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weicht in Vielem von dem anderer Angeklagten ab. Dem allgemein bekannten Häftlingsmotto entsprechend „Sagst du ja, bleibst du da, sagst du nein, gehst du heim“, wurde bei Einvernahmen, Verhören, Verhandlungen möglichst alles Belastende abgestritten. Und es wurde gelogen, so viel und so gut wie möglich — ohne schlechtes Gewissen: Es wurde ja der Feind, der Todfeind, angelogen. Zugegeben wurde nur, was absolut nicht geleugnet werden konnte. Was vor der Haft von den Genossen für eine mögliche, notwendig gewordene Verteidigung abgesprochen worden war, wurde so lange wie möglich eingehalten. Hilfsmittel aller Art wurden ohne Bedenken eingesetzt — zum Beispiel auch Anwälte aus der nationalsozialistischen Bewegung. Es war immer ein Kampf auf Leben und Tod mit allen Mitteln. Nur der Verrat von eigenen Kampfgefährten war eine Grenze, die nicht überschritten werden sollte — für viele bedeutete das ein vorzeitiges Lebensende. Leopold Fischers Freund und Mitangeklagter Iheo Eberl wurde in dem Verfahren von einem Dr. Postl verteidigt. Als Dr. Postl eine Verteidigung von Leopold Fischer ablehnte — „Er hat Fischers Verteidigung abgelehnt; meint, dass er Todesstrafe bekommen wird.“ (S.16) -, gibt es keinen weiteren Hinweis auf einen Versuch von Fischers Familie oder von Leopold Fischer selbst, einen anderen Anwalt zu verpflichten. Leopold Fischer schien darauf zu vertrauen, dass ihn seine pazifistische Grundeinstellung vor dem Todesurteil bewahren würde. In seiner Eingabe an den Oberreichskriegsanwalt in Berlin vom 28. August 1942 verweist Leopold Fischer darauf, dass er „jede Gewaltlösung ablehnte“. (S. 96) Ob Leopold Fischer, hätte er versucht, wie die meisten anderen Angeklagten, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln um sein Leben zu kämpfen, Erfolg gehabt hätte...? Durch seine falsche Einschätzung der Nazi-Ideologie, ihrer Mitleidlosigkeit, ihrer Intoleranz hat er es den Nazis jedenfalls leicht gemacht. Das Todesurteil wurde am 13. April 1943 gesprochen, Gertrude Müller wurde ebenfalls zum Tode verurteilt, Johann Eberl zur ständigen Frontbewährung und alle anderen Mitangeklagten zu hohen Kerkerstrafen. Die Anklage gegen Johann Anton Eberl wurde fallen gelassen. Neue Texte Alexander Emanuely Und muss ich sterben, Warum auch nicht. Nach mir kommen Erben Und sterben ist Pflicht. Auch so, — mein Alter -, Ich sei zu jung. Den Rat behalt er. Ich sterbe mit Schwung. Ruck zuck und aus.Gesiecht wird nicht. Mit Saus und Braus Das Leben zerbricht. Das Leben war schön. Doch Sterben ist not Kommen und GehenIst ein Gebot. (S. 49) Leopold Fischers Hinrichtung wurde am 27. August 1943 im Landesgericht Wien vollzogen. Anmerkungen 1 Eine rote Flügelmappe aus Pappendeckel, schon ein bisschen mitgenommen, zieren in der gut leserlichen Handschrift meiner Mutter die Worte: „Aus Gefangenen werden Dichter“. Seit 1945 sammelte sie in dieser Mappe Gedichte von Nazi-Verfolgten, Hingerichtete, Gestorbenen, Überlebenden. Sie plante eine Anthologie. Durch den allzu frühen Tod meiner Mutter sind einige ihrer Projekte bis heute nicht realisiert worden — auch die Herausgabe dieser Sammlung. In dieser Mappe befinden sich auch Gedichte von Leopold Fischer, die ihr "Theo Eberl übergeben hat. Wann und wo ist nicht vermerkt. Das Buch meiner Mutter „Die Rote Studenten“ ist längst vergriffen, aber über dieses Buch ist der Cousin und Biograph von Leopold Fischer, Gerhard Fischer, auf das Archiv meiner Mutter und ihre rote Flügelmappe gestoßen. 2 Die auch im Folgenden in Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf: Gerhard Fischer, Jürgen Heimlich (Hg.): Einer und Keiner von 600 Hingerichteten. Munderfing: Verlag Innsalz 2021. 233 S. 1971, vor genau 50 Jahren sendete der Westdeutsche Rundfunk (WDR) Georg Stefan Trollers 43-minütigen Dokumentarfilm „Am Rande der bewohnbaren Welt — Das Leben des Dichters Arthur Rimbaud“. Regie, Drehbuch, Erzählstimme: Georg Stefan Troller, Kamera: der bedeutende deutsch-israelische Kameramann Josef Kaufmann, Schnitt: Eva David. Georg Stefan Troller war zum Zeitpunkt des Drehs 50 Jahre alt und Rimbaud seit 80 Jahren tot. Gedreht wurde in Rimbauds Geburtshaus in Charleville-Méziéres, 12 ZWISCHENWELT das inzwischen Patti Smith erworben hat, und in Äthiopien, das noch vom König der Könige regiert wurde, und an etlichen weiteren Lebensstationen Rimbauds. Wegen seines aufregenden, rauschhaften Stils ging Trollers Dokumentarfilm in die Filmgeschichte ein. Er wandte elektronische Verfremdung, Spiegeleffekte an, spielte mit Formen und Farben, ließ viele Szenen mit der Handkamera drehen. Wird von sexualisierter Gewalt in den Kasernen erzählt, die Rimbaud erlebt hat, dann taucht die blutige Hand eines Metz