwischen dem Weltbild der Familie Fischer und den kommunistischen Ansichten von Poldl“ (S. 16). Und weiter: „Leopold Fischer war ein junger Mann, der geistigen Widerstand leistete. Er wollte nie Sabotageakte durchführen, die Menschen gefährdet hätten. Geistiger Widerstand bedeutete für ihn vordergründig, mit sprachlichen Mitteln die Verbrechen des NS-Regimes und deren Auswirkungen hervorzuheben“ (S. 20). Gedichte und Briefe bestätigen diese Analyse. Es bleibt allerdings unverständlich, wie Leopold Fischer diese, seine Illusion, man könne die Nazis mit geistigem Widerstand, mit sprachlichen Mitteln besiegen, bis an sein tragisches Lebensende aufrechterhalten konnte. Frauen und Männer unterschiedlichster sozialer Herkunft und unterschiedlichster Annäherung an und Beherrschung von Sprache haben versucht, die Nazis mit Hilfe von sprachlichen Mitteln zu bekämpfen — vor allem bis zur Machtübernahme der Nazis. Doch als ihre von Brutalität und Gewalt verzerrte Fratze unübersehbar wurde, war den meisten ihrer politischen Gegner klar geworden, dass letztlich nur eine militärische Niederlage die Befreiung vom Faschismus bringen könnte. Vor allem Kommunisten aus allen besetzten oder bedrohten Ländern zögerten selten, zur Waffe zu greifen, wenn sie die Möglichkeit dazu hatten. Der Kommunist Leopold Fischer war eine Ausnahmeerscheinung. Und es klingt wie eine Entschuldigung der immer noch der Religion verpflichteten Familie Fischer: Unser Poldl war zwar bei den jungen Kommunisten, aber... Eine posthume Entschuldigung, die — so hat es den Anschein — im Einklang mit dem damals noch lebenden Poldl steht: Späte Einsicht Ein Schritt von der Geraden, Nur millimeterweit.Schon bist du fluchbeladen, das Opfer deiner Zeit. Wozu auch solche Schritte, aus Jugendhirn geboren. Bleib’ lieber in der Mitte Und du bleibst ungeboren. Mitte Mai 1942 wurden im Zuge einer Verhaftungswelle 19 Mitglieder des KJV festgenommen, am 13. Mai 1942 Leopold Fischer und in Folge die Mitglieder seiner Gruppe: Leopoldine David, Erne Eberl, Johann Anton Eberl, Gertrude Müller, Angela Bieder-Kampel, Theo Eberl und Johann Eber. Ihnen wurde vorgeworfen, seit dem Sommer 1941 Streuzettel bzw. kommunistische Literatur hergestellt, verbreitet und „kommunistische Zersetzungsschriften an Frontsoldaten und Zivilpersonen“ (Gestapo-Tagesrapport 50508) verschickt zu haben. Vom Wehrmachtsgefängnis — im Sommer 1941 war Leopold Fischer zur Flak einberufen worden — wurde er ins Landesgericht Wien überstellt und dann in die Haftanstalt Stein. Dort gelang es ihm zunächst zu fliehen, doch auf dem Weg zum Bahnhof wurde er von einem Aufseher außer Dienst erkannt. Dessen Schüsse verfehlten ihn, aber einer neuerlichen Verhaftung konnte Leopold Fischer nicht entgehen. Pritsche, Tisch, ein Sessel. Flackernd dünnes Licht. Am Handgelenk die Fessel. Brennt, schnürt, sticht. Stehe in der Ecke — Dritte Nacht und dritier Tag. Ob ich mich mal strecke? Wann ich letztmals lag? Dickverschwollne Füße. Warum man nicht fällt? Was ich alles büfe? — Wohl die ganze Welt. Augen sehen Sterne. Körper sackt in sich. Irgendwo — ganz ferne — Spricht man über mich. Antlitz dick verschwollen. Zwei Männer treten ein. Was sie von mir wollen? Verhör! — neue Pein. Religion spendete Trost, vielen Opfern des Nazi-Ierrors und auch Leopold Fischer: Seine sehr spezielle Art religiösen Bekenntnisses stellt er in einem Brief vom 16. Mai 1943 aus der Haft an seinen Bruder dar: Gott! Wie sehr wird er doch von den Menschen in allen Religionen zu sich herabgezogen u. wenn man dann genau hinsieht, dann haben diese Menschen, gar keinen Gott, sondern einen Menschen zum Vorbild. Mein Brüderchen, das höchste liegt so hoch, dass wir es weder benennen noch erkennen können. Wir können bloß aus uns das Letzte aus Positivem herausholen, um diesem Unerkannten zuzustreben. Nur die Angst vor dem Ungewissen, dem Tod, hat die Menschen dazu gebracht, sich einen Trost zu schaffen, aber der Starke geht diesen Weg in den Tod nicht hoffend auf Belohnung für sein Leben, sondern er hat gelebt um zu schaffen u. er stirbt um zu sterben... (S. 77) Auch Leopold Fischers Verteidigung in seinem Strafverfahren November 2021 11